„Du willst ihn anfassen?" Die Verwirrung war Mia deutlich anzuhören. Mia trat neben den Tisch und sah Ella an, als hätte sie nicht mehr alle. Ella seufzte schwer, riss sich zusammen, Mia nicht anzufauchen. „Ja, ich werde ihn anfassen müssen." Ella rutschte auf ihrem Sessel auf die Kante und sah Daniel eindringlich an. „Manchmal, wenn ich Dinge berühre", Ella wusste nicht, wie sie es erklären sollte und suchte angestrengt nach den richtigen Worten. Angespannt starrte sie auf einen Punkt auf Daniels Schreibtisch. „Du kannst die Erinnerungen von Menschen und Dingen sehen, wenn du sie berührst. Richtig?" Ella war erstaunt und konnte nur nicken. „Du hast die Fähigkeit, Erinnerungen zu lesen. Sowie ich die Fähigkeit habe, Gefühle zu kontrollieren." Ella hing an seinen Lippen. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Plötzlich war sie hellwach. Ihre Kopfschmerzen waren verschwunden. „Du kannst meine Gedanken lesen?" Ellas Fingernägel bohrten sich vor lauter Anspannung in ihre Handflächen. Sie war so auf das konzentriert, was Daniel sagte, dass sie gar nicht mitbekam, dass sie einfach angefangen hatte ihn zu duzen. „Und woher weißt du das alles?"
Daniel schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, Ella." Mit einer ausladenden Geste deutete er auf den ganzen Raum. „Ich kann die Gefühle spüren, die hier im Raum sind." Mit einem Kopfnicken deute er auf Liam. „Obwohl man auch ohne meine Gabe spüren könnte, dass Liam sich unwohl fühlt."
Ella runzelte die Stirn und wand sich den anderen zu. „Habt ihr auch solche Fähigkeiten?"
Bei dem Wort Fähigkeiten fühlte sich Ellas Zunge an, als wäre sie taub. „Allerdings, unser Institut beherbergt Menschen mit speziellen Fähigkeiten. Wir bilden aus und bieten ein Heim." Ella konnte es sich nicht verkneifen, zu lachen. „Also sind sie Professor X?" Daniel strich sich über die vollen Haare und richtete sich auf, als er weiter sprach. „Nur, wenn es um die Position geht." Ella schmunzelte. „Unser Liam ist eine spezielle Art Agilist."
Verwirrt blickte Ella den grimmig schauenden Liam an. Seine froschgrünen Augen blickten düster auf den Holzboden. „Es bedeute, dass er alle Sprachen sprechen kann." Ella schaute ungläubig auf Liam, der scheinbar selbst einer der Bäume wurde, auf die er hier aufpasste. Groß, breitschultrig und unbeweglich stand er da und ließ sich keine seiner Emotionen ansehen. Mit hochgezogener Augenbraue wand sie sich wieder Daniel zu. „Es gibt vierjährige, die sprechen schon drei Sprachen. Auch wenn ihr sicher tot schick ausseht in den schwarzen ganz Körper Anzügen."
Mia prustete los und versuchte auf Daniels mahnenden Blick ihr Lachen unter einem Hustenanfall zu verstecken. „Bei Liam ist es noch ein bisschen anders." Er blickte Liam an, um nach Worten zu suchen. „Er kann buchstäblich alle Sprachen verstehen." Daniels braune Augen legten sich wieder auf Ella. „Jedes Wesen, jeder Gegenstand in diesem Universum hat eine spezielle Sprache, Ella." Konzentriert versuchte Ella das zu verstehen, was Daniel da gerade gesagt hatte. „Das heißt, Doktor Dolittle kann mit Gegenständen sprechen?" Sie versuchte möglichst ernst zu bleiben, während sie auf eine Antwort wartete. Daniel seufzte und ging mit großen Schritten um den Schreibtisch auf seinen Platz zurück. „Ich weiß, dass das sicher viel ist, Ella. Aber wie kannst du an etwas zweifeln, dass dich selbst betrifft?" Nun war es Ella, die seufzte. „Wäre es nicht viel schlimmer, wenn ich nicht zweifeln würde?"
„Habe Mut, dich deines eignen Verstandes zu bedienen." Ella blickte auf ihre Hände. Zweifelnd, ob es richtig war, herzukommen. „Ein Kant Zitat macht die Sache nicht weniger verworren." Ein leichtes Schmunzeln huschte über Liams harte Züge. „Was hast du für eine Fähigkeit?" Ella sah Mia direkt an. Mia strich sich über die seidigen, schwarzen Haare. „Ich kann Menschen ihre schlimmsten Ängste sehen lassen. Es heißt Angstprojektion." Ella war fasziniert. „Das ist ja super." Mia lächelte Ella stolz an.
„Okay", begann Ella das eben Gesagte zusammen zufassen. „Also du", sie deutete mit ihrem schlanken Zeigefinger auf Daniel. „Kannst die Stimmung im Raum sehen." Daniel nickte. „Und Manipulieren", fügte Mia hinzu. Ella sparte sich einen Kommentar und deutete zu Liam. „Liam ist eine Art Google übersetzter nutzender Hagrid." Schnaubend sah Liam sie böse an. „Ich bin nicht nur irgendein Google Übersetzer. Durch meine Fähigkeit, mit allen Dingen kommunizieren zu können, habe ich die Möglichkeit ständig von überall die neusten Informationen zu beziehen." Bockig verschränkte Liam die Arme vor der breiten Brust. „Wäre es dann nicht schlauer, Hagrid als Sicherheitsbeauftragten einzusetzen?" Diesmal konnte Mia ihr Lachen nicht unterdrücken. „Unser lieber Liam redet lieber mit Pilzen, satt mit Menschen."
Ella rollte mit den Augen. „So eine Überraschung."
Daniel räusperte sich und lenkte die Aufmerksamkeit der drei wieder auf sich. „Also Ella, du hast sicher schon gemerkt, dass du dich während du hier bist, immer wieder wohler gefühlt hast." Mit einem freundlichen Lächeln deute er auf Mia. „Ihre Fähigkeiten lassen wir in diesem Fall mal lieber außen vor." Ella nickte zustimmend. Sie hatte viele Ängste und konnte auf die Auseinandersetzung gerne verzichten. „Ich fürchte, du wirst mir vertrauen müssen, um herauszufinden, ob ich die Person bin, die du suchst." Daniel nahm neben Ella auf dem Sessel platz. „Deine Kraft kann sehr belastend sein, Ella. Du hast sicher ständig vermieden, jemanden zu berühren, den du nicht gut kennst." Ella starrte wieder auf ihre Hände. Seit sie das Mädchen in der Tankstelle berührt hatte und so ihre Kraft entdeckt hatte, war Ana die einzige, die sie noch berührte.
„Wir können es gerne versuchen, ich habe nichts zu verheimlichen. Aber ich muss dich vorwarnen." Daniel wurde auf einmal ernst. Sein sonst sanft scheinendes Gesicht schien verhärtet. Die warmen braunen Augen blickten kalt in eine entfernte Vergangenheit. Ella seufzte. „Na prima, ich fürchte, ich habe keine Wahl."
Wärme kehrte wieder auf Daniels Gesicht zurück, als er Ella verständnisvoll zunickte. „Es hilft, wenn du dich auf die Person oder Dinge konzentrierst, die du versucht in meinen Erinnerungen zu finden." Anspannungen zeichnete Ellas weiche Züge. Nervös knibbelte sie an ihrem Daumennagel. „Scheiß darauf."
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Ob Ella findet, was sie sucht?
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Majesty - Ruf des Schicksals
FantasíaIn einer Welt, in der Wahrheit und Täuschung untrennbar miteinander verwoben sind, sucht Ella verzweifelt nach Antworten. Seit sie denken kann, fühlt sie sich fremd in ihrer eigenen Haut, ohne zu wissen, warum. Als ihre engste Vertraute Anastasia sp...