2. Kapitel

45 7 17
                                    

Wellen rollten über das dunkle Wasser. Da, wo sie auf sandige Klippen trafen, brachen sie mit lautem Tosen und füllten die Luft mit tausenden winzigen Tropfen. Eine steife Brise jagte finstere Wolken über den Nachthimmel. Auf einer Klippe, hoch über dem Meer, saß Schimmernder Mond und beobachtete mit trübem Blick das Spiel der Wellen. Ihr hellgraues Fell hatte sie aufgestellt, um sich vor dem kühlen Nachtwind zu schützen.

«Wo seid ihr und warum schweigt ihr?», flüsterte sie immer wieder mit vor Verzweiflung bebender Stimme.
«Als meine Mutter starb, habe ich versprochen, dass ich euch immer vertrauen und meine Bestimmung erfüllen werde. Ich habe mein Versprechen gehalten, habe stets auf eure Zeichen gehört, aber ihr schweigt jetzt, zeigt mir nicht, was ich tun soll.»

Ein heftiger Windstoß zerzauste das Fell der hellgrauen Kätzin. Diese senkte ihren Kopf und seufzte. Ihr Gefährte Schnelles Feuer und Springender Fisch - er war ein weiterer Kater, der zu den Meereskatzen gehörte - hatten von ein paar Sonnenaufgängen eine größere Katzengruppe auf dem hügeligen Moor hinter der Sumpflandschaft entdeckt und heimlich beobachtet. Heute hatten sie ihr mitgeteilt, dass die Fremden nicht gerade die friedlichsten Katzen waren und sich anscheinend hier niedergelassen haben.

Was soll ich tun, fragte sich die Sternenkatze verzweifelt. Wenn sie von der Existenz der Meereskatzen erfahren, ist unser friedliches und ruhiges Leben vorbei. Wer weiß, wie weit sie ihr Territorium ausdehnen wollen und was sie mit uns machen werden, wenn sie uns eines Tages hier finden sollten. Als Sternenkatze ist es meine Aufgabe, die Katzen meiner Gruppe zu beschützen, aber meine Ratgeber, die Sterne, schicken mir einfach keine Visionen mehr.

Die blauäugige Kätzin ließ ihren Blick über den leeren Sandstrand und das immer stärker schäumende Meer schweifen. Ein Sturm nahte und die finsteren Wolken verdeckten die Sterne. Unten in der kleinen Bucht, die sich hervorragend für den Fischfang eignete, hockten Zarte Blüte und Spingender Fisch und tuschelten miteinander. Die Kätzin war die Schwester von Schimmernder Monds Gefährten und der schwarze Kater ihr guter Freund, beziehungsweise wahrscheinlich baldiger Gefährte. Zwei der Sternenkatze bekannte Gestalten liefen in sorglosem Trab über den Strand. Es waren ihre zwölf Monde alten Töchter Sanfte Welle und Goldener Sand. Bei dem friedlichen Anblick der beiden Kätzinnen wurde es der Anführerin warm ums Herz. Irgendwo hier war auch noch ihr Gefährte und Kreischende Möwe, eine ältere Kätzin, die ebenfalls zu den Meereskatzen gehörte.

«Es ist meine Aufgabe, diese ganzen Katzen vor den Streuner und anderen Gefahren zu beschützen», flüsterte Schimmernder Mond und blickte erneut zum Himmel hoch, der immer mehr von dunklen Wolken überzogen wurde. «Aber ihr schweigt genau jetzt, wo ich so große Sorgen und Probleme habe. Antwortet doch! Was habe ich falsch gemacht, dass ihr jetzt schweigt? Was? Sagt es mir! Bitte!»

Schweigen. Die Kätzin wimmerte leise voller Ratlosigkeit und Verzweiflung. Was konnte sie tun? Die Sterne ließen sie mit der Gefahr alleine. Ihre Mutter Sanfte Briese hatte den kalten Lichtpunkten hoch oben am dunklen Nachthimmel und ihren oft sehr seltsamen und verwirrenden Visionen stets vertraut und auch sie, ihre Tochter gelehrt, dasselbe zu tun, doch Schimmernder Mond fiel es sehr schwer, dies zu tun, vor allem jetzt, wo sie sich von ihren Ratgebern im Stich gelassen fühlte.

«Was hast du gerade gesagt, Liebling?», fragte plötzlich eine sanfte, warme Stimme hinter ihr. Erfreut schnurrend wandte sich die Sternenkatze um.

«Schnelles Feuer, was machst du den hier?, fragte sie ihren Gefährten. »Ich dachte, dass du bereits in der Schlafhöhle bist.» Der flammenfarbene Kater trat näher und schmiegte sich an die verzweifelte Kätzin. Seine grünen Augen leuchteten besorgt und liebevoll in der Dunkelheit.

«Ich wollte nach dem Rechten sehen. Was machst du hier? Du solltest dich auch so langsam Richtung Schlafhöhle bewegen. Die Sterne sieht man diese Nacht sowieso nicht. Was starrst du da so intensiv an?»

WARRIOR CATS - Nahender SturmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt