Kapitel 12 - Luca

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Zurück im Palast ließ Luca sich am Abend gelassen auf dem Bett seines Mannes nieder. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es doch noch so entspannt werden würde. Madame Sato war wirklich eine fantastische Heilerin und selbst unter Inoues bösen Blicken nicht zusammengezuckt.

Genau der schmuste sich gerade von hinten an seinen Rücken. Nach dem Wellness waren sie noch in einem Wirtshaus zum Essen gewesen. Die Mahlzeit war zwar spärlich, doch sehr lecker gewesen. Jetzt waren sie beide müde.

Eigentlich müssten sie sich noch waschen, doch Luca war viel zu träge und der Drache rührte sich kaum. Seufzend drehte er sich um und bettete den Kopf seines Ehemannes auf seine Brust, bevor er einen Kuss auf den seidenweichen Haarschopf hauchte.

»Weißt du, es war wirklich ein wundervoller Tag«, murmelte er, während sich seine Augen langsam schlossen. »Wenn es doch nur immer so wundervoll sein könnte «

Mit diesen Worten auf den Lippen schlief er ein.

Er stand in einem weißen Raum, sein nackter Körper eiskalt. Im nächsten Moment verwandelte sich der Raum in den Thronsaal, prunkvoll wie immer, doch ein Schatten über ihm verdeckte seine Sicht. Um sich herum sah er die goldenen Fliesen, bedeckt von einer roten Flüssigkeit. Ein stechender Schmerz in seiner Brust. Es fühlte sich wie letztes Mal an. Er starb. Er würde hier nun sterben, einsam und allein.

Mit einem leisen Schrei setzte Luca sich im Bett auf. Die Schmerzen in seiner Brust waren verschwunden, nur sein keuchender Atem presste ihm die Lungen zusammen. Abgesehen davon hörte er noch die Dusche. Das war wohl Inoue, der früher wach geworden war und sich frisch machen wollte.

Die Angst steigerte sich und Luca wusste, er hatte gerade eine Panikattacke. Sein Herzschlag beschleunigte sich weiter und ihm wurde schwindelig. Er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen und ein schmerzhafter Druck machte sich auf seiner Brust breit. Er zog die Beine an und klemmte seinen Kopf dazwischen, machte sich so klein wie möglich.

Dann hörte er auf das Rauschen des Wassers. Der stete Klang, der ihn wissen ließ, dass Inoue da war, dass er nicht allein war. Alles würde wieder gut werden. Er war nicht allein. Wie ein Mantra wiederholte er die Worte in seinem Kopf, Minute um Minute. Langsam beruhigte sich sein keuchender Atem, der Herzschlag verlangsamte sich wieder.

Tränen liefen über Lucas Wangen, als er die Beine mit beiden Armen umschlang. Es hatte sich so echt angefühlt. Wie sein Tod in seinem alten Leben. War es das wirklich wert? Wollte er das wirklich nochmal durchmachen, nur um zurück in seine Welt zu gelangen? Diese Welt und sein Königreich – Naels Königreich – lernte er immer besser kennen. Wollte er wirklich wieder gehen?

In diesem Moment schob Inoue die Tür zum Zimmer auf und blieb stehen, als er Luca auf dem Bett sitzen sah. Er schien etwas zu merken, denn seine Stimme klang besorgt, als er fragte: »Alles okay bei dir?« Luca nickte leicht benommen und schob diese Gedanken an die Seite. Dann klopfte er auf das Bett, um Inoue zu bedeuten, sich hinzusetzen.

Dieser kam verwirrt und nur mit einem Handtuch, um seine Hüfte geschlungen, zu ihm hinüber. Luca musste schwer schlucken, der Drache sah aber auch einfach unverschämt gut aus. Hitze stieg in seine Wangen und breitete sich ebenso in seiner Mitte aus, doch auch diese Gedanken versuchte er mit aller Kraft zu verdrängen. Er musste konzentriert bleiben.

»Hey, Inoue«, begann er und kaute kurz nervös auf seiner Unterlippe. »Erinnerst du dich an das, was du mir gestern im Tempelhof erzählt hast?« Die eisblauen Augen waren erfüllt von Neugier, als Inoue still nickte und offensichtlich versuchte zu verstehen, worauf Luca hinauswollte.

»Ich möchte, dass du mir mehr erzählst. Nicht nur über den Hass der Völker untereinander. Ich möchte alles wissen, was in meinem Königreich vor sich geht und versuchen, es wieder geradezubiegen.«

Inoue war sehr überrascht, das sah man ihm an. Nach einem kurzen Moment antwortete er: »Von dem Hass weißt du nun, doch kennst du das Leiden deines Volkes?« Luca erstarrte. »Welches Leiden? Der Fae?« »Nein, der Bewohner der Randbezirke, die schon seit Jahren unter dem Krieg leiden. Weißt du von den hohen Steuern und den ehrenlosen Soldaten, die den Menschen und Fae dort alles nehmen? Weißt du, dass die Kinder dort alles für ein Stückchen trockenes Brot geben würden, egal was du verlangst?«

Schockiert schüttelte Luca den Kopf. Er hatte keine Ahnung, wie schlimm die Zustände wirklich waren. In der Geschichte wurde es damals höchstens am Rand erwähnt und die Protagonisten hatten die Hauptstadt nie verlassen.

»Willst du es sehen?« Inoues Frage brachte ihn aus dem Konzept. »Ich würde es mir ansehen, aber es würde Wochen dauern, mit den Kutschen bis an den äußeren Rand des Königreiches zu fahren «

»Wir fliegen.« Überrascht hielt Luca inne.

»F-fliegen?« Er war noch nie geflogen, nicht einmal mit den Flugzeugen in seiner Welt.

»Ich bin ein Drache, Nael. Was hast du erwartet? Es geht viel schneller als eure Transportmittel, kein Pferd kann mit mir mithalten. Innerhalb weniger Tage sind wir dort.« Luca hob eine Augenbraue. Die Verhandlungen waren noch lange nicht abgeschlossen, da Ìnoue immer mehr Zeit mit ihm verbrachte.

»Solltest du nicht lieber die Verhandlungen mit dem König beenden, bevor wir abreisen?«, fragte er besorgt, doch der Drache schüttelte den Kopf. »Da dein Vater dich als Opfer verkauft hat, ist er der Meinung, dass ein einfaches Handelsabkommen und ein winziges karges Land für eine Einigung reichen würden. Doch Jahr für Jahr wird immer mehr Land von den Wassermassen des steigenden Meeres verschlungen und wir brauchen mehr Platz. Außerdem brauchen wir fruchtbares Land für neue Ackerflächen. Das Land um den Vulkan wäre perfekt, dann hätten wir auch eine weitere Brutstätte. Doch dieses Land will er nicht abgeben, obwohl er sich selbst nicht drum kümmert und dort keiner lebt, abgesehen von Gesetzlosen und ein paar Fae.«

Frustriert stieß Inoue die Luft aus. Doch Luca verstand nicht ganz. »Warum steigt das Meer an?« Interessiert beugte er sich vor. Die Technologie in diesem Land schien bisher keine Nachteile zu haben, doch er hatte sich darüber auch keine weiteren Gedanken gemacht. Gab es überhaupt überall diese moderne Technologie? Bisher hatte er so etwas nur innerhalb des Palastes gesehen, nicht einmal in einer so großen und bei dem Adel beliebten Einrichtung wie dem Entspannungstempel.

Wieder seufzte der Drache. »Es ist eine Mischung aus mehreren Gründen. Es gibt ganz natürliche, wie die Verschiebung der Bodenplatten des Ozeans, aber auch durch Menschen verursachte. Da ist der Hauptfaktor das Abbauen von Luminium.« »Luminium?« Luca überlegte kurz. »Ist das nicht das Metall, das der König auch aus anderen Ländern beschaffen lässt?«

Inoue nickte traurig. »Es wird aus Bergen abgebaut, die in Wassernähe liegen. Die unnützen abgebauten Steine werden einfach im Meer entsorgt. Weißt du, wie beträchtlich die Berge schon abgebaut wurden, nur für dieses Metall?« Kopfschütteln lehnte Luca sich an die starke Schulter an, wobei ihm auffiel, dass Inoue sich ja noch immer nichts angezogen hatte.

»Aber wenn dieses Metall so schädlich ist, warum wird es überhaupt abgebaut?« Als er den Blick hoch auf Inoues Gesicht lenkte, fiel ihm auf, dass die hellblauen Augen wieder dunkler geworden waren, die unterdrückte Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ihre Blicke trafen sich und sofort verschwand die Aggression. Fast schon sanft klang Inoues Stimme, als er Luca in die Arme schloss und ihm zuflüsterte: »Das ist ein Thema für ein anderes Mal. Lass uns in zwei Tagen aufbrechen. Wenn ich dir die Randgebiete deines Königreiches gezeigt habe, erkläre ich dir den Rest.«

Eine federleichte Berührung auf seinem Kopf folgte und ließ die Schmetterlinge in Lucas Bauch tanzen. Die Gedanken an das ernste Gespräch waren wie weggeblasen. Wie hatte er sich nur in so kurzer Zeit so sehr in diesen Mann verlieben können? Inoue erhob sich, wohl um sich anzuziehen, doch Luca hatte andere Pläne. Der Anblick des nackten Oberkörpers seines Ehemannes ließ eine Hitze in ihm aufsteigen, von der er genau wusste, wie er sie stillen konnte. Doch dafür wäre mehr Kleidung nur im Weg.

Er zupfte an dem Handtuch um Inoues Hüfte, wodurch es sich löste und zu Boden glitt. Noch während der Drache sich umdrehte, hatte er schon die oberen Knöpfe seines Schlafanzuges geöffnet. Mehr Hinweise brauchte es nicht. Mit zwei Schritten war Inoue über ihm und riss das Oberteil auseinander, wodurch die Knöpfe durch das Zimmer flogen.

»Du spielst mit dem Feuer, mein lieber Prinz. Ich muss mich zurückhalten, denn sonst wirst du mich zwar heute, aber nicht in zwei Tagen reiten können!« Lucas Wangen färbten sich knallrot. Gleichzeitig lief ein wohliger Schauer über seinen ganzen Körper. Seine Stimme klang rau, als er antwortete: »Vielleicht spiele ich ja gern mit Feuer.«

Reincarnation (ONC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt