VII. Duell-Traditionen

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Edmund führte Peter und mich schnell zu dem Aussichtspunkt, wo Susan, Lucy, der Professor und Kaspian schon warteten. Kaspian hatte inzwischen seine Lederrüstung übergezogen und hielt mir meine entgegen. Mir kam zwar der Gedanke, dass ich die Farbe der Telmarer nicht mehr tragen wollte, aber eine Alternative hatte ich nicht.

Und die Telmarer, die vom Waldrand aus zahlreich hervorkamen, hatten größtenteils Metallrüstungen an, insofern wäre die Farbe absolut egal. Das Material machte mir schon eher Sorgen.

Diese Masse an Soldaten hatte ich noch nie zuvor gesehen, was mich darauf schließen ließ, dass Miraz Unterstützung von den anderen Lords angefordert hatte. Womöglich war er auch schon König und hatte es einfach befehligt.

Als dann auch noch Katapulte ins Sichtfeld kamen, hörte ich mich selbst fluchen. Meine zwei zu zwanzig waren ein absoluter Witz gegen diese Armada von Soldaten. Selbst aus der Ferne konnte ich Miraz erkennen, denn seine Rüstung schimmerte golden und er saß auf dem einzigen strahlend weißen Pferd. Damit war auch klar, dass er jetzt König war.

Die Stimme eines Sprechers rang laut und deutlich durch die Luft. "Ihr habt eine Stunde Zeit, euch zu ergeben." Das ansonsten war überflüssig, denn es war klar, was sonst folgte. Für die Dramatik blieben sie noch eine kleine Weile stehen, bevor der Großteil, damit auch Miraz, umkehrte und im Wald verschwand.

Ich hörte Peter neben mir seufzen, bevor er meinte, dass wir alle hineingehen sollten.

Wir platzierten uns alle um den großen Stein in der Mitte des Raumes, der gerade als Konferenzraum fungierte. Der flache Stein lag so, dass wir ihn als Tisch nutzen konnten.

Peter war schnell dabei, sich einen Plan auszudenken. Trumpkin war allerdings genauso schnell dagegen. "Das ist euer neuer großer Plan? Ein kleines Mädchen in den finstersten Teil des Waldes zu schicken? Allein?" Nie hätte ich gedacht, dass ich Trumpkin mal sehe, wie er sich über irgendwen Sorgen machte, aber Lucy schien es ihm wirklich angetan zu haben.

"Das ist die einzige Chance, die wir haben." Susan stand da eindeutig auf Peters Seite. "Sie wird auch nicht allein sein."

Trumpkin wollte erneut widersprechen, doch letztendlich überzeugte ihn Trüffeljäger. "Wir müssen sie nur ablenken, bis Susan und Lucy wieder da sind", sagte Peter dann abschließend.

"Wenn du erlaubst", hörte ich Kaspian sagen, woraufhin wir uns alle zu ihm umdrehten. "Miraz mag vielleicht ein Tyrann und ein Mörder sein, aber als König ist es seine Pflicht, den Traditionen seines Volkes zu entsprechen. Und da ist eine, die müsste uns, wenn es funktioniert, etwas Zeit bringen."

Die Duell-Tradition, da hätte ich auch selbst drauf kommen können. Wenn der König zu einem Duell in einer Kriegssituation von dem gegnerischen König herausgefordert wird, muss er es annehmen, um seine Ehre zu bewahren und seine Macht zu beweisen. Kaspian hatte das auch schnell zusammengefasst.

"Wie viel Zeit haben wir noch?", fragte ich in den Raum. Die Antwort kam schnell von Trüffeljäger. "Eine halbe Stunde ungefähr, Prinzessin." Nachdem ich mich bei dem Dachs bedankt hatte, drehte ich mich zurück zu Peter, der immer noch Blicke mit Susan wechselte. Bis jetzt hatte er dem Vorschlag nicht zugestimmt.

"Peter?" Er sah direkt zu mir. "Würdest du es machen? Wenn nicht, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen." Schnell schüttelte er mit dem Kopf. "Nein, ich mache es." Er setzte zwar ein Lächeln auf, das mich und die anderen wahrscheinlich auch beruhigen sollte, aber mich überkam ein mieses Gefühl. Immerhin kannte ich Miraz. Er war brutal und gab nicht auf. Er würde Peter ohne mit der Wimper zu zucken töten.

Aber Peter ist jung, sagte ich mir. Er hat einen Krieg gewonnen, warum nicht noch einen Zweiten?

Trotzdem ging das Gefühl nicht weg.

"Hat jemand zufällig eine Schriftrolle parat? Wenn schon, müssen wir das ordentlich machen"" Ein Zentaur, von dem ich leider den Namen nicht kannte, nickte und verschwand für wenige Minuten, bevor er mit Schriftrolle, Feder und Tinte wiederkam und alles auf dem Tisch platzierte.

