2 - Der erste Kuss

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In den darauffolgenden Tagen sah ich Fabian vielleicht zwei- bis dreimal in der Pause, wie er sich mit seinen neuen Freunden über die Witze der Mädchen totlachte. Was war nur mit ihm los? Oder lag es an mir? Habe ich etwas falsch gemacht? War ich so langweilig geworden, dass er sich neue Freunde suchen musste? Ich verkroch mich nur noch mehr in meine Ecke und beobachtete die Ameisen bei ihrer Arbeit. Ach, ihr kennt solche Probleme bestimmt nicht.

Als ob mich eine Ameise gehört hätte, blieb sie auf einmal stehen und schaute in meine Richtung. Ja, wir verstehen uns, Kumpel. Doch dann kam ein riesiger Schuh und zertrat die Ameise. Ich schaute erbost nach oben und sah Dennis, wie er mich frech angrinste. „Na spielst du mit deinen neuen Freunden, Dumpfbacke?" Ich ballte die Fäuste und versuchte mich zurückzuhalten. Am liebsten hätte ich diesem arroganten Stück Dreck eine reingehauen. Er sah auf meine geballten Fäuste, und sein Lächeln nahm einen bedrohlichen Ton an. „Ach, du möchtest dich mit mir prügeln, weil ich deine neuen Freunde totgelatscht habe?" Plötzlich flog ich nach hinten und schaute mich verwirrt um.

„Ach, wenn er sich prügeln will, sollten wir ihm den Gefallen tun und uns mit ihm schlagen, oder was meinst du, Dennis?" fragte Tobi, der sich heimlich von hinten an mich herangeschlichen und mich zu Boden gezogen hatte. „Hey, was macht ihr da?" Das war Fabians Stimme, doch anders als sonst. Ich hatte ihn noch nie so wütend sprechen gehört. „Lasst ihn gefälligst in Ruhe, er hat euch nichts getan." Tobi hob beschwichtigend die Arme. „Hey, ganz ruhig bleiben, wir haben doch nur Spaß gemacht." „Ja, denkst du etwa, wir würden uns mit so einem prügeln?" fragte Dennis mit seinem typischen fiesen Grinsen. Fabian schüttelte nur den Kopf und half mir auf und drückte mir meine Frühstücksbox in die Hand. „Hier, die hast du wohl eben verloren." Als er mir dabei in die Augen sah, fühlte ich mich auf einmal anders. Es waren nicht mehr dieselben Augen wie früher, in ihnen lag jetzt ein Hauch Mitleid. Nur sein Lächeln hatte sich keineswegs verändert. Ich murmelte ein Danke und stürzte zurück ins Schulgebäude.

Ich spürte Fabians besorgte Blicke noch stundenlang auf meinem Rücken. Ich hoffte jedenfalls, dass er nach meinem überstürzten Aufbruch wenigstens das für mich übrig hatte. Dieser Gedanke plagte mich den ganzen restlichen Schultag und auch den halben Nachmittag.

Im strömenden Regen hockte ich in unserem alten Versteck und grübelte vor mich hin, als auf einmal Fabian anklopfte und den Kopf hereinstreckte. „Hey, komm raus, lass uns reden." Er sprach wieder einmal mit seinem engelsgleichen Ton, und ich war drauf und dran, ihm zu gehorchen. Doch diesmal war mein Trotz größer. „Warum redest du denn nicht mit deinen neuen Freunden?" Ich versuchte, meine Tränen zu verbergen, und drehte mich deshalb etwas von ihm ab, um mein Gesicht im Schatten zu verbergen. „Ich möchte aber mit dir reden und nicht mit ihnen. Also komm bitte heraus."

Ich wartete einen kurzen Augenblick, dann stieg ich aus dem Versteck, hinaus in den strömenden Regen. „Was willst du, Fabian?" „Ich weiß es nicht." Wieder einmal schaute er verlegen zu Boden. „Ich wollte mich irgendwie für alles entschuldigen. Ich wollte nicht, dass es so kommt, wie es gekommen ist." Ich wusste einfach keine Antwort darauf und schaute nur verlegen in die Schatten. Plötzlich blitzte und donnerte es so laut, dass wir beide zusammenzuckten und zu Boden stürzten. Ich lag durchnässt auf Fabian und konnte seinen warmen Körper spüren. Meine Hand lag auf seiner Brust, und ich spürte, dass sein Herz genauso schnell schlug wie meins. Er strich mir mein nasses Haar aus dem Gesicht, und ich gab mich meinen Gefühlen einfach hin. Ich beugte mich zu ihm herunter und küsste ihn mit geschlossenen Augen.

„Was machst du scheiß Schwuchtel da mit meinem Sohn?" Bei diesem Schrei flog ich förmlich von Fabian herunter, und ich sah seinen Vater wutentbrannt auf uns zueilen. Ich wollte noch etwas sagen, doch mir fiel vor Schreck nichts ein, was ich hätte sagen können, und schon traf mich seine Faust ins Gesicht. Ich flog rücklings gegen unser Versteck, das bei dieser Wucht in sich zusammenbrach und mich darunter begrub. „Was fällt dir ein, deine Schwuchtel-Fantasien an meinem Sohn auszuleben?" schrie er, während er immer wieder mit voller Kraft in meinen Bauch trat. Ich schaute hilfesuchend zu Fabian, doch dieser lag noch immer verängstigt am Boden und wusste scheinbar selbst nicht, was er tun sollte.

„Ich Prügel dich tot, du Sohn einer Hure!" Fabians Vater ergriff eine Metallplatte und schlug wie verrückt auf meinen Kopf ein. Langsam verlor ich das Bewusstsein. Das letzte, was ich mitbekam, war, wie meine Mutter mit einem Messer bewaffnet aus dem Haus stürmte und laut schreiend auf Fabians Vater losging. „Lass meinen Sohn in Ruhe, du dreckiger Rassist."

Liebeskummer im HinterhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt