Die Flügel eines Dämons

Das blutrote Kleid

 ~Kapitel 6~

Als ich die Tür zu meinem alten Zimmer öffnete, blieb mir für einen Moment die Luft weg. Der Raum war fast leergeräumt, als hätte seit meinem Verschwinden niemand das Zimmer je wieder betreten. Auf dem Boden zeichneten sich meine Schritte in dicken Staubschichten ab und in der Luft hing ein schwebender Nebel aus Staubpartikeln. Ich griff nach dem Lichtschalter, doch die Glühbirne war längst durchgebrannt und nur ein schwacher Lichtschimmer drang durch das Fenster.

Mein Blick fiel auf das Bett, das noch immer neben dem großen Fenster stand, wie damals. Als ich mich darauf sinken ließ, wirbelte der Staub in dichten Wolken auf und ich begann sofort husten.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Diese neue Frau an Vaters Seite hatte jeden Raum im Haus auf Hochglanz gebracht – außer meinem. Es war, als läge ein Fluch auf diesem Zimmer, als ob es absichtlich in Staub gehüllt worden war, um mich spüren zu lassen, dass mich kein bisschen vermisst hatte.

Ich schloss die Tür hinter mir und stellte mich vor mein Bett, wo ich die Decke ausschüttelte, bis eine noch dickere Staubwolke in die Luft stieg und mir das Atmen immer schwerer fiel.
Hustend riss ich das Fenster auf und die kalte Luft wehte hinein. Der Blick hinaus zeigte mir nach drei langen Jahren erneut das eiserne Gitter, das mein Vater damals vor dem Fenster anbringen ließ, um meine Flucht zu verhindern. Als ob ein paar rostige Metallstäbe genügen könnten, um die stärkste Lilith ihrer Zeit einzusperren.
Draußen schimmerte ein lilaner und schwarzer Nebel zwischen den Baumkronen und zog sich wie ein magischer Wall um das Anwesen. Es dämmerte es mir, warum Dämonen mich hier nicht aufspüren konnten, und warum der Dämon ohne Flügel meinte, dass ich hier sicher sein würde – diese Barriere wurde durch die vereinte Magie von einer Lilith und einem Dämon beschworen.
Es war eine Art Schutzzauber.
War es der Dämon, der mich hergebracht hatte? Hatte er zusammen mit dieser neuen Frau meines Vaters die schützende Barriere errichtet?
Doch während ich spürte, dass die Magie stark war, bemerkte ich auch Schwachstellen. Es gab kleine Risse in der Struktur, aber offensichtlich reichte es dennoch aus, um andere Dämonen fernzuhalten, die mich aufspüren hätten können.

Ich wandte mich vom Fenster ab und der Raum schien sich immer mehr in Dunkelheit zu hüllen, je länger ich darin stand. Die dicke Staubschicht dämpfte das ohnehin spärliche Licht und schien meine Gedanken nach und nach zu ersticken, als würden sie in der staubigen Stille ertrinken.
Plötzlich klopfte es an der Tür und zuckte erschrocken zusammen, doch ich sagte nichts.
Ich war sprachlos – und das lag nicht nur am Staub, der in meiner Lunge brannte. Die Tür öffnete sich und die Verlith trat mit eleganten Schritten ein. In ihren Händen trug sie eine schlichte, rote Box, die mich etwas irritierte.

»Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt ...«, begann sie sanft, doch es lag etwas Kaltes in ihrem Tonfall.
»Mein Name ist Nacia. Ich bin die neue Frau deines Vaters.«
Ich knurrte nur leise und hielt meinen Blick starr auf das Gitter vor dem Fenster gerichtet.
Dass ich sie ignorierte, schien sie zu stören – das leichte Zucken in ihrem Lächeln verriet es. Ihre Miene verfinsterte sich und sie trat nun mit einem schwereren, beinahe bedrohlichen Schritt näher.
»Hör zu!«, begann sie mit scharfem Unterton.
»Ich erwarte, dass du in diesem Haus das tust, was man dir sagt. Du hast deinem Vater sehr viel Leid zugefügt, Clio, das wird dir klar sein. Das wirst du ihm niemals wiedergutmachen können.«
»Leid? LEID? Ihr habt ja keine Ahnung, wovon Ihr da sprecht!«, fauchte ich, ohne meine Wut zu zügeln.
»Er hat mir Dinge angetan, die unverzeihlich sind, und Ihr redet da von seinem Leid?«
Meine Magie begann unkontrolliert gegen meine Venen zu schlagen und die Wände schienen leicht zu zittern. Ein Hauch von Angst in flammte in Nacias Augen auf – doch nur für ein kurzen Moment. Sie blinzelte, drängte die Furcht nieder und trat noch einen Schritt auf mich zu, unbeeindruckt von der tobenden Magie, die die Wände beben ließ.