3 - Frank

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Sollte dies das Ende meines kurzen und verwirrenden Lebens sein? Dieser Gedanke plagte mich während meines dreiwöchigen Komas, Tag für Tag, Nacht für Nacht, bis zum 15. August. Das neue Schuljahr hatte bereits begonnen, und ich erwachte langsam aus dem Koma. Doch als ich die unmenschlichen Kopfschmerzen spürte, wünschte ich mir, ich hätte noch länger schlafen dürfen.

Das Erste, was ich mit meinem halb verschwommenen Blick sah, war meine Mutter, wie sie mich mit tränenübersätem Gesicht anlächelte. „Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist, mein Schatz." Sie nahm mich liebevoll in den Arm. Dies hatte sie seit der Trennung von meinem Vater nicht mehr getan, und ich war etwas verwirrt. Dennoch spürte ich, wie in meinem mit Schmerzmitteln vollgepumpten Körper wieder etwas Freude aufkam.

Ich verbrachte noch eine Woche im Krankenhaus, und meine Mutter besuchte mich jeden Tag für mehrere Stunden. Am vorletzten Tag brachte sie Frank mit. Er war ihr langjähriger Arbeitskollege, doch ich spürte, dass da mehr war. Aber ehrlich gesagt war mir das egal. Frank nahm mich, wie ich war. Ständig machten wir Witze und zauberten meiner Mutter ein Lachen aufs Gesicht. Ich glaube, das war meine schönste Zeit im Leben, außer natürlich diesem einen Moment, in dem Fabian und ich uns geküsst haben. Aber mein Kopf pochte bei diesen Gedanken immer wieder schmerzhaft, also verbannte ich sie vorerst aus meinem Inneren.

Am Freitag durfte ich endlich wieder nach Hause, aber als wir fast dort waren, spürte ich diese Angst davor, Fabians Vater wiederzusehen. Am liebsten wäre ich zurück ins Krankenhaus gerannt und hätte mich in meinem Bett versteckt. Doch Frank legte seine große, starke Hand auf meine Schulter. „Hab keine Angst, deine Mutter und ich passen gut auf dich auf. Er wird dir nie mehr etwas tun." Bei diesen Worten bekam ich eine leichte Gänsehaut. Mein Blick ging zu den Fenstern, wo Menschen hinter ihren Vorhängen hervorlugten und uns begafften. Aber Frank und meiner Mutter schien es nichts auszumachen. Ich lächelte, denn ich wusste, dass ich jetzt keine Angst mehr haben musste. Meine Mutter war so glücklich wie nie zuvor, und Frank war jetzt schon wie ein Vater für mich. Ich nickte kurz und lief dann mit einem besseren Gefühl nach Hause. Doch war es jetzt noch mein Zuhause oder der Ort meiner schlimmsten Erinnerungen?

Ich musste noch einige Monate zu Hause bleiben, und ehrlich gesagt war mir das ganz recht, so konnte ich wenigstens der Schule vorerst entkommen. Wer weiß, was mich dort erwartet hätte. Ich wollte es eigentlich nie herausfinden und fürchtete mich schon vor dem Tag, an dem ich wieder zur Schule musste. Wie würden die anderen reagieren, und wussten sie überhaupt, was passiert war? Ja, was war überhaupt passiert? Fabian und ich hatten uns geküsst, oder hatte sein Vater recht, und ich hatte ihn zu etwas gezwungen, das er gar nicht wollte? Bei diesen Gedanken fühlte ich mich sehr schlecht. Ich wollte ihn auf keinen Fall zu etwas zwingen, aber ich hatte mich so geborgen gefühlt, als ich auf ihm lag.

Die Worte von Fabians Vater schwirrten mir noch die restlichen Krankentage im Kopf herum, doch dann kam der Tag, an dem ich mich um Wichtigeres kümmern musste: der erste Schultag. Alle anderen hatten natürlich schon begonnen und würden sich die ganze Zeit das Maul über mich zerreißen. Oh ja, wie sehr ich mich auf diesen Tag gefreut habe. Ich glaube, wenn ich in diesem Augenblick noch gekotzt hätte, wäre es perfekt gewesen.

Es war ein verregneter Donnerstag, an dem mich Frank früh zur Schule fuhr. Ich war ehrlich gesagt sehr erstaunt, dass er dies tat. Schließlich würde er deswegen zu spät zur Arbeit kommen. Er musste mir diesen Gedanken irgendwie angesehen haben, denn als er mein nachdenkliches Gesicht sah, sagte er in einem väterlichen Tonfall: „Keine Angst, ich habe auf der Arbeit Bescheid gesagt, dass ich ab jetzt später kommen werde." Er lächelte mich aufmunternd an und hielt einige Meter vor dem Schulgelände an. „Denk immer daran, es ist egal, was andere von dir denken. Du musst mit dir selbst glücklich sein, um dein Leben genießen zu können. Nur das ist wichtig: mit sich selbst im Einklang zu sein." Ich nickte verwirrt, aber ehrlich gesagt hatte ich in diesem Moment nicht verstanden, was er mir sagen wollte. Es war alles zu verwirrend für mich.

Die Schulkinder, die tuschelnd und mit dem Finger auf mich zeigend an unserem Wagen vorbeiliefen, verunsicherten mich nur noch mehr. Frank legte seine große Hand auf meine Schulter. „Hab keine Angst, deine Mutter und ich sind immer für dich da." Als er das sagte, lächelte er mich so voller Liebe an, dass ich nicht anders konnte, als ihn zu umarmen. Nach dem ersten kurzen Überraschungsmoment legte er lächelnd die Arme um mich und hielt mich bis zum Schulklingeln in den Armen.

Frank fuhr mich noch bis zum Schultor. Ich stieg zögernd aus und schnappte mir meinen Ranzen. „Danke, Frank", murmelte ich noch schnell und machte mich zügig auf in das Schulgebäude. Wenn ich schnell genug im Gebäude war, würden sie mich vorerst bestimmt in Ruhe lassen. Ich hatte die Hälfte des Weges fast geschafft, als mir plötzlich jemand ein Bein stellte, und ich der Länge nach hinflog.

Alle Schüler begannen sofort mich auszulachen, und ich hörte Dennis laut lachend sagen: „Endlich ist er da, wo er hingehört." Doch plötzlich verstummten die Stimmen, und ich fragte mich, ob ich schon wieder ins Koma gefallen sei. Doch plötzlich half mir Franks starke Hand auf, und ich schaute in sein wutentbranntes Gesicht, während er sich an meine Mitschüler wandte. „Ihr solltet euch schämen, so mit einem Mitschüler umzugehen. Haben euch eure Eltern keine Manieren gelehrt?"

„Was ist denn hier für ein Lärm?" Oh nein, nicht auch noch der Schuldirektor. Ich versuchte mich hinter Frank zu verstecken, doch der Direktor hatte mich schon längst gesehen. „Du schon wieder, du Unruhestifter, was hast du diesmal angestellt?" fragte er mich wutentbrannt, während ich mich eingeschüchtert hinter Frank versteckte. Doch dieser trat vor den Direktor und antwortete in einem nicht weniger wütenden Tonfall. „Er wurde von seinen Mitschülern wieder einmal gedemütigt. Er ist hier..." „Er ist hier der einzige Unruhestifter weit und breit. Ständig stört er andere Schüler in den Pausen. Dennis hier hat sich schon mehrfach über ihn beschwert." Als der Direktor auf Dennis zeigte, streckte dieser mir breit grinsend die Zunge heraus. Man konnte spüren, dass er vor Freude fast geplatzt wäre. „Der Junge, der ihm eben ein Bein gestellt hat und sich lauthals über ihn lustig gemacht hat", sagte Frank, der mittlerweile einen hochroten Kopf bekommen hatte und nun mehr schrie als sprach. „Das war nur ein kleiner Scherz zwischen Mitschülern." Damit schien das Thema für den Direktor abgehakt zu sein, und er wandte sich mir zu. „Du bist für die nächsten vier Wochen vom Unterricht suspendiert!" Der Direktor drehte sich ohne ein weiteres Wort um. „Ihr geht jetzt alle in den Unterricht. Wir haben für solch ein Verhalten kein Interesse. Also hopp, ab in die Klassen, wenn ich bitten darf." Auf einmal drehte sich der Direktor fies grinsend um und sah mich gehässig an. „Sie sind davon natürlich ausgeschlossen. Da Sie suspendiert sind, verlassen Sie auf der Stelle das Schulgelände, oder ich werde die Polizei einschalten und Sie beide wegen Hausfriedensbruchs anzeigen." Frank und mir blieb einfach nur die Luft weg bei diesen Worten. Wir standen da wie erstarrt.

Frank schluckte ein paar Augenblicke später sehr laut und zog mich fluchend in Richtung Auto. „Es wäre bestimmt das Beste, wir suchen für dich eine andere Schule. Bei so einem Arsch... Oh, entschuldige meine Ausdrucksweise", sagte er verlegen. „Normalerweise nehme ich solche Worte nicht in den Mund, aber bei diesen Herren mache ich da glatt mal eine Ausnahme." Als er mir lächelnd zuzwinkerte, war es, als ob mir ein Schleier vom Herzen gerutscht wäre. Frank war wirklich fast wie ein Vater für mich, und ich war froh, dass meine Mutter ihn an ihrer Seite hatte.

Liebeskummer im HinterhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt