6. Kapitel

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Silberkralle lief durch das Lager. Sie war auf der Suche nach Fleckenfuß. Schließlich fand sie den Krieger aufgeregt tuschelnd mit Rindenblatt. „Ich kann nicht fassen, dass er so etwas von uns verlangt!", miaute Rindenblatt gerade. „Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich tun soll. Wenn es zu brenzlig wird, dann flüchte ich lieber." Silberkralle war froh, dass Fleckenfuß so dachte. Sie näherte sich den beiden. „Fleckenfuß, ich möchte gerne kurz mit die sprechen." Sie bemühte sich, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Der Kater stand auf. „Na klar, was gibt's?" Sie entfernten sich von den anderen Katzen in der Lagerhöhle. „Als ich in das Lager des SonnenClans geguckt habe, habe ich nicht nur die Schwachstelle entdeckt", fing sie an. „Ach ja! Danach wollte ich dich noch fragen. Warum hast du eigentlich so gezittert?" „Nicht so laut!" Silberkralle sah sich um. Niemand schien sie bemerkt zu haben. Sie wandte sich wieder an Fleckenfuß. „Das wollte ich dir gerade erzählen. Ich bin mir nämlich ganz sicher, dass ich... dass ich Mondjunges gesehen habe." „Was?! Ich hab gedacht, sie wäre für immer weg! Warum bist du dir da so sicher?" „Ich habe sie an der Narbe an ihrem Bein erkannt. Und sie heißt mittlerweile Mondkralle." Der junge Krieger sah sie ungläubig an. Dann zitterte er. „Was passiert, wenn wir heute Nacht gegen sie kämpfen müssen?", fragte er mit heiserer Stimme. „Ich weiß es nicht", gab Silberkralle zu. „Ich dachte nur, du solltest es wissen. Immerhin ward ihr damals die besten Freunde." Immer noch entsetzt nickte der Kater langsam. Dann flüsterte er:„ Danke." Er ging an ihr vorbei und setzte sich wieder neben Rindenblatt. Diese betrachtete ihn besorgt, sagte jedoch nichts.

Es war Mondhoch. Na großartig, dachte Silberkralle. Jetzt müssen wir los. Und ich mache mir immer noch Sorgen wegen Mondkralle. Flockenstern trat vor seine Krieger. „Sind alle bereit?", fragte er. Die Katzen tuschelten aufgeregt miteinander. „Sind alle bereit?", wiederholte der Anführer etwas lauter. Silberkralle antwortete für ihren Clan:„ Ja." „Schön. Dann machen wir uns jetzt auf den Weg." Sie verließen das Lager. Silberkralle wurde immer mulmiger zumute. Viel zu schnell erreichten sie den Wald. Dann standen sie bereits vor dem Lager. „Gut. Kennt jeder den Plan?", fragte Flockenstern. Er hatte ihnen vorher alles gründlich erklärt. Zustimmendes murmeln kam von den Katzen. Sie waren zu aufgeregt, um viel zu sprechen. „Na dann los." Der Anführer drehte sich um und kroch voran durch das Loch im Dornenwall. Silberkralle folgte ihm schweigend. Sie schlichen zum Eingang des Kriegerbaus. Als sich alle Katzen aufgestellt hatten guckten sie sich um. Sie hatten Glück. Die einzige Katze auf der Lichtung musste die Wache sein. Der Kater hatte den Blick stur auf den Haupteingang gerichtet. Sonst sahen sie niemanden. Und dann gab Flockenstern das Zeichen zum Angriff. Die Krieger stürmten in das Innere des Baus. Sofort brach Kampfgeschrei aus. Fauchende Katzen tummelten sich in dem engen Raum: Dann stürmten die ersten nach draußen. Doch da warteten die anderen schon auf sie und zerkratzten ihnen die Pelze. Zu ihrem Glück hatte die Katze in der Mitte der Lichtung nicht rechtzeitig reagieren können. Nun kamen von den Seiten einige kleinere Katzen herangestürmt – die Schüler. Aus einer weiteren Höhle kam Sonnenstern, die SonnenClan-Anführerin gesprintet und stürzte sich ins Gefecht. Doch mehr bekam Silberkralle nicht mit. Krallen bohrten sich in ihre Schulter. An den Streifen des Katers erkannte sie Tigerschweif. Sie wand sich unter seinem Gewicht, konnte sich jedoch nicht befreien. Sie schaffte es jedoch, sich auf den Rücken zu drehen. Damit gab sie zwar ihren Bauch frei, trommelte aber auch mit den Hinterpfoten auf den Bauch ihres Gegners. Der Kater ließ sie los um sich zu sammeln, aber nicht schnell genug. Silberkralle sprang in die Luft und landete hinter ihm. Tigerschweif konnte sich nicht rechtzeitig umdrehen und die Zweite Anführerin stieß ihn mit den Hinterbeinen von sich weg. Sie sah sich um. Überall um sie herum waren kämpfende und kreischende Katzen. Dann entdeckte sie Nachtschweif mit der Kriegerin Fuchsherz ringen. Sofort sprang sie ihrer Freundin zu Hilfe. Mit den Krallen fuhr sie durch Fuchsherz rotes Fell. Die Kätzin jaulte auf vor Schmerz. Das gab Nachtschweif genug Zeit um sie abzuschütteln. Für mehr als ein „Danke!", hatte sie allerdings keine Zeit, denn schon stürzten sich zwei Schüler auf sie. Fuchsherz hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und schnappte nach Silberkralles Schwanz. Diese fuhr ihr daraufhin über die Schnauze. Erneut taumelte ihre Feindin zurück. Das nutzte Silberkralle und sprang auf ihren Rücken. Dann biss sie ihr kräftig in die Schulter. Plötzlich zerrte sie etwas zurück. Wütend wollte sich Silberkralle auf die Katze stürzen, die sie angegriffen hatte – doch dann stockte sie. Vor ihr stand eine cremefarbene Kätzin. Dunkle Ohren, dunkle Pfoten, ein dunkler peitschender Schwanz und leuchtend blaue Augen. Wutentbrannt starrte Mondkralle sie an. „Worauf wartest du?", fragte sie herausfordernd. „Ich werde nicht gegen dich kämpfen." Silberkralle bemühte sich, ruhig zu bleiben. „Was redest du da?" Ihre Tochter schien verblüfft. „Ich werde nicht gegen dich kämpfen!", miaute die EisClan-Kriegerin entschlossen. Doch zu ihrem Entsetzen sprang Mondkralle. Sie stemmte ihre Pfoten gegen Silberkralles Brust, doch diese rührte sich nicht. Sie blickte nur in die Augen der Katze über ihr. „Wehr dich endlich, Eindringling!", zischte Mondkralle. „Nein!" Silberkralle blieb ruhig. „Warum nicht? Bist du zu feige?" Die Situation wurde immer gefährlicher. Die Schreie um sie herum wurden lauter und die Augen ihrer Tochter waren so hasserfüllt, dass sie Angst bekam. Plötzlich hörte sie neben sich Flockenstern laut aufjaulen. Alle kämpfenden Katzen drehten sich um und hörten auf zu kämpfen, als er zu Boden fiel. Er zitterte, sein Pelz war dunkelrot. Eine schwarze Katze stand über ihm. „Verschwinde!", rief sie so laut, dass es sicher die Katzen im EisClan-Lager gehört haben mussten. Dann sprach der verwundete Anführer:„ Ich weiß, was du vorhast, Nachtherz. Und ich bin bereit zu sterben, um meinen Clan zu verteidigen." Nachtherz schnaubte. „Wie du willst!", knurrte sie und tat einen gewaltigen Satz. Sie landete auf Flockensterns Rücken und biss kräftig in seinen Nacken. „Nein!", jaulte Silberkralle und wollte sich auf die Verräterin stürzen. Doch eine goldene Kätzin kam ihr zuvor. Sie stieß Nachtherz von dem flach atmenden Kater und erhob die Stimme. „Keine Katze wird getötet, um einen Kampf zu gewinnen! Das sagt das Gesetz der Krieger. Was meint diese Katze damit? Was hast du vor?" Silberkralle war beeindruckt von der anmutigen und ruhigen Stimme von Sonnenstern, der Anführerin des SonnenClans. Nachtherz starrte sie ungläubig an. „Ich weiß nicht, was er damit meint. Ich werde dem SonnenClan immer treu bleiben." Silberkralle entging nicht, dass einige Katzen sich fragende Blicke zuwarfen. Dass sie es wagt, ihre Anführerin derartig zu täuschen! Doch keine Katze sagte etwas. Sonnenstern schien keine Ahnung von der schrecklichen Verschwörung zu haben, die in ihrem Clan Gestalt annahm. Wie viele Krieger hat diese Katze in ihrer Gewalt?, fragte sich Silberkralle. Keiner der Krieger machte Anstalten zu protestieren. Wahrscheinlich hatten sie zu viel Angst. Ein kleiner grauer Kater schlängelte sich durch die Katzenmenge. Er beugte sich über Flockenstern. Silberkralle wollte schon Anstalten machen, ihren Anführer zu verteidigen, als sich die Katze auch schon wieder aufrichtete. „Er ist schwer verletzt, aber noch am Leben", miaute er. Der Zweiten Anführerin fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Dann muss das also Graufeder sein, der SonnenClan-Heiler. Aber außer Gefahr ist Flockenstern noch nicht. Er hat viele Wunden. „Danke, Graufeder", bedankte sich Sonnenstern über die Auskunft ihres Heilers. Dieser neigte den Kopf und zog sich zurück. Dann wandte sich die Anführerin an die EisClan-Krieger. „Was habt ihr in unserem Lager zu suchen? Wo kommt ihr her?" Silberkralle trat vor. Ihr Herz pochte, sie versuchte jedoch, Ruhe zu bewahren. „Woher wir kommen und wer wir sind muss dich nicht interessieren. Jedoch haben wir erfahren", sie warf Nachtherz einen beunruhigten Blick zu, „dass Katzen aus deinem Clan sich, sowohl gegen dich als auch gegen uns, verschworen haben." Aufgeregtes Getuschel brach in der Katzenmenge aus. Doch Sonnenstern hob den Schwanz und rief: „Ruhe! Woher hast du diese Information und was fällt dir ein, meine Krieger des Hochverrats anzuklagen?!" Nun verlor sogar sie die Geduld. Die Anführerin schien sichtlich beunruhigt. „Wir haben ein Gespräch mit angehört und euer Lager zu unserer eigenen Sicherheit überfallen. So war jedenfalls der Befehl unseres Anführers", fügte sie zögernd hinzu. „Nun denn. Verlasst unser Territorium. Sofort!" Silberkralle trat vor und packte Flockenstern im Genick. Mit dem Schwanz gab sie ein Zeichen und der Rest des Clans folgte ihr hinaus. Sie war überrascht, dass Sonnenstern sie so einfach gehen ließ. Ihr war bewusst, dass alle Blicke auf ihr ruhten, als sie durch das Loch hinter dem Kriegerbau hinaus schlüpfte.

Die Abenteuer des EisClans: Ruf der BergeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt