Eine Liebe, die nur wir verstehen

#9

-Noemi-

„I've been watchin' you for some time
Can't stop starin' at those ocean eyes...
You really know how to make me cry
When you gimme those ocean eyes
I'm scared
I've never fallen from quite this high
Fallin' into your ocean eyes
Your ocean eyes"

Die wunderschöne Melodie von Ocean eyes von Billie Eilish kommt aus meinen Kopfhörern während ich mit meinem Fahrrad auf dem Weg zur Schule bin. Es fühlt sich so an, als wäre das Lied für Frau Herbst geschrieben worden, denn der Text erfasst ihre atemberaubenden Augen ziemlich gut. Ich kann es kaum erwarten sie wieder zu treffen und nach dem Unterricht vielleicht noch etwas länger zu bleiben, damit wir noch etwas Zeit zu zweit verbringen können...

Lia wartete wie immer am Schultor auf mich und wir gingen zusammen zum Klassenzimmer. In den ersten beiden Stunden hatten wir Spanisch. Ich liebe es, neue Sprachen zu lernen, weswegen die erste Doppelstunde ertragbar war, doch das kribblige Gefühl von Vorfreude, dass ich Frau Herbst wiedersehen würde, wurde nicht weniger.

Nach der Pause hatten wir Geschichte, nicht gerade mein bestes Fach, allerdings war das heute nicht der Grund, warum mein Blatt leer blieb und ich mich nicht konzentrieren konnte. Jedesmal, wenn ich meinen Fokus auf die Aufgaben richten wollte, die wir zu erledigen hatten, schweiften meine Gedanken zu Frau Herbst und ihrem gestrigen Besuch bei mir.  Gezwungen von der Gegenwart meiner Eltern hatte sie sich gestern bei mir als Kira vorgestellt und ich durfte sie den ganzen Abend über duzen, was ein unbeschreibliches Gefühl war. Ein Gefühl, an das ich mich gewöhnen könnte...

„Nur noch Englisch und Französisch überstehen und dann haben wir endlich Wochenende." seufzte Lia und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück während unser Englischlehrer seine Sachen auf dem Pult ausbreitete. Mein Blick huschte sehnsüchtig zur Uhr, welche mir verriet, dass ich in 45 Minuten Frau Herbst wiedersehen würde. Allein bei diesem Gedanken beschleunigte sich mein Herzschlag und ich musste aufpassen, nicht wie eine Idiotin zu grinsen. Doch anscheinend gelang es mir nicht so gut, meine Aufregung zu verbergen, denn mein rechtes Bein wippte nervös auf und ab und das Grinsen, welches ich so stark zu vermeiden versucht hatte, schlich sich nun doch auf mein Gesicht.

„Hat da jemand einen besonders guten Tag oder warum bist du in einer Englischstunde so glücklich ?" Lia schaute mich entgeistert an was mir ein Lachen entlockte.
„Ja, heut ist einfach ein toller Tag und wie du schon gesagt hast, das Wochenende steht bevor."
Lia war immer noch leicht misstrauisch, was ich ihrem Blick entnehmen konnte, gab sich aber mit meiner Antwort zufrieden.

Die Minuten verstrichen und ich konnte es kaum mehr erwarten, der Frau zu begegnen, die mich so sehr in ihren Bann gezogen hatte. Es war bereits 12:23 Uhr und unser Englischlehrer verlies das Klassenzimmer, um zu seiner nächsten Unterrichtsstunde mit einer anderen Klasse zu gehen, was bedeutete, dass Frau Herbst jeden moment das Zimmer betreten würde. Seltsam, normalerweise war sie immer sehr pünktlich.

Um 12:29 Uhr öffnete sich endlich die Tür und ich sah wie Frau Herbst das Zimmer betrat. Mein Herz machte kleine Purzelbäume und meine Hände begannen zu schwitzen. Würde sie es schaffen, so zu tun, als wäre nichts zwischen uns passiert, damit die anderen und vor allem Lia, keinen Verdacht schöpften ? Ich weiß zumindest nicht, ob meine Schauspielkünste dafür reichen, denn in ihrer Nähe hab ich mich nicht mehr unter Kontrolle. Während ich ihr dabei zusah, wie sie ihre Sachen auspackte entdeckte ich eine kleine rote Stelle an ihrem Hals, welche so aussah, als hätte Frau Herbst versucht sie mit Concealer abzudecken, doch sie war mir nichtsdestotrotz aufgefallen, denn ich war der Grund für diese rote Stelle. Es war ein Knutschfleck, welchen ich ihr gestern verpasst haben musste. Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, denn dies war ein weiterer Beweis dafür, dass das alles zwischen uns wirklich passiert war und sie mich wirklich mochte, genau so wie ich sie.