5 | Was wir in unseren Schatten verstecken

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WAS DIE SCHATTEN VERSCHLINGEN
V. Was wir in unseren Schatten verstecken


Die dritte Nacht

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DER SCHWARZE HUND WAR VERSCHWUNDEN. Nicht einmal Spuren von ihm im Schnee verrieten den Ort, an dem er eben noch gesessen hatte, als wäre er nie da gewesen.

Saskia starrte auf die Stelle, kopfschüttelnd und in der Hoffnung, dass diese schreckliche Nacht endlich ihr Geheimnis enthüllen würde. Aber sie erinnerte sie einmal mehr daran, dass ihre Macht mehr über sie verfügte als sie über ihre Kräfte – ein Fluch, der sie verfolgte, aber daran hinderte, ihn zu nutzen.

Die Welt der Geister zeigte sich ihr; doch wann immer Saskia sie sehen wollte, blieb sie schadenfroh im Verborgenen.

Da war nichts als der sanfte Windhauch auf ihren Wangen und das seltsame Flüstern. „Mach dir keine Sorgen um einen toten Mann, desetnica. Seine Seele ist bereits sicher in der Unterwelt – und du bist frei. Was könntest du dir noch wünschen?"

Doch sie wagte nicht zu antworten. Wer – was bist du?

Es war der eiserne Griff der Priesterin um ihren Arm, der Saskia aus ihrer Lethargie rüttelte.

„Geh rein. Sag den anderen, sie sollen ihre Türen verschließen, ihre Kräuter verbrennen und ihre Gebete sprechen", knurrte Mutter Gesa. „Und läute die Glocken."

„Aber was ist mit Euch?" Hat sie die Stimme nicht gehört?

„Geh jetzt!"

Und Saskia tat es und brachte das Chaos mit ins Kloster.

Als sie Katinka erreichte, die bereits in ihrer Zelle betete, begannen die Klosterglocken zu läuten. Es war nicht der sanfte Klang, den man nachts hörte, der fast schon betörend liebliche Klang der behuften Bestien der zwölf Nächte – der Perchten –, sondern donnerte laut genug durch die Nacht, um die Ordensfestung zu erreichen.

Seit Saskia hier lebte, hatten sie davon nie Gebrauch machen müssen.

„Was –"
Katinka hielt inne und presste die Fäuste so heftig auf den Mund, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie starrte. Die Augen geweitet, feucht und dunkel wie Tinte; sie waren fest auf Saskias Füße gerichtet, wo, als sie langsam den Blick senkte, ein Hund mit kohlschwarzem Fell erschien, genau wie der draußen.

Doch die Hälfte seines Gesichts war von jeglichem Fleisch entblößt, als hätte es sich von seiner Lefze bis zu seinem Kopf zurückgezogen. Aus dem Maul strömte heißer, rauchiger Atem, der den Raum mit dem Geruch von etwas Verbranntem, ... etwas Verfaultem erfüllte. Seine Augen waren glühende Kohlen.

Dieses Ding war tot.

Und sein Mund sprach mit einer Stimme, die direkt aus den dunkelsten Tiefen der Unterwelt kam, wo nur höllische Kreaturen wohnten und keine Seele sich jemals hin verirren würde: „Deine Gebete wurden erhört. Jetzt bist du diejenige, die geben muss."

Während Saskia wie erstarrt dastand, stieß Katinka einen spitzen Schrei aus, als hätte der Höllenhund seine knochigen Zähne bereits in ihr weiches Fleisch gebohrt. Doch er überschritt nicht einmal die durch weiße Runen geschützte Schwelle.

Stattdessen senkte die Kreatur ihr Haupt wie in einer spöttischen Verbeugung und verließ den Ort mit Krallen, die über die Steine schabten und Funken sprühen ließen.

Was die Schatten verschlingenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt