6 ☆ Unsichtbare Scherben

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KAPITEL SECHS
Unsichtbare Scherben
[oder wie ich das erste Mal in meinem ganzen Leben gerne französisch sprach.]
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Eigentlich hatte ich mir nicht vorstellen können, was jemand wie Winston an einem Schultag machte, welchen er schwänzte - aber auf jeden Fall hätte ich nicht als erstes gedacht, dass er mich Richtung verbotenen Wald führen würde.

Zwar sah er sich einige Male um, während wir Seite an Seite die Ländereien von Hogwarts hinabgingen - aber ansonsten schien mein Mitschüler ziemlich entspannt zu sein.

Ich wusste, dass mein Bruder mit seinen Freunden oft im verbotenen Wald umherstreifte - doch selbst war ich noch nie dort gewesen.
Nicht, dass ich nie das Bedürfnis dazu gehabt hätte, doch für lange Zeit hatte ich gedacht, ich müsse zu Hause ja nicht noch mehr Chaos stiften.

Wie oft ich höllischen Streit von unten gehört habe, in meinem Zimmer zitternd - während unsere Eltern Sirius angeschrien hatten, weil er fast halb so viel nachsitzen musste, wie als er wirklich zur Schule ging.
Wie oft Sirius mit glasigen Augen danach in mein Zimmer getrotten kam - und ich ihn ohne ein Wort über den Streit zu sprechen, abgelenkt hatte. Oder schon nur umarmt hatte.

Auch wenn meine Eltern sowieso schon viele Kritikpunkte an mir hatten - sollte ich ihnen noch mehr bescheren, als sonst schon?
Der Fakt, dass ich mit Victor - einen Halbblut - befreundet war, war für sie schon ein Zaubererweltuntergang.

Ich konnte mich noch fast an die lauten Stimmen erinnern, als sie mich im ersten Jahr nicht nur wegen meines falschen Hogwartshauses angeschrien hatten, nein - ich hatte mich auch noch mit einem Halbblut zusammengetan. Wenigstens war er in Slytherin - doch Willow in Hufflepuff.
Eine Schande war ich.

Doch langsam aber sicher fragte ich mich, ob ich ja nicht genauso eine Schande bleiben würde - wenn ich zwischendurch einige Regeln riskierte.
Natürlich war es auch verboten, die Nacht im Astronomieturm zu verbringen - doch dies war etwas, was nicht so schnell herausgefunden werden konnte.

Vielleicht hatte mein Zwillingsbruder recht; was war das Leben, ohne etwas Risiko?

"Warst du schon mal im verbotenen Wald?",riss mich Winston aus meinen Tagträumen - und grinste mich amüsiert an.
Ich bemerkte eine kleine Narbe unter seinem Mund - gleich links unter der Lippe.

"So offensichtlich?",murmelte ich mit einem etwas unsichereren Grinsen - worüber er leise lachte.
"Ja, schon."
Ich verdrehte etwas die Augen - denn eigentlich mochte ich den Gedanken nicht, dass ich schnell zu durchschauen war. Ich wollte es nicht, dass Leute meine wahren Gefühle und Gedanken wussten - jedenfalls nicht, wenn ich es mir nicht aussuchen konnte.

"Dann bist du wohl etwas anders als dein Bruder?",fragte mich Winston wieder etwas ernster - schaute mich ehrlich interessiert an.
Es war immer noch eine etwas komische Situation, mit einem Mitschüler nun alleine Zeit zu verbringen, mit welchem man eigentlich schon zwei Jahre Schulzeit verbracht hatte - aber stets auf Abstand.

"Schwierig zu erklären.",gab ich ehrlich zu und musste etwas schmunzeln. "Auf der einen Seite sind wir wie Tag und Nacht verschieden - auf der anderen Seite..."
"Auf der anderen Seite gleicht ihr euch komplett.",redete er mir lächelnd ins Wort und ich musste leise lachend nicken.

"Ich glaube, er ist einfach meistens mutiger als ich.",gab ich leise zu - fühlte mich etwas unsicher, dies einfach so zuzugeben. "Naja, keine Ahnung obs Mut oder Dummheit ist, aber..." Ich musste leise lachen. "Jedenfalls getraut er sich mehr, als ich es tue."

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