2 ☆ Bittere Wahrheiten

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KAPITEL ZWEI
Bittere Wahrheiten
[oder wie ich einfach nie weiss, wann es mal genug ist.]
-

Ich glaubte zu wissen, dass ich mich gleich übergeben würde. Das Wackeln des Zuges war eine Sache - aber die Blicke meiner beiden besten Freunde, liessen mich fast durchdrehen.
Unsicher schaute ich schweigend umher - versuchte die besten Worte zu finden.

"Du siehst echt nicht gut aus, Cassie.",meldete sich Victor schliesslich leise zu Wort und lehnte sich an das Zugfenster des Ganges.
"Danke, Romeo." Ich grinste schwach und nickte einige Male. Atmete tief durch - doch die Übelkeit und Verzweiflung wollte nicht weggehen.

Willow sah so aus, als wollte sie unbedingt etwas sagen - doch ungeduldig und verzweifelt sah sie zwischen Victor und mir hin und her. Victor fing schliesslich ihren Blick auf und seufzte dann leise.

Fast als wäre das Willow's Stichwort gewesen - schaute sie mir in die Augen. Verdammt, ihre hellbraunen Augen leuchteten fast vor Sorge.
"Kommst du mit in unser Abteil? Wir haben ein ganz leeres gefunden. Ist ein Wunder, ich sags dir. Dann können wir dort reden, unter uns. Wäre das okay?"

Ich hätte anfangen können zu heulen. Nicht, dass ich normalerweise in der Öffentlichkeit weinen würde - weinen tat ich sowieso entweder viel zu wenig, oder alleine - aber die Erleichterung durchflutete mich wie salzige Wellen des Meeres.
Ich nickte schnell und schluckte leer.

Kurz winkte ich meinem Zwillingsbruder durch die Scheibe der geschlossenen Abteilstür zu - ich hatte gesehen, wie dieser hatte zu verstecken versucht, wie er mich und meine Freunde beobachtet hatte.
Er schaute mich für einige Sekunden noch aufmerksam an - ehe er etwas nickte und mir ebenso als Abschied zuwinkte. Ein Peace-Handzeichen machte und dann schwach grinste.
Frieden. Ach, dieser herzensgute, tolle Idiot namens mein Bruder.

Victor und Willow waren also nicht so sauer, dass sie mich weg haben wollten. Die jahrelange Freundschaft nun zu nichte war. Sie schrien mich nicht wütend im Gang des Zuges an - und sie bestraften mich ebenso nicht mit Schweigen oder ähnlichem.
Ich hatte diese beiden Engel verdammt nochmal nicht verdient.

Ich nickte abermals und blinzelte meine Tränen weg - schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor sie mir über die Wangen hätten fliessen können.
Doch natürlich bemerkte Willow dies - sie bemerkte einfach alles. Jede Gefühlsregung erkannte dieses Mädchen.
Sanft umschloss sie ihre Hand um meine, als Victor durch den Gang vorging.

Eine Wärme durchflutete mich bei dieser Berührung - ein Feuer, welches aber nicht weh tat. Überhaupt gar nicht. Es gab also offensichtlich verschiedene Arten von Feuer. Manche wärmten - und manche verbrannten.

Willow wärmte mich. Auch wenn meine Hand zitterte und sehr warscheinlich voller Schweiss des ganzen Stresses war - sie umschloss sie, als wäre es eine Alltäglichkeit. Eine Selbstverständlichkeit, da sie das einfach konnte. Sie konnte immer machen, dass es mir besser ging.
Wieso hab ich ihr bloss nie etwas erzählt. Wieso habe ich immer alles von den beiden verheimlicht?

Ob sie immer noch so verständnisvoll sein würden, wenn ich ihnen die Wahrheit erzählt hatte? Dass unsere Eltern schon seit ein paar Jahren den Zauberstab zückten - zwar noch nie so oft wie in diesen Sommerferien - aber immer mal wieder, wenn sie dachten, wir hätten eine Lektion verdient?
Doch in diesem Moment versuchte ich mich darauf zu konzentrieren, wie schön es war, Willow's Hand in meiner zu spüren. 

Meine Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben, als ich Victor's Katze Shakespeare auf dem samtüberzogenen Sitz des Abteils liegen sah.
Sein dunkelgraues Fell schien im Sonnenlicht fast zu leuchten - müde öffnete er kurz seine hellgrünen Augen, als wir die Abteilstür aufschoben - doch gleich entschied er sich wieder, dass es doch schöner war, zu schlafen. Der Glückliche.

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