Entscheidungen

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Als ich wieder zu mir kam wusste ich noch ziemlich genau, was passiert war. Ich spürte das Bett unter meinem Körper, die Decke, die über mich ausgebreitet worden war, und eine Hand, die meine Linke sachte umklammert hielt und mit dem Daumen darüberstreichelte.

Auch wenn ich irgendwie wusste, dass es Ash sein musste, war ich dennoch neugierig. Was, wenn es mein Vater war? Oder Bryan? Oder jemand anderes?

Es war merkwürdig. Ich hatte schon wieder Zeit an dieser neuen Schule durch Schlafen verschwendet - und richtig viele Freunde hatte ich auch nicht, dabei war ich normalerweise ein sehr aktiver Mensch was seinen sozialen Freundeskreis anging.

Ich atmete ruhig weiter, noch in den Fesseln des tiefen Schlafes, und ging meinen Gedanken nach. Was mich vor allem beschäftigte war ich selbst - ich und meine Entscheidungen.

Wieso?

Wieso hatte ich zugelassen, dass Dean mich küsste?

Ich konnte vieles vermuten, aber irgendwie spielte alles eine Rolle. Mein Verlangen danach, sich in dieser so plötzlich neuen und fremden Umgebung beschützt zu fühlen.

Mein Wunsch, Ash eins auszuwischen, weil ich auf so unglaublich irrationale Weise eifersüchtig auf dieses Mädchen war - und seine noch unlogischere Reaktion, Dean danach zu verprügeln.

Ob es ihm gut ging?

Ich hoffte es.

"Ich weiß, dass du wach bist, Schönheit", murmelte Ashs Stimme und zog mich aus dem Halbschlaf, in den ich wieder gefallen war. Der Daumen hörte nicht auf, meinen Handrücken zu streicheln und kleine Blitze meinen Arm hinauf zu senden.

Ich rührte mich nicht. Woher sollte er denn wissen, dass ich wach war?

"Ich kann die Präsenz deiner wandernden Gedanken spüren", flüsterte er dann.

Gypsy, schoss es mir sofort durch den Kopf. Ob er meine Gedanken hören konnte? Better try.

Ash!

Er gluckste. "Falls du gerade ausprobierst, ob ich sie auch lesen kann, kann ich dir beruhigt sagen, dass es nicht so ist. Aber wenn du nach mir schreist ist es etwas ganz anderes."

Ich öffnete meine Augen blinzelnd und war froh über die zwielichtige Dunkelheit, die über dem Raum lag - meinen Raum, um genau zu sein, wir waren in meinem Zimmer.

Ich drehte meinen Kopf nach links und musterte Ash, der auf dem Schreibtischstuhl neben meinem Bett saß und meine Hand hielt.

Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, aber es verschwand langsam, während ich ihn eingehend betrachtete.

Also kannst du hören, wenn ich etwas denke, das an dich gerichtet ist?

Nur wenn es dein Wille ist, es auch wirklich an mich zu richten.

Ich blinzelte überrascht. Er hatte seine Lippen nicht bewegt, aber ich hatte trotzdem seine Stimme gehört.

Telepathie also. Eine Ausweitung der Rudelkommunikation auf die menschliche Form?

"Wie funktioniert das?", fragte ich träge und merkte, wie rau meine Stimme war. Ich sah bestimmt wie der letzte Dreck aus.

Das Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. "Ich kann jederzeit jedem meine Gedanken zukommen lassen... und sie auf Wunsch von jeder Person empfangen. Und ihre Gedankenauren sehen - ob sie aktiv sind, ob sie träumen oder ob sie etwas stark beschäftigt."

"So etwas wie die angenehmere Art des Gedankenlesens?", erwiderte ich trocken, daran denkend, wie schlimm es für einen Gedankenleser eigentlich sein müsste. Er lachte leise.
"Ja, so ähnlich. Das entwickelt sich in den hohen Positionen. Es ist wichtig für das Rudel."

Mondflüstern - Die Legende der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt