Vor langer Zeit, als ich noch lieben konnte......
Als ich aufwachte, hatte ich mich vergessen. Ich wusste nicht mehr, wie ich hieß oder wie alt ich war. Ich wusste nicht, wie ich aussah oder wer meine Familie war. Ich wusste nichts mehr, nur, dass ich überleben musste.
...
Ich erzählte dir so viel. Von Ängsten und Wünschen, vom Lachen und Weinen. Ich erzählte dir von Farben, von Sternen in mir drin. Doch das Wichtigste, das Schlimmste erzählte ich dir nie.
Heute glaube ich, du wusstest es schon immer....
Vor langer langer Zeit, da waren mein Körper und ich Freunde. Ein Team. Jeden Tag atmete und kämpfte er für mich, tat hunderte Dinge, die ich nicht einmal bemerkte, doch die mich am Leben erhielten. Alles was er tat, tat er, damit ich leben konnte.
Ich sorgte währenddessen dafür, dass es ihm gut ging, dass er schlief und aß und sich bewegte. So lebten wir einige Jahre, waren ein Team, waren Freunde und das Leben war schön.
Dann irgendwann wurde ich älter und plötzlich ging es nicht mehr nur um mich und meinen Körper, plötzlich ging es um das Außen, um die Welt. Diese neue aufregende Welt, deren Regeln ich noch nicht kannte. Deswegen bemühte ich mich zu lernen, was in ihr wichtig war.
Ich lernte, dass es wichtig war, schön zu sein. Zu funktionieren. Zu leisten. Sich anzupassen. So zu sein, wie die anderen, wie der Durchschnitt, nicht zu wenig und nicht zu viel, nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu dick, nicht zu dünn.
Und ich vergaß, dass mein Körper und ich eigentlich Freunde waren, ein Team, das funktionierte, genau so, wie es war.
Ich sah meinen Körper an und ich mochte ihn nicht mehr. Mochte nicht, wie er aussah, wie er sich bewegte. Es war egal, dass er es war, der dafür sorgte, dass ich laufen und springen, lachen und spüren, am Leben sein konnte, denn ich entdeckte die Fehler, die er dabei hatte. Er lief zu langsam, sprang nicht hoch genug lachte zu laut und spürte zu viel.
Deshalb wandte ich mich gegen ihn.
Plötzlich war jeder Tag ein Kampf. Ein Kampf zwischen mir und meinem Körper. Ich quälte ihn mit den immer gleichen Gedankenkreisen in denen ich ihm sagte, wie sehr ich ihn hasste. Ich tat ihm weh, auf allen erdenklichen Weisen. Ich aß zu wenig, bewegte mich zu wenig, schlief zu wenig und verlangte die gleiche Leistung. War wütend auf ihn, wenn er müde oder erschöpft war, mir sagte, dass er nicht mehr konnte. Dann aß ich zu viel, bewegte mich zu viel, so viel, bis alles weh tat und weiter. Er sagte mir auf seine Weise, dass ich aufhören sollte. Seine Weise war Schmerz. Waren Krankheiten genau dann, wann ich sie am wenigsten gebrauchen konnte. Und ich wurde wütender und wütender, fügte mir selbst Schmerz zu, wollte, dass mein Körper mir gehorchte. Doch er gehorchte mir nicht. Er blockte ab, traute mir nicht mehr, hörte auf zu funktionieren, entwickelte alle möglichen seltsamen Fehler und jeder davon schrie: Hör auf! Du tust uns weh.
Das war die Zeit in der ich lernte, dass man den Kampf gegen den eigenen Körper niemals gewinnen kann. Man kann nur zusammen verlieren.
Ganz langsam keimte in mir der Gedanke auf, dass die Welt gelogen hatte, mit dem, was wichtig war. Dass es vielleicht um ganz andere Dinge ging.
Es dauerte lange, doch irgendwann bot ich meinem Körper den Frieden an. Er war misstrauisch, immer noch verletzt und schwach, doch er willigte ein.
Seit dem ist jeder Tag ein bisschen Heilen, heilen von den Lügen der Welt, die ich geglaubt hatte.
Und vielleicht, irgendwann, können wir ja wieder Freunde sein, mein Körper und ich.
Ich wünsche es mir jedenfalls.
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Inspiration
RandomWenn Inspiration eine Farbe hätte, dann wäre sie Lila. Oder es wären ganz viele bunte Farbenschlieren, die sich ineinander verwirren und zu dir finden, wenn du nur lange genug darauf wartest. Hier Schreibe ich alles mögliche rein, das ich inspirier...