12 | Wo Blumen aus Blut erblühen

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WAS DIE SCHATTEN VERSCHLINGEN
XII. Wo Blumen aus Blut erblühen 


Die elfte Nacht


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NOCH NIE HATTE SASKIA EINEN ZUGLEICH SO GRAUSAMEN UND SCHÖNEN TOD GESEHEN.

Der Hirsch sank auf seine weißen Knie und senkte seinen Kopf auf den Boden, als sei er es müde, ständig die goldene Geweihkrone zu tragen. Aus seinem Herzen und seinem Maul entsprang ein roter Fluss, der den Schnee rötete – und tatsächlich, er brachte kleine, ebenso karmesinrote Blumen hervor, die den gefrorenen Boden durchbrachen.

„Bei der Lichtmutter, was –" Silvan stand dort im Mondlicht, die Waffen gezückt und die Augen geweitet angesichts dieser unfassbaren Szenerie.

Anyan war der erste, der die Taubheit aus sich herausschüttelte und sich dem sterbenden Hirsch näherte, um ein weiteres Verbrechen zu begehen, indem er eine der Blumen pflückte und die blutroten Blütenblätter zwischen seine Lippen schob, in der Hoffnung, sie könnten seinen Fluch heilen.

Saskia spürte, wie ihr Herz bebte. Das heiße Gewehr glitt ihr aus den Fingern.

Ihr eigenes Schicksal holte sie genau in diesem Moment ein; eine unsichtbare Faust schloss sich um Saskias Brust und löschte langsam und schmerzhaft das Leben in ihrem Körper aus. Als sie nach Luft schnappte, war alles, was ihre Lungen füllte, Feuer, das ihre Kehle versengte und wie heiße Glut in ihren Brustkorb lag.

Es war nichts Unerwartetes, sie hätte bloß nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.
Letztendlich war es zu plötzlich, als dass sie ihr Ziel auch nur annähernd hätte erreichen können. Hatte die Prophezeiung nicht gesagt, dass sie die Blume pflücken würde? Nun, vielleicht irrten sich auch Eulen, die an einer Mittwinter Mitternacht die Zukunft voraussagten, oder man konnte ihnen einfach nicht trauen.

Der gefrorene Schnee zerkratzte ihre Hände, als sie verzweifelt nach etwas suchten, das sie auf dieser Erde festhalten würde. Doch es war vergeblich. Während der endlose Himmel zusah, fraß die Hölle sie bei lebendigem Leibe.

Sie verbrannte jeden Wunsch zu kämpfen, zu atmen oder gar zu leben. Ich werde also wahrhaftig verflucht sterben, in Höllenqualen.

Irgendwo, an Stellen, die sich nicht einmal mehr wie ihr Körper anfühlten, spürte sie Hände, die sie umklammerten ... und zurückhielten. Von dieser Berührung ging eine Kälte aus, die ihr brodelndes Fleisch und ihre Seele beruhigte, wo sich die unsichtbaren Flammen verfangen hatten. Dann streifte etwas über ihre Lippen und hauchte ihr Winter in die Lunge.

Was die Schatten verschlingenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt