*Der Graue Sturm - Teil 2*

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»Du wirst mir nichts tun«, sprach sie mit rauer Stimme. Da war ein belustigter Klang in ihren Worten, die North aufhorchen liess. »Ich kann die Unschuld in deinen Augen sehen. Du wirst mir kein Haar krümmen.«

Und wie sie recht hatte. Noah war nicht fähig, einer Frau etwas anzutun. Dafür hatte ihn sein Vater zu gut erzogen.

»Er nicht«, knurrte der Captain und packte das Mädchen an den Haaren.

Er riss ihren Kopf rasch nach hinten. Zischend zog sie die Luft zwischen den Zähnen ein und wollte sich von ihm losreissen. Vergebens.

»Ich aber schon.« North kam mit seinem Gesicht nah an ihres.

Mit einer knappen Bewegung schlang er seine Schwerthand um ihre Taille. Er rührte seine Hand leicht, sodass die scharfe Klinge das Licht einfing.

Wieder zog sie scharf die Luft ein. Verwirrt musste der Captain feststellen, dass ihr Blick gar nicht seinem Schwert galt. Ihre Augen starrten panisch auf den Arm, den er um sie geschlungen hatte.

»Untersuch sie.« Noah zögerte keine Sekunde. Er begann sie abzutasten, wobei der Captain sie keine Sekunde aus den Augen liess.

Sie rührte sich kaum, als Noahs Hände ihren Mantel kontrollierte. Sie hatte ihre Augen geschlossen und ihre Lippen zitterten leicht.

»Hast du Angst?«, hauchte ihr North ins Ohr. Sie wollte von ihm zurückweichen, doch er hielt sie noch immer fest.

»Nicht vor dem Schwert.« Atemlos riss sie die Augen auf und starrte auf Noahs Bewegungen.
»Bitte, fasst mich nicht an.«

Bevor North nachhaken konnte, wurde er von Noah unterbrochen: »North, Lass sie los.«

Überrascht über den Befehlston runzelte er die Stirn. Noah wagte es nie, sich seinem Captain zu widersetzen. Ihn kritisieren ja, aber ihn herumkommandieren? Niemals.

»Sie trägt etwas bei sich.« Noah trat von ihr zurück und gab ihr genügend Freiraum.

Auch North liess endlich ihre Haare los. Als er seinen Arm löste, atmete sie dankbar auf. Zur Sicherheit liess er eine Hand auf ihrer Schulter zurück, sodass sie nicht auf den Gedanken kam, wegzurennen. Sein Schwert steckte er zurück an den Gürtel.

Der Captain blickte auffordernd auf seinen ersten Mann. Dieser hatte seine Hand zu einer Faust vor seiner Brust geschlossen.

»Was ist das?« North zog die Brauen zusammen, als Noah seine Faust öffnete und ein Anhänger daraus heraussprang. Er hing an einer langen silbrigen Kette.

Quälend langsam drehte sich der Anhänger. Als er endlich in seiner Richtung zu stehen kam, schnappte er erschrocken nach Luft und hätte die Frau beinahe losgelassen.

Der Anhänger bestand aus purem Obsidian. Er war zu einer Rose geschliffen worden, in deren Mitte vier weisse Edelsteine mit einer Einkerbung einen Kreis um einen grossen blauen Saphir bildeten. Er funkelte in den verschiedensten Tönen des Meeres, von blau zu grau, von hell zu dunkel.

North hob seine Hand leicht an, um nach dem Anhänger zu greifen. Schnell liess er sie wieder senken, bevor er den Stein zu berühren bekam. Er fürchtete fast, dass die Rose schon bei der kleinsten Berührung zu Bruch gehen könnte.

»Das ist unmöglich.« North wollte das Mädchen herumreissen und sie schütteln, doch ein Blick auf die Rose und er hielt sich zurück. »Woher hast du ihn?«

North presste angespannt die Zähne zusammen, als sie nicht antwortete. Sie schloss wieder die Augen. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Griff an ihren Schultern doch fester geworden war.

Lunaris - Das Kind des SturmesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt