WAS DIE SCHATTEN VERSCHLINGEN
III. Der Herr der WölfeDie zweite Nacht
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IM WINTER SCHIEN SCHWARZHAIN AUS EIS UND SCHNEE GESCHNITZ – eine magische Stadt, wie geschaffen für Perchta, die Herrin des Frosts persönlich. Schön, aber feindselig gegenüber Menschen.Als Saskia und Katinka den Marktplatz betraten, taten sie dies schweigend und in vollständigem Habit: weiße Roben und Schleier, die sorgfältig über ihre Gesichter fielen, um ihre Züge zu unantastbarer, göttlicher Schönheit zu vernebeln.
Sie sahen aus wie schüchterne junge Bräute oder wie schneegeschmückte Bäume in ihrem winterlichen Trauerkleid.
Die Menschen gingen ihnen aus dem Weg und murmelten mit respektvoll gesenktem Haupt einige Segenssprüche, als fürchteten sie, dass auch nur ein Blick zu viel ihr letzter sein könnte. Perchta bestrafte diejenigen, die versuchten, sie zu sehen, mit Blindheit oder gar dem Tod. Wer wusste, ob sie das nicht auch für ihre geliebten Töchter tun würde?
Außerdem gab es zwei Arten von Menschen, denen in Schwarzhain mehr als allen anderen Respekt entgegengebracht wurde: Die Priesterinnen der Lichtmutter, die die Göttin mit Gebeten besänftigten, und die Männer des Wolfsordens, die mit ihren Schwertern Banditen und Dämonen gleichermaßen erschlugen.
Und diejenigen, die sie beschworen, indem sie die Regeln brachen ...
Diesen Gedanken schob Saskia gewaltsam beiseite.
Die Fürstentochter konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal das Kloster hatte verlassen dürfen, um den Markt zu besuchen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Privilegien wie dieses wurden normalerweise den frommeren Mädchen gewährt.
In ihrer Angst hatte Katinka jedoch in der letzten Nacht ihren gesamten heiligen Salbei und Wacholder verbrannt und ihre Zelle in einen dichten Duft gehüllt, an dem Saskia fast erstickt wäre. Keine der Schwestern war bereit gewesen, ihre eigenen Kräuter zu teilen, und Mutter Gesa hatte nur so viel getan als ihnen zu erlauben, in die Stadt zu gehen, um neue zu kaufen.
Es gab ja auch sonst nichts zu tun.
„Etwas Böses im Kloster? So ein Unsinn. Du würdest besser daran tun, etwas von deiner Angst mit Saskia zu teilen, Tochter. Sie braucht mehr davon", hatte die Priesterin bloß gesagt und sie entlassen.
Jetzt klammerte sich Katinka an Saskia wie ein Kind an seine Mutter, die Finger fest um die ihren gekrallt, als fürchte sie, sie unter den wenigen anderen Menschen zu verlieren. Unter ihrem Schleier war das Gesicht des Mädchens fast so weiß wie der Stoff selbst.
„Mutter Gesa hat recht, weißt du? Du solltest dich nicht so sehr fürchten, srnica", meinte Saskia. Die Worte verließen ihren Mund schärfer als beabsichtigt – nur der Kosename milderte sie ein wenig –, obwohl sie tief in ihrem Herzen mit ihr fühlte.
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Was die Schatten verschlingen
Fantasi» Wenn die Glocken klingen, kommt der Untergang « ❅ ❅ ❅ Saskia Vrana kennt die heiligen Regeln, denen man folgen muss, wenn man die Kreaturen, die in den Raunächte...