Mondflüstern - Die Legende der Wölfe

Erste Begegnungen

Seltsamerweise war die Wohnung, in der sich mein Zimmer befand, kein Häuschen inmitten von Grün, sondern eine kleine Tür inmitten von vielen anderen kleinen Türen.

Das Einzige, was diese voneinander unterschied, waren die goldenen Schildchen darauf.

Keine Nummern zierten diese, sondern Wörter.

Wir kamen an 'Baumallee', 'Sternschnuppe', 'Feuerflamme' und 'Teufelsschwinge' vorbei, sodass mir das alles hier immer mehr gefiel.

Bryan - auch als Berg bekannt - schob mich durch Korridore und Flure, ohne ein Wort zu sagen. Das einzige, was mich ein wenig einschüchterte, war das verschwörerische Grinsen auf seinem Gesicht.

Als wir durch den gefühlt hundertsten Flur gelaufen waren fing ich an, Lärmfetzen zu erhaschen.

Je näher wir unserem Ziel kamen, desto lauter wurde es.

Ein letztes Mal abgebogen schwoll der Lärm an, dann liefen wir auf eine große Flügeltür zu.

Wie in der Highschool standen überall in einem riesigen Raum Tische verteilt. Auf der anderen Seite des Raumes lag die Essensausgabe, an der einige Schüler anstanden.

Was mich aber vor allem traf, waren die Personen hier.

Mal ganz davon abgesehen, dass es nach einem kurzen Rundum-Blick kein Lehrer zu erkennen gab, waren alle, ausnahmslos alle Schüler riesig. Berg war fast klein im Gegensatz zu einigen anderen Muskelprotzen!

Ohne Gnade schob dieser mich jedoch weiter, in Richtung Essensausgabe.

Dann hielt er mich an den Schultern fest, damit ich stehen blieb, und drehte mich zu der vollen Menschenmasse.

Einige Blicke lagen neugierig auf mir, sodass ich schnell den Kopf senkte, um meine roten Backen zu verbergen.

"Pass auf!", murmelte Berg an meinem Ohr und zog mich ruckartig unter seinen Arm, sodass mein Kopf eingeklemmt war.

Ich schnappte nach Luft. Was tat er da?!

Und dann verstrubbelte er mit der Faust meine Haare.

Was zum...?

Ich wollte fast anfangen zu knurren, als mir meine Haare wirr vors Gesicht hingen, hielt mich jedoch zurück.

"Bryan!", zischte ich entrüstet.

Doch er hörte nicht auf. Ich hörte belustigtes Kichern ein paar Tische weiter.

"Dürfte ich um eure Aufmerksamkeit bitten?", brüllte Berg dann durch den ganzen Saal. Augenblicklich hörte ich auf, mich zu wehren.

Das durfte doch nicht wahr sein! Ich dachte, Bryan wäre mein Freund!

Als der ganze Saal plötzlich die Gespräche unterbrach, packte mich die Verzweiflung. Ängstlich klammerte ich mich an Bergs Arm, den er nun beiseite genommen hatte.

Natürlich hatte et mich aber nicht losgelassen! Sein Arm lag locker doch bestimmt um meine Schulter und hinderte mich am Abhauen.

"Wenn ich vorstellen darf: Das ist die Neue, Caitlyn!"

Viele Tische brachen in Kichern oder Lachen aus. Nicht weit entfernt hörte ich jemanden "Keine Sorge, das macht er immer.", sagen.

Ich seufzte ergeben und strich mir die braunen Haare aus dem Gesicht, um nicht vollkommen vertrottelt darzustehen.

War das hier so etwas wie ein Aufnahmeritual?

Mein Blick fiel auf einen schwarzhaarigen Jungen, der mich grimmig musterte.