"Soll ich schreiben?", fragte ich in die Runde und da keiner widersprach, nahm ich mir gleich die Feder und tauchte sie in die Tinte. "Also, wie möchten wir anfangen?" Mein Blick fiel zu Peter. "Ich hätte da gedacht, dass wir ihm erst einmal alle deine Titel unter die Nase reiben. Oder ist das zu viel?"

Peter grinste nur, bevor er den Kopf schüttelte. "Die Idee finde ich gut. Wie klingt das? Ich, Peter von Aslans Gnaden, Hochkönig von Narnia, Herr von Cair Paravel und Kaiser der einsamen Inseln, fordere hiermit König Miraz zum Zweikampf auf dem Schlachtfeld heraus. Der Kampf ist auf Leben und Tod. Der Verlierer kapituliert."

Ich nickte das ab, doch wollte noch etwas verbessern. "Wie wärs, wenn wir noch schreiben: durch Wahlen, Verordnung und Sieg Hochkönig von Narnia und dann fordere den Thronräuber Miraz heraus?" Edmund stieß lachend die Luft aus und stimmte mir zu. Kaspian hatte dann aber auch noch einen Teil hinzuzufügen. "Ich würde noch 'um abscheuliches Blutvergießen zu vermeiden' schreiben." Peter nickte das ab.

"Noch Ideen?", rief er dann in den Raum, doch alle schienen mit dieser Fassung zufrieden zu sein. Deshalb zog ich die Feder aus der Tinte, ließ sie am Rand abtropfen und begann zu schreiben.

Ich, Peter von Aslans Gnaden, durch Wahlen, Verordnung und Sieg Hochkönig von Narnia, Herr von Cair Paravel und Kaiser der einsamen Inseln, fordere hiermit, um abscheuliches Blutvergießen zu vermeiden, den Thronräuber Miraz zum Zweikampf auf dem Schlachtfeld heraus.
Der Kampf ist auf Leben und Tod. Der Verlierer kapituliert.

Peter
Hochkönig von Narnia

Kurz ließ ich es noch trocknen, während Peter über meine Schulter darüber ließ. Er stand so nah bei mir, dass ich die Wärme, die von ihm ausging, spüren konnte. Als ich zu ihm hinübersah, merkte ich erst, wie nah wir uns wirklich waren. Er anscheinend auch, denn er nahm schnell wieder einen Schritt zur Seite, bevor er den Brief abnickte.

Ohne weiter über die Interaktion nachzudenken, denn das hinterließ nur ein Flirren in meinem Bauchraum, rollte ich das Papier zusammen. "Und wer soll es überbringen? Kaspian oder ich wären, denke ich, nicht die schlauste Wahl."

Edmund stand schon aus seiner sitzenden Position auf, bevor Peter überhaupt sagen konnte, dass er es machen sollte. Über den Tisch hielt er mir die Hand entgegen und ich überreichte ihm die Schriftrolle, doch ich ließ noch nicht los. "Pass aber bitte auf und nimm noch jemanden mit." Erst als er nickte und meinte, ich soll mir keine Sorgen machen, ließ ich ihn die Schriftrolle haben. Der Zentaur meldete sich gleich freiwillig, mit Edmund mitzugehen, und ein Riese hatte sich ebenfalls schnell gefunden.

"Dann geht ihr zu den Pferden und ihr geht zu Miraz", meinte Peter zuerst zu seinen Schwestern und dann zu Edmund und den anderen beiden. Sie nickten alle und verschwanden. Kaspian ging ebenfalls mit Susan und Lucy mit. Ich glaube, er hatte sich ein wenig in Susan verguckt.

Die anderen verschwanden auch, bis nur noch Peter und ich waren. Er hatte sich am Tisch abgestützt, den Kopf hängen gelassen und atmete tief durch, während ich mich auf den Tisch setzte. "Miraz wird kein leichter Gegner, ich will nicht lügen, aber du schaffst das. Du hast einen Krieg überlebt und bist nur halb so alt wie Miraz. Eigentlich bist du ja eigentlich über tausend Jahre älter, aber du hältst dich gut für dein Alter. Dementsprechend bekommst du das hin." Da konnte sich nicht einmal Peter ein Grinsen verkneifen, als er zu mir hochsah.

"Du kannst einem echt auf die Nerven gehen." Sein Gesichtsausdruck behauptete allerdings etwas anderes. "Na ja, wenn ich deine Nerven bis aufs Äußerste spanne, heißt das, dass du mehr an Miraz auslassen kannst. Ich sehe das als Vorteil." Leicht lachte er und ich war froh, seine Stimmung wenigstens kurz gehoben zu haben. Die Nervosität kam früher oder später von selbst. "So schlecht klingt das gar nicht."

Das war dann auch mein Zeichen, wieder vom Tisch zu springen, während Peter sich aufstellte. "Das heißt wohl, dass du mich bis zum Kampf nicht mehr loswirst." Sein Kopfschütteln mit dem Lächeln kam direkt bei dem Flimmern in meiner Bauchgegend an. Mann, sah der Typ gut aus.

"Ich werde mich nicht beschweren, Charlotte."


Für dich entschieden (Peter Pevensie - Narnia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt