10 | Tod eines Rehs

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WAS DIE SCHATTEN VERSCHLINGENX

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WAS DIE SCHATTEN VERSCHLINGEN
X. Tod eines Rehs

Die fünfte Nacht

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VERWAIST, WIRKTE DER SPEISESAAL EHER WIE EIN FRIEDHOF. Der lange Tisch erschien wie eine Schlachtbank, um den knurrenden Magen des Wolfes zu füllen. Silvan war der letzte, der daran saß, und mit nachdenklicher Miene an seinem Wein nippte, als Gesa eintrat.

„Darf ich Euch sprechen?", fragte die Hohepriesterin.

Der Blick des Fürsten huschte zu ihr, bevor er wieder auf seinem Becher ruhen blieb. „Gewiss. Sprecht frei. Wir sind allein."

Unbehaglich rang Gesa die Hände. „Ihr wisst, dass Ihr mir nie einen Grund gegeben habt, an Euren Entscheidungen zu zweifeln. Ich werde auch jetzt nicht damit beginnen. Trotzdem verstehe ich es nicht."

„Ihr meint Euer verfluchtes Mädchen?", fragte Silvan von Winterthal, die Lippen zu einem Grinsen verzogen, das nichts anderes ausdrückte als die Zurückweisung jeglicher Bedenken.

„Ja." Ihrer Meinung nach gab es nicht mehr zu sagen. Der Einwand war deutlich genug.

Silvan legte den Kopf schief und hob die Augenbrauen, sah sie an und ähnelte dabei mehr dem Kind, das Gesa früher gekannt hatte, als dem Soldaten, der er geworden war. „Ist das nicht Grund genug, sie zu retten? Dafür ist doch der tote Fürst gekommen?"

In seinen dunklen, unschuldigen Augen lag ein schelmisches Glitzern, das sie nicht mehr gesehen hatte, seit er ein dreizehnjähriger Junge gewesen war, der immer noch jugendliche Streiche spielte. Jetzt aber, bei diesem erwachsenen Mann, wirkte es beunruhigend und falsch. Wie ein Dämon, der im Licht eines Heiligenscheins badete.

„Wenn Ihr Euch Sorgen um sie macht, hättet Ihr sie mit einem Eurer Männer verheiraten können." Du hast in erster Linie Verantwortung.

„Ich verstehe ..." Langsam schwenkte er seinen Kelch. Eine Art von Gefahr, die Mutter Gesa nicht ganz fassen konnte, schwelte in der wachsduftenden Luft. „In welchen Zeiten leben wir, wenn Ordenssöhne verfluchte Frauen heiraten und selbst Töchter Perchtas sich in Dämonen verwandeln?"

Noch nicht recht verstehend, hörte Gesa aufmerksam zu und ignorierte die dunkle Vorahnung, die in jedem Wort mitschwang.

Der silberne Kelch traf mit einem gewaltsamen Klirren auf der Tischplatte auf. „Diese Wolfsnächte sind anders. Wenn es jemals einen Zeitpunkt gab, einen Fluch in einen Segen für uns zu verwandeln, dann ist es jetzt. Ich fürchte, nicht alle meine Männer werden überleben – und ich fürchte auch um Eure Töchter. Wir haben bereits eine verloren."

Verloren. Irgendetwas an der Art, wie der Fürst diese letzten Worte betonte, alarmierte Gesa. „Verloren?", wiederholte sie platt.

In seinen Augen konnte sie bloß eine schwache Imitation der Reue lesen, die Gesa das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie gab mehr Antworten, als Silvan beabsichtigte, verriet etwas sehr Dunkles, das seine Seele von innen heraus verdarb.

Was die Schatten verschlingenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt