6 - Was ist Liebe?

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Als ich mich in den Matheraum begab, wurde mein Blick von den vielen unbekannten Gesichtern in der Klasse gefangen. Ich fühlte mich wie ein Fremdkörper inmitten dieser Menge von Schülern, die schon längst ihre Plätze eingenommen hatten. Herr Delja führte mich zu einem freien Platz in der Mitte des Raumes und stellte mich der Klasse vor. „Klasse, das ist unser neuer Mitschüler, bitte nehmt ihn freundlich auf", verkündete er, und ich spürte, wie mich die neugierigen Blicke der anderen umgaben.

Während Frau Rossner den Unterricht begann, versuchte ich mich auf die Mathematikaufgaben zu konzentrieren, doch mein Geist wanderte immer wieder zu dem Mädchen in der Ecke. Ich fragte mich, ob sie auch so kämpfte wie ich – mit der Frage nach der Liebe, nach Akzeptanz und Verständnis.

In den folgenden Tagen fragte ich mich oft, ob es in Ordnung war, dass ich mich zu anderen Jungs hingezogen fühlte. Hatte ich das Recht, meine Gefühle zu akzeptieren, oder war es etwas, das ich verstecken musste? Die Gesellschaft, die Normen, die Erwartungen – sie alle drängten mich dazu, meine wahren Gefühle zu unterdrücken.

Es war, als ob ich mich zwischen zwei Welten befand: einerseits die Welt der Erwartungen, in der ich mich anpassen und verstecken musste, und andererseits die Welt meiner eigenen Gefühle, die ich noch nicht vollständig verstand.

In den folgenden Tagen und Wochen ging ich diesen Gedanken immer wieder nach. Ich fragte mich, ob ich mich selbst akzeptieren konnte, ob ich den Mut hatte, meine wahren Gefühle zu leben, oder ob ich mich weiterhin den gesellschaftlichen Normen beugen würde.

Es war ein ständiger innerer Kampf, der mich quälte und mir keine Ruhe ließ. Ich suchte nach Antworten, nach einem Weg, meinen Platz in dieser Welt zu finden, aber je mehr ich suchte, desto mehr schien ich mich in einem Labyrinth aus Unsicherheit und Zweifel zu verlieren.

Die Welt um mich herum schien sich weiterzudrehen, während ich in meinem eigenen kleinen Universum gefangen war. Ich sah andere Paare glücklich und verliebt miteinander, und ich fragte mich, ob ich jemals das gleiche Glück finden würde.

Aber selbst, wenn ich mich entschied, meinen Gefühlen zu folgen, blieb die Angst. Die Angst vor Ablehnung, vor Verurteilung, vor dem Unbekannten. Ich wusste nicht, wie die Welt reagieren würde, wenn ich meine wahre Identität zeigte, und das machte mir Angst.

Und so blieb ich in meinem Schneckenhaus, unsicher und ängstlich, unfähig, einen klaren Weg nach draußen zu finden. Ich sehnte mich nach Antworten, nach Gewissheit, aber sie blieben mir verwehrt.

Liebeskummer im HinterhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt