Kapitel 23 - Takahiro

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Als sie die Höhle verließen, war die Sonne schon seit Stunden aufgegangen. Selbst Takahiro war erschöpft, nach einer schlaflosen Nacht und der ganzen Energie, die er gemeinsam mit Nael verbraucht hatte. Der ging hinter ihm, eine Hand an Takahiros Hosenbund, da sich seine Augen nicht so schnell an das Licht gewöhnen konnten.

Takahiro spürte, dass der Prinz zwar völlig ausgelaugt, jedoch auch sehr glücklich war. Außerdem spürte er noch etwas anderes in ihm. Magie. Ob bei dem Ritual etwas von seiner eigenen Magie in Naels Körper hängen geblieben war? Er hatte nicht gewusst, dass so etwas möglich sein könnte. Oder vielleicht war es die Magie, die sein Leben verlängern würde. Oder sie kam von seinem Weltenwandern.

Takahiro wusste es nicht, doch es war auch nicht wichtig. Für ihn zählte nur, dass Nael genau der Mann blieb, den er liebte. Niemand, erst recht nicht der ursprüngliche Prinz, sollte sich zwischen sie stellen.

Doch fürs Erste brauchten sie dringend Schlaf. In Windeseile bereitete Takahiro das Zelt vor, ehe sie sich hineinkuscheln konnten und auf der Stelle einschliefen.

Takahiro erwachte, als die Sonne unterging. Der Platz neben ihm war verwaist und kalt, während eine Einsamkeit sein Herz erfüllte, die nicht die Seine war. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, wusste Takahiro, dass Nael draußen am Rand der Plattform stand und den Mondsee betrachtete. Genugtuung erfüllte ihn, als ihm klar wurde, dass er nicht nur immer wissen würde, was Nael fühlte, sondern auch, wo er sich gerade aufhielt.

Leise trat er hinter den Rothaarigen. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und er war völlig in seinen Gedanken versunken. Takahiro dachte an das, was er für Nael empfand und füllte sein Herz mit der Liebe, um die Einsamkeit seines Partners zu vertreiben. Gleichzeitig legte er ihm die Arme um die Brust und zog ihn fest an sich.

Tränen glitzerten im Schein der untergehenden Sonne wie Feuer auf der blassen Haut. Nael war nicht schnell genug gewesen, sie wegzuwischen. »Was ist los, du schönste aller Blumen?« Ein Lächeln schlich sich auf das wunderschöne Gesicht und er sah zu Takahiro auf. »Prinz Nael hatte mir gesagt, dass mein letztes Leben tatsächlich beendet ist und ich nicht mehr zurück kann. Ich werde vermutlich weder meine Mutter, noch meine Geschwister wiedersehen.«

Der Drache spürte, dass dort noch jemand war, ein Mann, um dessen Herz Nael ebenso trauerte. »Wer ist der Mann, den du vermisst?« Überrascht sah Nael auf, dann schien er sich daran zu erinnern, dass Takahiro seine Gefühle lesen konnte. »Er war in der Welt meine erste Liebe und eine Weile hatte ich geglaubt, wir würden unsere Leben miteinander teilen.«

Ein trauriger Blick aus den honiggelben Augen ließ Takahiros Herz schmelzen und selbst sein innerer Drache hielt sich zurück. Nael hatte also vorher schon einmal geliebt. Seine wunderschöne Stimme zitterte leicht, als er fortfuhr: »Ich habe ihm mein Herz geschenkt, doch er hat mich verraten. Er hat sich von mir abgewandt, als ich ihn am dringendsten gebraucht hätte. Und das nicht nur für irgendeine Frau, sondern für meine eigene Schwester.«

Die Wut, die von dem zarten Prinzen ausging, überwältigte Takahiro. Sie war wie Feuer und brannte heller als die seines inneren Drachen. Dieser Mann hatte seinen Liebsten verletzt. Niemals würde er ihm verzeihen. Wäre er nicht in einer anderen Welt, würde er ihn aufsuchen und verbrennen.

»Aber weißt du was?«, Nael drehte sich zu ihm um und streichelte seine Wange. »Damals wusste ich nicht wirklich, was Liebe ist. Ich hatte ihn gern und fühlte mich wohl bei ihm. Doch es ist kein Vergleich zu den Gefühlen, die ich für dich hege!« Die Gefühle, die von Nael kamen, waren so pur und rein wie der Morgentau.

Seine Liebe, sein Vertrauen, das Gefühl der Sicherheit, das ihn erfüllte, wenn er bei Takahiro war, all das konnte der Drache nun spüren. Er nahm den Prinzen erneut in den Arm und konnte nicht verhindern, dass Nael ebenso seine Freunde und Liebe lesen konnte. Er würde diesen Mann niemals gegen seinen Willen festhalten, doch er würde alles tun, damit Nael bei ihm blieb.

»Ich muss noch einmal in die Höhle.« Die Stimme des Prinzen klang fest und die Entschlossenheit war nicht zu überhören. »Ich werde noch einmal zum Knotenpunkt gehen und hoffen, dass ich erneut mit Nael sprechen kann. Ich brauche Antworten.« Takahiro nickte. Er hatte es befürchtet.

Schon während des Rituals, nachdem der erste Schmerz des Mals abgeklungen war, hatte er gespürt, dass sich in Nael etwas veränderte. Es war nur ein leichter Umschwung und er sorgte sich, was das nächste Gespräch zustande bringen würde.

Doch er spürte auch, dass er Nael nicht umstimmen konnte. Er war fest entschlossen und würde sich auch von Takahiro nicht umstimmen lassen. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und die letzten Strahlen ließen sein rotes Haar wie einen Feuerkranz leuchten. Es passte zu ihm, denn er konnte genau wie eine Kerzenflamme zahm bleiben, doch wenn man ihn erzürnte, würde man Wut wie einen Waldbrand entfesseln.

Takahiro liebte das Gefühl, genau zu spüren, wie es seinem Liebsten ging. Er wusste schon sehr viel über dessen Persönlichkeit, doch mit einer solchen Verbundenheit konnte man sich einfach auf einer viel tieferen Ebene kennenlernen. Der Drache konnte Naels innerste Gefühle lesen, die er sonst nicht nach außen trug.

»Bevor du wieder in die Höhle hinunter gehst, möchte ich dich bitten, noch etwas zu essen. Du musst schließlich bei Kräften bleiben.« Die Sonne war verschwunden und der Himmel wurde langsam dunkler. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, bis die Nacht hereinbrach und unter dem Mond war die Magie einfach stärker.

Nael nickte. »Also gut, aber nur ein paar Bissen.« Auch die Körperwäsche, die sie am Vortag so genau genommen hatten, führte der Prinz sehr schnell durch. Dann betraten sie gemeinsam die Höhle und folgten den Windungen des Ganges.

Am Eingang zur Höhle mit dem Mondstein bedeutete Nael ihm, auf ihn zu warten. Den Rest musste er allein durchmachen. Vorsichtig schöpfte er etwas von dem magisch aufgeladenen Wasser, als der Mond die Höhle erhellte. Vorsichtig trank er ein paar Schlucke, setzte sich in einen Schneidersitz und schloss die Augen.

Reincarnation (ONC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt