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Sie konnte nicht sagen, wie sie in diesen Raum gelangt war. Genauso wenig hatte sie eine Ahnung, wie sie auf ein schwankendes Schiff geraten war.
Sie wusste nur noch, dass sie sich ein Schiff am Hafen hatte ansehen wollen. Irgendwie war sie dann an Deck geraten. Keiner hatte sie bemerkt. Nur wenige Öllampen hatten das Schiff beleuchtet. Sie konnte in Ruhe alles mit grossen Augen bestaunen.
Nachdem sie alles bis auf die Kajüten bewundert hatte, wandte sie sich an den vorderen Teil des Schiffs. Sie lehnte sich über die Reling und bedachte das Schiff von aussen.
Das Holz war etwas modrig, darunter war die graue Farbe trotzdem noch gut zu erkennen. Das Deck unter ihr war von einem dunklen braun.
Das Schiff besass ein Mast auf dem Vorderdeck, eins auf dem Achterdeck und den grössten in der Mitte. Darauf war der Mastkorb angebraucht, der einem Piraten den Überblick über das Meer gab.
Jeder Mast war mit dunklen Segeln und Netzen ausgerüstet. In der Tarnung war dieses Schiff ganz bestimmt gut geübt.
Unter dem Wasserstag hängte an der Aussenwand des Schiffs eine Figur. Die Frau hatte noch nie zuvor eine Nymphe gesehen, doch sie zweifelte nicht, dass sie eine darstellen sollte. Sie hatte ihren rechten Arm nach vorne gestreckt und hielt in der Hand eine Rose. Ihre Schwanzflosse war von wundervollen Ornamenten und vermischte sich gegen Ende immer mehr mit dem Schiffsbug.
Ihr Blick ging vom Schiff in Richtung Westen, wo Oros stürmisch wütete. Es war noch immer dunkel. Die Regenwolken lösten sich langsam auf und gaben den Himmel frei. Tausend Sterne funkelten und am Horizont im Westen konnte man noch den Mond sehen, wie er langsam unter ging. Er schimmerte etwas bläulich. Im den vier Monaten der Lato-Zeit nichts Ungewöhnliches. Noch immer zog es sie magisch an, wie sich die Farbe des Mondes in jeder Jahreszeit verändert. Verstehen, konnte sie den Zyklus aber nicht. Er war einfach da und nichts daran wurde ihr je erläutert.
Alles was sie wusste, war, dass der Mond in der Winterzeit blau schimmerte. Doch bald war auch sie vorbei und der grüne Mond kam wieder zum Vorschein. Jetzt aber genoss sie noch diesen Anblick.
Bald geht die Sonne wieder auf und der Mond verschwindet für den Tag. Bereits jetzt schon küsste seine Oberfläche das Meer. Sein Licht wurde von den Wellen reflektiert und zog sie in einen magischen Bann. Mit dem auf und ab des Schiffes, wollte sie sich von dem Wind treiben lassen. Sie war wie eine Gefangene in einem Tanz mit dem Meer.
Sie glaubte fast, dass sich das Licht ihr näherte. Immer näher kam sie dem Mond und versuchte ihn mit ihren Fingern zu berühren.
Alles um sie herum verschwamm und vermischte sich. Jeder Klang wurde vom Rauschen des Meeres eingefangen und abgedämpft.
Erst als die Bewegungen des Schiffs sie aus dem Gleichgewicht brachte, erwachte sie aus ihrer Starre. Nun bemerkte sie, dass der Mond ihr tatsächlich immer näherkam.
Erschrocken schnappte sie nach Luft und wandte sich um. Ihre Augen fanden Neros westlichen Hafen. Nur wurde er in der Ferne immer kleiner.
Sie wandte sich vom Hafen ab. Hatte sie es nun tatsächlich geschafft, von Neor zu entkommen? War das ihr Ziel, als sie das Schiff hatte betrachten wollen?
Verärgert über ihren unvorsichtigen Akt, hätte sie sich am liebsten selbst geschlagen, doch das hätte wohl zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich auf ein Piratenschiff zu schleichen. Wer konnte schon wissen, was sie mit einem blinden Passagier anstellen würden.
Sie fasste einen Entschluss. Sie musste sich verstecken, und zwar ganz dringend. Wenn man sie erwischte, war sie verloren. Als erstes schoss ihr die Kajüten durch den Kopf. Irgendwo mussten sie bestimmt eine Vorratskammer haben. Wenn sie sich dort versteckte, bis sie wieder an Land trafen, dann hätte sie eine Möglichkeit zu entkommen.
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Lunaris - Das Kind des Sturmes
Fantasy»Wer bist du?« Wieder wandte sich der Captain an Ruelle. »Ist es mir jetzt erlaubt zu sprechen?«, sagte sie, bevor sie über ihre Worte nachdachte. Das wars wohl mit gehorchen. »Ich könnte euch auch einfach von meinem Schiff werfen.« Der Captain ha...