Kapitel 12

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Man, warum hat niemand Toby gesagt, dass Arbeiten so kompliziert sein wird? Sein Kopf glüht förmlich vor Überlastung, als Maddie ihm zig Erklärungen und Beschreibungen und Regeln und Tischnummern vorbetet. Wie soll er sich das alles je merken? Am liebsten hätte er einen kleinen Block zu Hilfe genommen und sich alles wichtige notiert, um wenigsten ein bisschen im Gedächtnis behalten zu können.
Scheiße, was, wenn er gefeuert wird, bevor er überhaupt angefangen hat, weil er sich nicht alles sofort merken kann?
Was, wenn er aus Versehen eine Kaffeebohne fallen lässt, jemand darauf ausrutscht und sich das Steißbein bricht? Ah! So viel, was passieren kann!
Völlig durch mit seiner Aufmerksamkeit, kommt Toby weitaus weniger energisch hinter Maddie von unten aus dem Lager und lehnt sich gegen die Theke. Elias ist ebenfalls mit vorn und grinst Toby belustigt an, als er zu Maddie sieht, die weitere Dinge auf ihrer Liste abhakt.
»Keine Sorge, du wirst mindestens achtzig Prozent von dem vergessen, was sie dir heute alles erzählt hat. Ist aber normal« Muntert er ihn lächelnd auf und gießt Toby einen Kaffee ein, der diesen peinlich berührt mit einem leisen Danke gemurmelt entgegennimmt.
Maddie hat einen strengen Blick, wenn sie konzentriert ist. Das ist Toby schon schnell aufgefallen. Umso erleichternder ist das warme Lächeln, als sie wieder zu ihm sieht und sich auf die Theke setzt.
»Das war erstmal alles Nötige. Grade ist nicht viel los. Heute morgen war die Hölle dagegen. Montag halt« Schmunzelt sie Schulterzuckend und stibitzt sich einen der Muffins, die bereit stehen. »Deswegen kommst du zum Mittags Geschäft. Da ist zwar auch ordentlich Ansturm, aber weniger Leute werden im Café an sich sitzen, sondern bei ToGo bleiben. Ist halt einfach...« - »Montag eben« Beendet Elias leise lachend ihren Satz, was Maddie nur die Augen verdrehen lässt.
»Ganz genau. Deine Aufgabe wird es sein heute einfach abzuräumen. Klar, die Leute werden auch bei dir bestellen wollen. Wenn es etwas Einfaches ist, wie ein Wasser, oder die Rechnung, dann nimm das gern auf. Für anderweitiges, sagst du bitte, dass du hier gerade anfängst und ein Kollege dann aber kommen wird. Ich möchte dich ein bisschen der Situation aussetzen. Du musst auch keine Massen an Geschirr tragen. Fang langsam an. Du hast keine Erfahrung, heißt, ich kann dich schön nach meiner Vorstellung formen« Erklärt Maddie ihm gut gelaunt, sodass Toby nicht ganz weiß, ob er beruhigt oder eher nicht sein sollte.
Elias klopft ihm aber nur auf die Schulter. »Du machst das schon. Werden heute höchsten so sechs Tische besetzt sein. Also nicht allzu großer Aufwand. Die meisten bestellen nur einen Kaffee und sind dann am Laptop. Wir gehen die Sache ganz langsam an, ja?«
Toby muss lächeln und auch sein aufgeregtes Herzklopfen beruhigt sich allmählich etwas. Die Leute hier scheinen sehr nett zu sein. Und ein gutes Arbeitsklima ist doch einiges wert.
»Ach und Toby, bevor ich es vergesse zu sagen« Beginnt Maddie und springt von der Theke. »Es kann durchaus sein, dass wir mal im Stress sind. Ich gerate hier und da mal mit diesen Hohlköpfen aneinander. Oder du wirst Fehler machen. Und ich werde dich anmotzen. Das ist überall so. Leider nehmen Subs das häufig zu stark auf und ich darf dann einen heulenden Kollegen beruhigen. Deswegen, solang du mir keinen Gast abfackelst, kann ich dich nie schlimm genug für Sachen anschreien, ja? Also, wenn mal Stress herrscht, Augen zu und durch. Beruhigt sich meistens recht schnell wieder«
Toby blickt sie kurz überrascht an, nickt jedoch dann beruhigt. William hat ihm ähnliches gesagt. Das ist Arbeit. Da wird man auch mal zurecht gestutzt, soll aber nicht wegen einer Kleinigkeit den Kopf in den Sand stecken. Und Toby ist froh, dass Maddie das auch sofort anspricht.
Nach der ganzen Rede schaut auch Darius schließlich aus der Küche mal nach vorn und lehnt sich entspannt an den Kühlschrank. »Na da bin ich mal gespannt. Keine Sorge, Toby. Ich würde uns als ganz netten Umgang beschreiben«
Der Sub muss leise kichern. Die drei wirken alle wirklich freundlich. Und das wichtigste, sie nehmen sich Zeit, Toby alles zu erklären. Auch als er das dritte mal vergeblich auf das Display der Kaffeemaschine blickt. Elias schmunzelt nur und erklärt es ihm mit Geduld. Wie Maddie meinte: »Frag gern zweimal nach. Besser dreimal. Gern auch vier oder Fünfmal. Deswegen Arbeiten wir dich ein. Damit du es lernst. Bringt doch nichts, wenn du dich nicht traust zu fragen, wir denken, du verstehst alles und dann fliegt uns irgendwas um die Ohren«
Toby mag das kleine Team jetzt schon. Er gibt sich größte Mühe und ist auch ganz schön nervös, als er zum ersten Mal eine Bestellung mit zugerufen bekommt, als er etwas abräumt. Und tatsächlich, wie einstudiert, sagt er höflich, dass er hier erst anfängt, aber gleich ein Kollege die Bestellung aufnehmen wird.
Er könnte nicht stolzer auf sich sein, als er das dreckige Geschirr in die Küche trägt und kurz die Hände wäscht. Darius zeigt ihm einen Daumen nach oben, während er die Musik etwas lauter dreht und gut gelaunt pfeifend die nächste Eisbestellung zubereitet.
Toby richtet die Schürze um seine Taille und stolpert voller Elan wieder nach vorn. Alles in Allem würde er das ganze auf jeden Fall als einen erfolgreichen ersten Tag betiteln. Und könnte nicht glücklicher grinsen, als Maddie ihm das erste Bargeld in die Hand drückt.
»Bevor wir dich einstellen, sollst du hier ja trotzdem nicht umsonst arbeiten. Wir machen das wie heute noch zwei bis drei weitere Male so und dann entscheiden wir, ob wir dich offiziell anmelden. Von meiner Seite sieht es ganz gut aus. Und du? Kannst du es dir vorstellen?«
Fast hätte Toby wie ein kleines Kind Ja Ja Ja gerufen. Aber er zügelt sich und beteuert, dass er es wirklich sehr gut fand. Maddie tut dies mit einem Schmunzeln ab und nickt zufrieden. »Du schläft da bitte trotzdem ein paar Nächte drüber. Ja? Wir sehen uns das nächste Mal dann am Freitag. Passt das für dich?« - »Jap, Freitag klappt auf jeden Fall« Lächelt Toby grinsend wie ein Honigkuchenpferd, worauf seine Chefin nickt. »Gut, dann gleiche Zeit am Freitag. Geh dich umziehen. Und du kannst dann auch bitte den Angestellten Aus und Eingang nehmen. Wir sehen uns am Freitag«
Glücklich verabschiedet Toby sich von allen, zieht sich eilig um und spaziert fröhlich gestimmt mit dem Geld in der Hand aus dem kleinen Café hinaus. Er fühlt sich unglaublich stolz auf sich und freut sich drauf, William davon zu berichten. Er hat so viel zu erzählen. Das war echt klasse.
Für einen Moment ist seine Welt einfach in Ordnung. Alles scheint toll. Einfach toll. Und dann biegt Toby um die Ecke, auf die Fußgängerzone. Und als hätte ein Blitz zwischen sie eingeschlagen, stockt er in jeglicher Bewegung, als er Jared aus dem Café kommen sieht. Blass. Müde. Tiefe Augenringe. Rote Augen. Und sein Blick gilt Toby, als hätte er einen Geist gesehen.
Nein, nein. Bitte nicht. Toby will nicht schon wieder fertig gemacht werden! Ihm ging es doch gerade so gut! So verdammt gut. Warum jetzt? Warum?
Toby presst das Geld an seine Brust, als er unsicher zu Jared sieht, der wie eingefroren direkt vor ihm steht und ihn anstarrt. Er sollte sich umdrehen. Einfach gehen. Er kann nicht wieder so eine Abfuhr ertragen und hat auch keine Lus...
»Toby...« Erklingt Jareds Stimme. Sie ist brüchig. Toby zuckt zusammen, als er ihm in die Augen sieht. Sie sind wässrig. Jared sieht so fertig aus... So niedergeschlagen, dass es Toby das Herz bricht.
»Jared...« Piepst der Sub leise, nicht wissend, was er machen soll. Denn in seiner Brust zieht es merklich und er spürt den Drang, sich einfach in seine Arme zu werfen. Aber Jared würde ihn nur wieder von sich stoßen. Abwerten. Davonjagen und...
Im nächsten Moment greift der Dom nach seiner Hand, als er einen Schritt nach vorn stolpert. Er sieht Toby völlig erschöpft an. »Es... Es tut mir so leid... Es tut mir so leid, Toby...« Haucht der Ältere, was den Sub die Augen weiten lässt. Umso schockierter ist der Sub, als Jared vor ihm kraftlos langsam auf die Knie sackt und ihn ansieht.
