7. Kapitel

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Es war Nacht. Ein leichter Wind jagte einzelne Wölkchen über den dunklen Nachthimmel. Das gelbe Gras raschelte leise bei jeder Bewegung, die die kühle Brise verursachte. Ansonsten war es still. Vor dem Eingang zu ihrem Kaninchenbau saß Sturm und betrachtete düster den Mond. Das kalte, silberne Licht spiegelte die Kälte der Natur während der Zeit des Blattfalls wieder und die Kälte im Herzen der Kätzin. Wie sehr sie Drache doch hasste, den Kater, der unschuldige Rudelmitglieder sterben ließ, seine Gefährtin verachtete und seinen Sohn ebenfalls zu einer verdorbenen Katze machen wollte.

Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert. So kann es nicht mehr weiter gehen. Drache wird mit seinen brutalen Taten nicht aufhören, wenn keiner ihm Einhalt gebietet. Aber wer soll ihm Einhalt gebieten? Wer ist klug, mutig und stark genug?

Sturm kannte die Antwort. Tief in ihrem Herzen spürte sie, dass es ihre Aufgabe war, dieses Monster ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen. Deshalb hatte sie heimlich Mohnsamen von Spinne entwendet und sie in der Beute des Alphas versteckt. Heute Nacht, während er schlief, wollte sie ihm einen allerletzten Besuch abstatten...

Ihr Blick wanderte über die Lichtung und anschließend erneut hoch zum bleich schimmernden Halbmond. Mittlerweile hatte er seinen höchsten Stand fast schon erreicht. Wenn sie sich nicht beeilte, würde die Wirkung der leider nur in geringer Menge vorhandener Mohnsamen bald nachlassen und Drache könnte aufwachen, während sie in seinem Bau war. Oder jemand könnte sie hier so sitzen sehen und würde am nächsten Morgen Verdacht schöpfen. Sie musste schnell handeln.

Aber der Mond scheint sehr hell, es ist zu gefährlich. Jemand könnte mich sehen, dachte das Alpha-Weibchen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie zitterte am ganzen Körper. Und was ist, wenn sich der Blutgestank im ganzen Lager verteilt, bevor es Morgen wird? Ich habe dann nicht genug Zeit um das Blut von meinen Pfoten zu waschen und sonstige Spuren zu vernichten. Fuchsdung, der Plan ist von vorne bis hinten schlecht durchdacht.

Der schlechte, relativ spontane Plan war jedoch nicht der einzige und auch nicht der ausschlaggebende Grund, warum Sturm zögerte. Ihr Gewissen brachte ihre Gefühle in einen kompletten Chaoszustand und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte sich auch mit keiner Katze beraten. Abgesehen davon, dass es dafür jetzt zu spät war, wollte sie die anderen nicht zu Mittwissern machen. Falls die Tat auffliegen würde, wäre sie die einzige Katze, die die Konsequenzen tragen müsste.

Ist meine Tat überhaupt gerechtfertigt, fragte sie sich schon zum tausendsten mal. Natürlich will ich nur das Beste für meine Katzen, aber wenn ich töte, bin ich nicht besser als Drache. Andererseits... Drache hat den Tod verdient, seine Opfer jedoch nicht. Fuchsdung, ich kann das nicht machen!

Mittlerweile war es Mondhoch, aber Sturm hatte sich immer noch nicht vom Fleck gerührt. Sie konnte es nicht mehr ertragen, wie der Alpha seine Katzen behandelte, aber sie wollte nicht zur Mörderin werden. Zur Mörderin ihres eigenen Gefährten.

Er ist ein Tyrann, redete sie sich ein. Wenn ich nichts mache, wird es nur noch schlimmer. Er wird eine Katze nach der anderen töten.

Von heftigen Gefühlen hin und her gerissen, erhob sich das Alpha-Weibchen schließlich auf die Pfoten. Angst lähmte ihre Muskeln und ihr Herz drohte zu zerspringen. Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie zitterte unkontrolliert am ganzen Körper. Eine Weile stand sie einfach da und starrte regungslos in die Ferne, dann hob sie langsam eine Pfote, um den ersten Schritt Richtung Draches Bau zu machen, ließ sie dann aber wieder sinken.

Ich kann das nicht, dachte sie verzweifelt. Ich kann nicht, aber ich muss!

Eine leichte Berührung an ihrer Flanke ließ die Kätzin heftig zusammenzucken. Erschrocken wirbelte sie herum und blickte direkt in ein gelbes und ein grünes Augenpaar.

WARRIOR CATS - Nahender SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt