1 ☆ Verdrehte Tatsachen

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KAPITEL EINS
Verdrehte Tatsachen;
[oder wie ich mein sechstes Schuljahr als kompletter Feigling anfing, indem mich hinter meinem jüngeren Zwillingsbruder versteckte.]
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Anfang des sechsten Schuljahres, 1. September

Die kalte Fensterscheibe an meiner Wange fühlte sich gut an, als ich mich an diese lehnte. Kläglich versuchte ich, meine müden Augen offen zu halten - aber nur zu gerne hätte ich die ganze Zugfahrt verschlafen.

Ich hatte beobachten können, wie James mich zuerst auf meine blasse Haut und erschöpften Blick hatte ansprechen wollen - doch der drohende Blick von Sirius hatte es ihm wohl schnell ausgeredet.
Peter konnte seine Blicke weniger zügeln - und ich spürte immer wieder, wie er mich anstarrte. Wenigstens besass Remus noch so viel Empathie, dass er mich statt anzustarren, zwischendurch mitfühlend anlächelte. Müde versuchte ich stets zurück zu lächeln.

An solchen Tagen war ich dankbar, Sirius als meinen Zwillingsbruder zu haben. Ich war dankbar dafür, dass er mich mit zu seinen Freunden nahm - wissend, dass ich gerade nirgens anders hinkonnte. Hinwollte.
Er wollte mich nicht alleine lassen - auch wenn er es mir vielleicht nicht unbedingt offen sagte.
"In unserem Abteil haben wir sowieso immer noch Platz - und du störst und nervst ja hoffentlich niemanden.",hatte er gesagt - doch ich hatte in seinem Blick gesehen, dass er verlegen war und nicht wusste, wie er mir anders vermitteln konnte, dass er mich gerade gerne bei sich haben wollte.

Wir Blacks waren nunmal nicht gerade gut darin, solche Gefühle zu zeigen.

Die brennende Hölle war der Sommer gewesen - und nicht bloss wegen des heissen Wetters. Immer wenn ich daran zurückdachte - an die Abende, an welchen unsere Eltern die Nerven verloren hatten, zuckte ich zusammen.
Noch nie hatten sie so oft vom Zauber Gebrauch gemacht, wie in diesen Sommerferien. Aber auch noch nie hatten wir so viel Streit angefangen, wie in den letzten Wochen. Alles war komplett eskaliert.

Sirius, ich, ich, Sirius. Verzweifelt hatte ich versucht, wenigstens Regulus davor beschützen zu können - verteidigte ihn, auch wenn Sirius es aufgegeben hatte und schon fast wütend auf ihn war, wie weniger unser kleiner Bruder von unseren Eltern in die Mangel genommen wurde.
Doch ich sah, dass Regulus ebenso litt wie wir - trotzdessen, dass er als das Goldkind des Hauses Black galt. Trotzdessen, dass er die richtige Schuluniform trug.

Und doch traute ich mich nicht, zu ihm und seinen Freunden aus Slytherin zu gehen. Nicht alle waren Slytherins - manchmal war auch ein Mädchen aus Ravenclaw bei ihm - aber ich spürte jedes Mal die unfreundlichen Blicke, wenn ich schon nur zwischendurch nach meinem kleinen Bruder schauen ging. Ich war für viele Slytherins eine Blutsverräterin - genauso wie ich es auch zu Hause war.

Es war nicht so, dass ich keine Freunde in Hogwarts hätte - ich hatte zwei davon. Beste Freunde, konnte man sogar sagen. Seelenverwandte, wenn man an das ganze spirituelle Zeug glaubte.
Hufflepuff und Slytherin - was eine sehr spezielle Kombination war - welche uns drei aber nur noch mehr zusammenwachsen lässt. Wir lernten gemeinsam, wir gingen gemeinsam nach Hogsmeade, machten Ausflüge wie zum Beispiel zum Astronomieturm, wo wir uns gelegentlich auch mit Feuerwhisky volllaufen liessen - und niemand würde je einen der jeweils anderen missen wollen.

Doch ich hatte Angst. Ich hatte solche Angst, da die beiden mich auf jeden Fall nicht in Ruhe lassen würden, wenn ich ihnen sagte, es wäre nichts in den Ferien passiert. Ich hatte durch die ganze Höllenrundfahrt gar nicht auf ihre unzähligen Briefe reagiert - und auf dem Bahnsteig war ich so nah an Sirius' Seite geblieben, und mich so schon fast versteckt, damit sie mich nirgens sehen konnten.

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