Kapitel 12 - Drachen

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Frau Castor machte es Jan in den nächsten Wochen relativ leicht, sich an sein Vorhaben zu halten. Denn ihre kurzfristig eingeschobene Unterrichtseinheit ›Verteidigung gegen Erklinge‹ war trotz ihrer unsicheren Art sehr lehrreich. Es kostete zwar Überwindung und Willenskraft, der Lehrerin wirklich zuzuhören, anstatt mit den andern Papierflieger zu basteln, aber wenn man die einmal aufgebracht hatte, konnte man ihre Erklärungen ausgesprochen gut verstehen. Und auch in der darauffolgenden Einheit ›Gefahren im Wasser‹ gab Jan sein Bestes und so hatte er in der Arbeit, die sie drei Wochen vor den Herbstferien schrieben, ein wirklich gutes Gefühl.

Mit dieser Arbeit ging der Ernst des Schullebens wieder los. Besonders Levi war nicht zu beneiden, denn zusätzlich zu Hausaufgaben und Lernen stand bei ihm noch zwei Mal in der Woche Quidditchtraining auf dem Programm. Und am Wochenende nach der Arbeit bei Frau Castor stand dann auch das erste Spiel an. Auch wenn Levi dieses nur von der Auswechselbank betrachtete, saß Jan mit seinen Freunden aus Haistra begeistert auf der niedrigsten Tribüne und jubelte ihrem Hausteam zu, wie es mit 260 : 70 gegen die Furhos gewann.

Obwohl Levi sehr viel Zeit in sein Training investierte, schaffte er es in der Praxisprüfung einfache Zauberei direkt am Dienstag nach dem Spiel auf eine glatte eins. Und auch wenn Jan auch mit hohem Lernaufwand nicht über eine 3+ hinweggekommen war, genoss er seine Zeit in Winterfels. Denn nach dem Erklingangriff war Ruhe eingekehrt. Außer einem Schwarm Billywigs wurde mit Filios Maschine kein einziges Tierwesen verzeichnet, das das Schulgelände betrat.

Und so konnte Jan in der letzten Woche im Deutschunterricht sitzen und sich über ganz weltliche Dinge wie den Konjunktiv ärgern. Herr Goldenberg hatte ihnen das Statement von einem Mitarbeiter das Hamburger Uwalon-Magizoos gegeben. Ein ziemlich langes Statement. Und das sollten die Schüler nun in den Konjunktiv umwandeln.

»Es ist gut möglich, dass das Quintaped auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde«, las Jan den Satz leise vor. Er seufzte. Wie ging der Konjunktiv nochmal bei ›ist‹? Er schielte unauffällig zu den Beispielsätzen an der Tafel. Sei. Genau das war es. Und in einem dass-Satz brauchte man keinen Konjunktiv.
Es sei gut möglich, dass das Quintaped auf dem Schwarzmarkt verkauft wurde, notierte Jan also und unterdrückte ein Seufzen, als er sah, wie lange der Text noch war.

Wir halten zurzeit allerdings ein anderes Szenario für realistischer, las er den nächsten Satz. Dabei wurde Jans Aufmerksamkeit geweckt. Es war doch viel interessanter zu lesen, wo dieses ausgebrochene Monster steckte, anstatt zu überlegen, ob es jetzt hielt, hälte oder holten hieß. Neugierig las er weiter.
Wir gehen davon aus, dass das Tier in schwarzmagischen Kreisen gehalten wird, um es als Waffe einzusetzen. Da die Schutzzauber gegen Flüche mittlerweile ein sehr hohes Niveau erreicht haben, befürchtet die Abteilung für magische Tierwesen und Pflanzen, dass es in naher Zukunft einen vermehrten Einsatz von Tierwesen in Duellen geben wird. Die Auroren sind daher...

»Dann vergleichen wir doch schonmal die ersten zehn Zeilen«, unterbrach Herr Goldenberg in diesem Moment Jans Lesefluss. Überrascht sah Jan auf seinen Collegeblock und stellte fest, dass er gerade mal bei Zeile sechs angekommen war. Ein Blick auf Levis Papier zeigte ihm, dass es seinem besten Freund nicht anders ging. Daher mussten sie sich bei den ersten Zeilen melden, um bei den letzten nicht unfreiwillig drangenommen zu werden. Doch für die erste Zeile nahm Herr Goldenberg gerade schon Filio dran, der sich sofort gemeldet hatte, als der Lehrer angefangen hatte zu sprechen. Doch Filio kam nicht dazu, seinen Satz vorzulesen. In diesem Moment wurde, ohne zu klopfen, die Tür aufgerissen. Herr Goldenberg drehte sich überrascht um.

»Herein«, sagte er, auch wenn der Gast längst schon eingetreten war.
Herr Tuplantis stand in der Tür, sein Gesicht wirkte erschöpft und seine Locken waren nicht wie sonst ordentlich hinter die Ohren gekämmt, sondern fielen teilweise wild vor sein Gesicht.
»Arnold«, grüßte er seinen Kollegen, während er einen besorgten Blick auf seine Uhr warf, »ich brauche dich.«
Herr Goldenberg runzelte verwundert die Stirn.
»In fünf Minuten? Oder nach der Stunde?«

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