»Ich liebe dich... Meine Kleiner, ich liebe dich so verdammt sehr... Auch, wenn wir nicht füreinander bestimmt sind... Ich kein Mann der großen Worte bin und du es nicht einfach hattet...« Die grünen Augen sehen ihn an. Von einem Sturm eingenommen, den Toby so noch nie gesehen hatte. Noch nie von solcher Schwäche und Bitte durchzogen.
Er steht vor Jared, der noch immer seine Hand hält.
»Ich kann nicht ohne dich... Ich wollte deinem richtigen Matching nicht im Weg stehen... Dachte, das hat schon seinen Sinn aber... Ich will dich. Ich brauche dich... Du bist das Wichtigste in meinem Leben geworden und ich hätte dich nicht ohne Kampf einfach gehen lassen dürfen«
Jareds Haar ist ganz verwuschelt. Der Kragen nicht so schön gefalten, wie sonst. Die Krawatte sitzt lockerer. Toby schluckt, als er erkennt, dass Jared definitiv nicht seit heute so aufzutreten scheint.
Für einen Moment muss er an die Begegnung mit Claire im Supermarkt denken. Der Empfangsdame. Sie hatte einen Mitleidigen Blick. Aber galt der vielleicht nicht Toby? Galt der nicht ihm? Sondern Jared? Weil er allein ist? Einfach seines Matchings beraubt, einer Zukunft mit dem perfekten Partner. Galt das Mitgefühl nicht ihm, weil Toby nach vorn blicken konnte?
Tobys Herz bricht langsam, mit kleinem Knacksen, als er seinen Jared sieht. In ihm kommt die Wärme hoch, die er bei ihm empfunden hatte... Seinem Dom. Dass sie zusammen über die Leute abgelästert hatten, die nicht den geheim Trick kannten, wenn man an ihrer Lieblingseisdiele eine große große Portion wollte und nicht das normale?
Sein Dom, der für ihn da war. Als Toby am Anfang ganz überfordert von den Hormonen und den Tabletten war. Wie oft er heulend in Jared Armen lag und der einfach für ihn da war? Jared war immer für ihn da. Immer... Sogar, in dem er Toby sein Matching lassen wollte. Es ihm einfacher machen wollte. Manchmal durchschaute er Jared. Hatte schon öfters bemerkt, dass hinter dem kalten Man ein warmherziger Gutmensch steckt.
Aber diesmal hatte er das nicht einmal in Betracht gezogen. Dass Jared das für ihn getan hatte.
Und er ist doch sein Dom... Für den er da sein muss. Wie in den letzten Jahren umgekehrt.
Als hätte es einen Schalter in Toby umgelegt, sinkt er langsam zu Jared herab. Dem Mann, dem stumm ein paar Tränen die Wangen nässen... So hatte er ihn noch nie gesehen... Fuck und er hat keine Jacke an. Ihm muss doch so kalt sein!
Toby zieht sanft Jareds Kopf an seine Brust und küsst ihn auf die Stirn. Das vertraute Gefühl kommt wieder in ihm auf. Sein Dom schlingt die Arme um seine Taille und schluchzt leise, dass Toby nicht einmal überdenken kann, wie lang er sich die ersten Wochen die Augen ausgeheult hatte. Aber Jared ging es anscheinend genauso. Genauso wie ihm.
Und jetzt braucht er Zuwendung. Und Toby will ihn nicht ablehnen. Weil es sich doch auch richtig anfühlt.
Himmel, soll da mal jemand das Chaos an Hormonen in ihm erklären!
Toby hält Jared einfach im Arm. Seinen Jared.
»Es tut mir so leid... Ich liebe dich, Toby... Ich liebe dich so sehr und habe es nie gut genug gezeigt« Murmelt Jared immer wieder gegen seine Brust, dass der Sub selbst vergisst, dass sie hier mitten im Schnee knien, als er sich auf seinem Schoß nieder lässt und sanft Jareds Gesicht in seine Hände nimmt.
Das fühlt sich nach Zuhause an... Toby kann es nicht beschreiben, so sehr, wie ihn alles überfordert. William ist Bestimmung, Jared ist zuhause. Wie soll man das verstehen?
Zärtlich streift er ihm eine Träne von der Wangen, selbst jedoch auch mit glasigen Augen. Sein Verstand ist nicht mehr aktiv, als er sich zu Jared vorbeugt.
»Ich hab dich doch auch vermisst... So sehr...« Nuschelt Toby noch leise, als er sanft Jared küsst, der ihn fest an sich drückt und nicht scheint wieder loslassen zu wollen. Es zerreißt Toby das Herz, so viele Seiten ziehen in unterschiedliche Richtungen. Und er mittendrin.
Aber er denkt nicht nach. Er will einfach nur seinem Jared nah sein. Der, mit dem er schon so viel Scheiß durchgemacht hatte. Mit dem er durch dick und dünn gegangen ist. Er ist der Einzige, der Jared eigentlich je richtig kennengelernt hat. Seinen Jared.
Dabei vergisst er ganz die Gedanken an seinen William, als er in dem Kuss mit Jared versinkt.

Fehler || BoyxBoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt