6. Kapitel

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«Na endlich!», rief Schimmernder Mond und sprang auf. Ein roter Kater kam den schmalen Klippenpfad zu ihr hinauf. Es schien, als hätte die untergehende Sonne sein Fell in Brand gesteckt, so sehr strahlte es.

Der Name Schnelles Feuer passt wirklich gut zu ihm, überlegte die Sternenkatze, während sie ihren Gefährten betrachtete. Sie hatte Rusty diesen Namen vorgeschlagen, als er seine Hausleute verlassen wollte, um mit ihr am Meer zu leben. Damals waren sie unten am Wasser entlang gerannt und hatten den Sonnenuntergang und die Zweisamkeit genossen. Rusys Fell hatte genauso wie heute im Licht gestrahlt und sie hatte ihn liebevoll Schnelles Feuer genannt. Seitdem hieß der Kater so.

«Ist alles in Ordnung? Du wirkst sehr beunruhigt.» Er trat zu ihr auf den Felsvorsprung und leckte ihr liebevoll über den Kopf.

«Alles ist gut», antwortete die Kätzin erleichtert. «Ich habe mich bloß gefragt, wo du so lange warst.» Seitdem die Streuner hier sind, kann man sich weniger als je zuvor sicher sein, dass man abends unversehrt in sein Nest klettern wird.

«Ich habe erneut die Streuner gesichtet», brummte Schnelles Feuer, der dasselbe zu denken schien, und ließ sich auf dem Klippenvorsprung nieder. Sein Blick war nachdenklich in die Ferne gerichtet.

Das bedeutet nichts Gutes, verstand Schimmernder Mond. Wenn er so aussieht, ist er zutiefst besorgt. Und er ist nur zutiefst besorgt, wenn es wirklich einen Grund dafür gibt.

«Du weißt doch, dass die Streuner sich hinter dem Sumpfland niedergelassen haben», begann der Kater. Schimmernder Mond nickte.
«Es war eine natürliche Grenze zwischen uns und ihnen, die genug Schutz geboten hat.»

«War?», hinterfragte die Kätzin alarmiert. Ihr Fell stellte sich auf.

«War», bestätigte ihr Gefährte. «Ich war jagen und habe ein paar der Katzen im Sumpf gesehen. Sie waren nur am Rand, aber es sah so aus, als hätten sie einige Katzen, die wissen, wie man sich in so einem Gebiet bewegt und sicher jagt.»

Oh nein, bitte nicht! Was, wenn sie uns eines Tages hier überraschen?

«Du sagst gar nichts dazu?» Der flammenfarbene Kater blickte seine Gefährtin fragend an.

«Was soll ich denn dazu sagen? Das ist sehr schlecht und gefällt mir ganz und gar nicht.»

«Und mehr nicht?»

Was meint er? Was soll ich ihm noch sagen?
«Was willst du noch hören?», fragte sie ein wenig verwirrt. «Natürlich werde ich mir mehr Sicherheitsmaßnahmen überlegen, aber die verkünde ich dann bei einer Versammlung. Wie immer.»

Schnelles Feuer seufzte und stand auf. Sein Blick war traurig und die Sternenkatze spürte plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen in ihrem Magen. Das Verhalten ihres Gefährten gefiel ihr überhaupt nicht.

«Ich denke, dass Sicherheitsmaßnahmen diesmal nicht genug sind», sagte der Kater langsam und sah sie direkt an. Ihre Blicke begegneten sich. Schimmernder Mond blickte in die wunderschönen, grünen Augen ihres Gegenüber, die sie so gut kannte, doch jetzt strahlten sie nicht vor Lebensfreude und Abenteuerlust wie sonst immer. Hinter dem ernsten Blick konnte die Kätzin Angst und Sorge entdecken.

«Was meinst du damit, Schnelles Feuer?», fragte sie nervös. «Was soll ich denn sonst tun?»

«Die Antwort wird dir nicht gefallen, aber es ist das einzig Sinnvolle, was wir tun können, damit uns nichts passiert.»

«Und das wäre?»

«Wir müssen wegziehen. Uns einen anderen Ort zum Leben suchen.»

«Nein!», rief die Sternenkatze panisch. Das durfte niemals geschehen! Hier war ihre Mutter gestorben und hier würde auch sie sterben. Wie konnte Schnelles Feuer so etwas überhaupt vorschlagen? Er wusste doch, wie wichtig dieser Ort für sie war. Hier war das Grab von Sanfte Brise, die Höhle, wo Sanfte Welle und Goldener Sand zur Welt gekommen waren und der Felsvorsprung, wo Schimmernder Mond Visionen von den Sternen empfing.

WARRIOR CATS - Nahender SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt