Kapitel 34 - Die wahre Geschichte

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Herr Goldenberg war ein netter Lehrer, aber auch er hatte in aller Deutlichkeit und Ausführlichkeit erklärt, warum Geheimgänge ein Tabu waren – vor allem in Nurmengard. Um zu gewährleisten, dass sich ein solches Abenteuer auf keinen Fall wiederholte, hatte er die Bäume von ihnen allen um über fünf Zentimeter schrumpfen lassen – und wie der Jahresbaum von Haistra nun aussah, wollten sie sich lieber nicht anschauen. Dementsprechend bedient saßen sie später wieder bei Anna im Gemeinschaftsraum und erzählten ihr, was passiert war. Doch auch sie konnte sich nicht erklären, warum sie nun schon wieder erwischt worden waren.

»Vielleicht ist eine Alarmanlage an die Geheimgänge angeschlossen«, überlegte Filio. »So wie das Licht angeht, wenn man da hineingeht, wird vielleicht auch ein Signal an die Lehrer gesendet.«
»Das hätte Herr Goldenberg uns doch gesagt«, widersprach Hannes. »Und Frau Castor auch schon. Ihnen ist es ja ganz offensichtlich ein Anliegen, dass wir aus den Geheimgängen draußen bleiben. Das würden sie doch sofort erreichen, wenn sie uns von einer Alarmanlage erzählen würden.«
»Und Herr Grindelwald wirkte auch ziemlich überrascht, als er uns begegnet ist«, ergänzte Levi. »Er wirkte nicht so, als würde er nach uns suchen.«

»Warum läuft er eigentlich durch die Geheimgänge?«, fragte Marina. »Das ist auch bisschen verdächtig.«
»Es passt ein bisschen in das Gesamtbild, findet ihr nicht?«, überlegte Jan. »Kurz nachdem Herr Grindelwald meine Phiole gesehen hat, wurde zuerst bei uns im Zimmer eingebrochen und dann auch noch bei mir zu Hause. Und der Einbrecher aus unserem Zimmer ist nach seiner Flucht in dem Flur mit dem Eingang zum Geheimgang verschwunden. Es muss also jemand gewesen sein, der die Geheimgänge kennt. Wissen außer Herr Grindelwald noch viele Leute davon?«

»Du erinnerst mich wieder bisschen an letztes Jahr«, scherzte Levi. »Aber ich muss sagen, dass ich deine Überlegungen diesmal deutlich begründeter finde.«
Von den anderen aus der Gruppe kam verhaltene Zustimmung. Selbst Lina deutete ein Nicken an.
»Du bist vom Niveau der Akademischen Astromagier aufgestiegen«, kommentierte sie und klang dabei fast schon wieder so wie vor ihrer Trennung. »Trotzdem würde ich jetzt nicht sagen, dass es auch nur annähernd genug Beweise für deine These gibt. Das einzige, was wir mit unserem aktuellen Kenntnisstand sicher sagen können, ist, dass es besser ist, wenn wir aus diesen Geheimgängen draußen bleiben.«

Filio nickte niedergeschlagen.
»Nach dem Abend heute sehe auch ich das so«, meinte er. »Als würde Herr Egger meinen Baum nicht schon genug schrumpfen lassen, ist er jetzt noch kleiner geworden. Bevor ich das nächste Mal einen Fuß in einen Geheimgang setze, muss ich erst noch eine Maschine erfinden, für die mein Baum wieder ein ganzes Stück wächst.«

»Wenn die aber explodiert und ein Zimmer von Nurmengard – Residenz der erhabenen Familie Grindelwald – beschädigt, wird Herr Grindelwald dafür sorgen, dass Herr Goldenberg deine Buche dem Erdboden gleich macht.«
»Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass eine Erfindung von mir explodieren könnte«, sagte Filio mit Unschuldsmiene. »Aber vielleicht hast du recht, dass sich Nurmengard nicht so sonderlich gut für so ein Projekt eignet. Allein schon wegen der großen Distanz zwischen Schlafzimmer und Gemeinschaftsraum.«

»Ich fand den ersten Teil von deinem Vorhaben auch schon vollkommen ausreichend«, meinte Levi. »Wir lassen das mit den Geheimgängen sein. Es war eine spannende Idee, aber sie ist jetzt zwei Mal schiefgegangen und ich will es nicht ein drittes Mal probieren. Wir lassen solche Dummheiten in Zukunft sein und dann wachsen unsere Buchen auch wieder. Nur heute Abend werden wir sie wahrscheinlich nicht mehr wiederherstellen können. Also können wir auch unsere Partie noch zu Ende spielen, oder?«
Mit einem aufmunternden Grinsen hob er seine Karten von Tisch. Ohne zu zögern taten Jan und die anderen es ihm gleich. Und schon nach kurzer Zeit war Herr Grindelwald wieder in den Hintergrund gerückt – wenn auch nur für diesen Moment.

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