Kapitel 6

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Nach einer Weile fuhren sie aus der Stadt raus. Ein dichter Mischwald löste sie ab. Die von nahendem Herbst berührten Laubbäume, färbten den Wald wie ein Flickenteppich. Ella beobachte ihre Umgebung, versuchte sich zu merken wie sie fuhren, wann sie abbogen. Ihr volle Aufmerksamkeit lag auf dem Weg, sie ging ihn immer wieder durch, sodass sie erst beim zweiten Hinsehen bemerkte, dass sie vor einem großen, schweren Tor standen. So viel zum Aufpassen, wohin wir fahren.

Man konnte weder Haus noch Grundstück von ihrer Position gut sehen. Der Zaun war auf beiden Seiten von einer dicken, gut 3 Meter hohen Hecke abgeschirmt. Liam drückte einen kleinen Knopf, der über ihm an der Blende hing und das schwere Tor glitt geräuschlos zur Seite, um ihnen die Einfahrt zu gewähren. Der vom Morgentau feuchte Kies knirschte unter der Last des Pickups, als sie auf eine von großen Bäumen gesäumte Allee fuhren. Trauerweiden beugten sich über den breiten geschotterten Weg, als würden sie die Neuankömmlinge begrüßen.

Leichter Nebel lag über dem ordentlich geschnittenen Rasen und ließ die Straße vor ihnen im Nichts verschwinden. Nach weiteren 5 Minuten Fahrt hielten sie auf ein Haus zu, dass Ella den Atem raubte. Blumen, deren Namen Ella beim besten Willen nicht wüsste, selbst wenn ihr Leben davon abhing, strahlten in allen Farben um die Wette. Dichter, dunkelgrüner Efeu kletterte die Fassade hoch und brachte die hellen Mauern selbst im trüben Morgen zum Strahlen. Auf dem Dach waren dutzende Schornsteine und Türmchen zu sehen. Ella konnte nur ahnen, wie viele Fenster dieses Haus hatte. Eine große schwarze, doppelflüglige Tür prangte vor ihnen.

 Aufgerissen wie das Maul eines Raubtieres tat sie sich vor Ella auf, die mit einem mulmigen Gefühl aus dem Auto stolperte. Liam war sofort neben ihr und sah die Wärme in seinen hellen Augen, als er das Haus ansah. Doch Ella hatte das Gefühl, als würde das große Gebäude sich vor ihr Aufbauen wie ein Raubtier vor dem Sprung. Nur darauf wartend, dass Ella eine falsche Bewegung machte. 

Erst jetzt vielen ihr die unzähligen Gargoyle auf, die auf der Steinfassade hockten. Hunderte steinerne Fratzen blickten ihr entgegen. Einige waren gehörnt, hatten Krallen, spitze Fangzähne oder große Flügel, die sie umgaben wie Schilde. Doch am beeindruckendsten waren die gut zwei Meter hohen Statuen, die die Treppe zum Eingang säumten. Die verzerrten Gesichter zweier Löwen blickten von beiden Seiten skeptisch auf Ella herab. 

Die steinernen kalten Augen zusammengekniffen, die Lefzen leicht erhoben, zeigten Fangzähne lang wie Dolche. Große Hörner in sich eingerollt, schauten zwischen den majestätischen Mähnen der Gargoyle hervor. Federende Flügel ruhten wie eine Panzerung auf dem muskulösen Rücken der Staturen. Den schuppigen Echsenschwanz fein säuberlich um die gigantischen Tatzen gelegt. Ella nickte den Statuen zu, begrüßte sie freundlich. Schadet nicht. Etwas sagte ihr, dass es besser war respektvoll zu ihnen zu sein. Liam stand neben der dunklen hölzernen Tür. Er spiegelte sich verzerrt in dem blank polierten Holz. „Bereit, Ella?" Ella atmete durch und blickte Liam an. Freundlich lächelte er sie an. Sie konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. „Bereit, wenn du es bist, Hannibal." Liam schüttelte schmunzelnd den Kopf und Ella folgte ihm mit flauem Gefühl im Magen in das Haus. 

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Es wird spannend, ihr Lieben. Was meint ihr? Ist das Ellas Daniel?

Majesty - Ruf des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt