VI. Entschuldigung

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Mir war sofort klar, dass die Person, die sich neben mich gesetzt hatte, Kaspian war.

"Es tut mir leid", meinte er nur und sah in die Ferne. Ich folgte seinem Blick und zuckte mit den Schultern. "Bei mir solltest du dich wohl nicht entschuldigen. Du hast ja immerhin nicht mir dein Schwert gegen den Hals gedrückt."

Ein schwerer Seufzer ließ mich ihn wieder ansehen. "Ich meinte eigentlich, dass du im Wald angegriffen wurdest." Ein sanftes Lächeln umspielte meine Lippen, als er das sagte. "Schon okay. Du hättest ohnehin nichts ändern können. Selbst zwanzig gegen drei wäre nicht so gut ausgegangen. Und im Endeffekt bin ich doch wieder hier. Nur, dass viel zu viele Narnianer tot sind."

Eine Stille legte sich über uns und wir sahen nur auf das offene Feld hinaus, bis sich unser Professor neben uns setzte. Ich hatte vorhin schon bemerkt, dass sie ihn mitgebracht hatten, aber mein Fokus war woanders gewesen.

"Wieso habt ihr uns nie von unserem Vater erzählt?", fragte Kaspian ihn nach einer kleinen Weile, bevor er kurz zu mir sah und erklärte: "Miraz hat unseren Vater ermordet und er wusste davon." Allerdings schien ihn meine recht gleichgültige Reaktion etwas zu überrumpeln. "Hatte ich mir schon gedacht", meinte ich nur schulterzuckend.

Der Professor schmunzelte, als ich zu ihm sah. "Wisst ihr, meine Mutter war eine schwarze Zwergin aus den Bergen im Norden. Ich habe all die Jahre mein Leben riskiert, damit ihr eines Tages bessere Thronfolger sein könnt, als eure Vorgänger." Der Schock auf Kaspians und meinem Gesicht ähnelte sich stark und das nicht nur, weil wir uns einige Gesichtszüge teilten. Ich konnte mir viel denken, aber ich wäre nie darauf gekommen, dass der Professor halb Narniane war. Ja, okay, er war ein wenig kleiner als durchschnittlich, aber nicht so viel, wie ein richtiger Zwerg. Dafür war er ja nur halb Zwerg. Gott, er hat sein Leben für uns riskiert, damit wir über Narnia lernen, wie es wirklich war. Kein grauenhafter Ort und gruseligen Monstern, die getötet werden müssen, sondern ein zauberhaftes Reich mit mystischen Wesen und Königinnen und Könige der alten Zeit, die immer noch lebten.

"Dann habe ich euch enttäuscht", gab Kaspian zu, während er weiter in die Ferne sah. "Alles, was ich euch gesagt habe. Alles, was ich euch verschwiegen habe, das habe ich nur getan, weil ich an euch glaube. Ihr habt die einmalige Möglichkeit, der edelste Widerspruch aller Zeiten zu werden. Die Telmarer, die Narnia gerettet haben."

Das musste erst einmal sacken. Bei Kaspian hatte es anscheinend die Augen geöffnet, denn er sah leicht überrumpelt zwischen mir, dem Professor und der Ferne hin und her. Ich lächelte ihm nur ermutigend zu.

Allerdings fiel danach kein Wort mehr zwischen uns. Nur der Wind wehte sachte an uns vorbei. Nach einiger Zeit entschied ich mich aufzustehen. Ich wollte noch mit jemand anderem sprechen. Mit einer kurzen Verabschiedung verschwand ich also wieder zurück in der Festung, um einen gewissen Hochkönig zu suchen.

Peter fand ich letztendlich am Steintisch, gerade als Lucy aus dem Raum kam. Er saß und lehnte mit dem Rücken zu mir gegen den Tisch, während er auf den in Stein gemeißelten Aslan sah. Nach einigen Schritten in seine Richtung, die er nicht gehört zu haben schien, sagte ich seinen Namen in die Stille, woraufhin sein Kopf gleich in meine Richtung schnellte.

Mein Name fiel ebenfalls von seinen Lippen, während er aufstand und bedächtig ein paar Schritte in meine Richtung nahm, als könnte ich jede Sekunde wegrennen. "Was ich gesagt habe, tut mir leid. Ich war wütend und angespannt und ...", er stockte und rieb sich die Nasenwurzeln, während er seufzte. "Bei Aslan, ich bin nicht gut in Entschuldigungen."

Da Peter mein leichtes Kopfschütteln aufgrund der Hand vor seinem Gesicht nicht sah, nahm ich sanft sein Handgelenk, um seine Hand wegzuziehen. "Mir tut es auch leid, Peter. Ich habe dich ganz schön angefahren. Ich sehe ein, dass es besser gewesen wäre, wenn die Telmarer nie nach Narnia gekommen wären. Das wäre das beste gewesen, was hätte passieren können. Miraz hätte nie auch nur in die Nähe des Throns kommen dürfen, das weiß ich, seit ich klein bin, glaub mir. Trotzdem können wir die Vergangenheit nicht ändern und das jetzt sieht eben so bescheuert aus, wie es ist. Aber ich verstehe, warum dir das alles zu Kopf gestiegen ist, mit allem, was diese Nacht passiert ist. Das wollte ich nur sagen."

Obwohl er ein leichtes Lächeln aufgesetzt hatte, seufzte er. "Trotzdem hätte ich das nicht sagen sollen. Wie du gesagt hast, ihr kämpft auf unserer Seite. Ihr seid nicht zu vergleichen mit den anderen Telmarern."

Ich seufzte glücklich. Es tat gut, es zu hören, denn auch wenn ich mir die ganze Zeit sagte, dass Peter das nicht so gemeint hatte, war es trotzdem schwer, die Worte zu vergessen. Narnia wäre besser dran, wenn ihr nicht hier wärt. Es stimmt zwar, aber es tat trotzdem weh.

Da ich erst jetzt bemerkte, dass ich sein Handgelenk immer noch hielt, ließ ich es schnell los. Peters Blick fiel kurz auf die Stelle, wo meine Hand Sekunden vorher war, bevor er fast unmerklich den Kopf schüttelte und wieder zu mir sah. Allerdings schien er sich nun auf die noch roten Flecken meiner Kleidung zu fokussieren. Ich hatte noch keine Zeit gehabt, das Blut auszuwaschen und da ich gerade meine Rüstung nicht trug, sah man das ganze Ausmaß der Blutflecken.

"Ich wollte mich auch noch dafür entschuldigen. Hat Lucy dir -?" Da stoppte ich ihn gleich. "Sie hat es angeboten, aber wir stehen kurz vor einem Krieg. Wir brauchen jeden Tropfen Heilung, den wir bekommen können. Bei mir sieht es schlimmer aus, als es ist. Ich habe schon schlimmeres überlebt. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Keiner hatte das kommen sehen."

Wieder schüttelte er mit dem Kopf, bevor er die Hände auf meine Schulter legte. Mir wurde gleich etwas wärmer, obwohl ich versuchte, das Gefühl zu ignorieren. "Du solltest dich wirklich heilen lassen. Wir brauchen jeden bei voller Gesundheit ... und ich will nicht, dass du -"

Gerade als er den Satz beenden wollte, stürmte Edmund in den Raum und meinte, dass wir mitkommen sollen.

Für dich entschieden (Peter Pevensie - Narnia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt