Kapitel 3/ Unsere Begegnung

28 9 7
                                    

Ich machte mich gerade fertig fürs Boxen. Ich zog eine Shorts an und packte meine Tasche.
Wie immer war ich spät dran und musste mich beeilen, um nicht zu spät zu kommen.

Als ich schließlich ankam, saßen alle noch auf der Bank und warteten auf den Beginn des Trainings. Ich stellte mich zu den anderen und nahm einen tiefen Atemzug.

„Wie immer beginnen wir mit zehn Minuten Seilspringen," rief der Trainer in die Runde.

Als wir fertig waren, machten wir Liegestütze und Workouts. Danach sprinteten wir noch 15 Minuten.

Dann begann endlich das, worauf ich mich am meisten freute, das Boxen.

Wir boxten eine Weile und machten dann eine Pause. Ich beobachtete die anderen, um zu sehen, ob sie sich verbessert hatten. Übrigens bin ich die einzige weibliche Person hier. Alle anderen sind Jungs, was mich nicht störte, weil sowieso keiner mit mir sprach und ich mit keinen sprach.

Als ich gerade aufstehen wollte, kam mein Trainer und fragte: „So Evelyn... Prügelst du dich gerne, oder wieso hast du so viele Verletzungen?"

Ich war still und wusste nicht, was ich sagen sollte, also log ich einfach: „Ja, also das kommt ja alles vom Boxen."

Er schaute mich mit einem schiefen Blick an und sagte skeptisch: „Das kommt sicher nicht vom Boxen. Beim Boxen bekommt man solche schlimmen Verletzungen nicht."

„Sie sehen nur schlimm aus, sind es aber nicht," log ich weiter.

Er schaute mich nur bemitleidenswert an, weil er wusste, dass ich log.

„Wenn was ist, kannst du mir Bescheid sagen," sagte der Trainer.

„Danke," murmelte ich.

Mein Trainer ist einfach der Beste.
Er will für uns alle nur das Beste und ist einfach so lieb zu uns. Ich kann ihn aber nicht mein Geheimnis anvertrauen. Ich habe Angst, dass er es meinen Eltern erzählt, deswegen lasse ich es.

Nach dem Training versammelten wir uns alle und der Trainer sprach: „Ihr habt alle Fortschritte gemacht, super! Nächste Woche kommt jemand Neues, bitte seid nett zu ihm."

Wir nickten und verabschiedeten uns.

Dann ging ich in die Mädchenumkleide und zog mich um. Als ich fertig war, ging ich nach Hause. Auf dem Weg sah ich eine Jungsgruppe, die in meine Richtung ging.

Warte mal? Sind das nicht die aus meiner Klasse? Mist.

Mein Blick senkte sich direkt auf den Boden, damit sie mich nicht erkennen.

„Und dann ist er wüdent geworden und-... Warte mal, ey ist das nicht Evelyn?"Fragte Nick aus der Gruppe.

Die Jungs schauten mich alle an.

„Das ist sie, ehrlich," fügte ein anderer hinzu.

Ich schaute auf und sah Nick an.

„Ja... ich bin Evelyn," murmelte ich leise.

„Hahaha, was machst du draußen? Wahrscheinlich war die Schlampe bei jemandem," sagte Nick und die ganze Jungsgruppe lachte, bis auf einen.

Ich schaute nach rechts und sah Theodore. Er sah mich traurig an, als würde es ihm leid tun.

„Ey, Jungs, lasst uns gehen," sagte Theodore und versuchte die anderen zu überzeugen, mich in Ruhe zu lassen.

„Theodore, du Spaßverderber, wir wollen doch nur mit ihr reden, hahaha," sagte Elias und die anderen stimmten zu, außer Theodore.

Nick kam ein paar Schritte näher zu mir und sagte: „Ich würde gerne sehen, wie du ohne Pullover aussiehst."

Ich erstarrte wie ein Stein. Ich fühlte mich so unwohl und war gleichzeitig so sauer, dass ich Nick so fest schubste, dass er hinfiel.

„Du kleine Hure!" brüllte er mich an, stand auf und wollte auf mich losgehen. Doch Theodore stoppte ihn und sagte: „Jungs, geht vor, ich kläre das mit Evelyn. Sie wird das bekommen, was sie verdient hat."

Alle nickten und flüsterten irgendwas in Theodores Ohr. Theodore gefiel das ganz und gar nicht, wie ich an seinem Blick sah. Er schickte alle weg, und als sie fort waren, nahm er meinen Arm und wir gingen hinter ein Haus.

Ich hatte Angst, dass er mir etwas antut.

„Es tut mir leid... es tut mir so leid, dass ich dir nicht richtig helfen kann," sagte er traurig, und ich war verwirrt.

„Geh nach Hause und pass auf dich auf, Evelyn," sagte er schließlich und wandte sich zum Gehen.

Ich spürte den Drang, ihn aufzuhalten, doch ich tat es nicht.

Ihn tat es leid, dass er mir nicht helfen kann?

Als ich gerade wieder auf dem Fußgängerweg gehen wollte, packte mich plötzlich jemand am Arm. Ich drehte mich erschrocken um und sah Theodore. Er war so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Seine Augen funkelten im schwachen Licht und ich spürte ein unkontrollierbares Kribbeln in meinem ganzen Körper.

„Komm morgen in der  zweiten Pause in die Bibliothek," flüsterte er in mein Ohr, seine Stimme war warm und gleichzeitig geheimnisvoll.

Ich nickte leicht und spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. Theodore war so nah, dass ich den Duft seines Parfums wahrnahm und die Wärme seines Körpers spürte. Mein Herz schlug schneller und ein leises Lächeln spielte auf seinen Lippen, bevor er sich umdrehte und in der Dunkelheit verschwand.

Mit pochendem Herzen und einem Kribbeln, das mich nicht losließ, machte ich mich schließlich auf den Heimweg. Der Gedanke an morgen und die bevorstehende Begegnung in der Bibliothek ließ mich nicht zur Ruhe kommen.

Ich lag im Bett, mein Herzschlag wollte sich einfach nicht beruhigen. Immer wieder musste ich an Theodore denken, an die Intensität seiner Augen, die Wärme seines Atems an meinem Ohr. Der Gedanke daran, ihn morgen in der Bibliothek zu treffen, ließ meinen Puls schneller werden.

Irgendwann, in der Nacht, schloss ich die Augen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Our SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt