„Du sag mal, Miri, läuft da eigentlich etwas zwischen dir und Juri?", ich verschluckte mich an meiner Cola und sah meine beste Freundin entsetzt an. Während ich vor mich hin hustete, schlug sie mir mehrfach kräftig auf den Rücken. Die Tränen standen mir bereits in den Augen. Mit dieser Frage hatte sie mich ganz schön überrumpelt.
„Alles in Ordnung?", wollte sie von mir wissen und warf mir einen mitleidigen Blick zu.
„Geht wieder. Aber wie kommst du denn jetzt darauf?", verständnislos sah ich sie an. In ihrem Gesicht konnte ich Unsicherheit erkennen und fragte mich sogleich, was es damit auf sich hatte.
„Naja, ihr schaut euch immer so an", stammelte sie.
„So?", hakte ich nach. Das war mir noch nie aufgefallen. Bekam sie denn überhaupt nicht mit, dass wir uns fast ständig stritten und noch nie etwas Positives über den jeweils anderen gesagt hatten?
„So verliebt", ihre Stimme wurde zum Ende hin immer höher.
„Verliebt? Ist das ein Witz? Niemals könnte ich mich in so jemanden verlieben. Außerdem ist Juri überhaupt nicht mein Typ", den letzten Teil schob ich schnell hinterher. Hoffentlich hatte ich ihr nun die Information gegeben, an die sie mithilfe dieser Frage rankommen wollte. Unter keinen Umständen würde ich Juri verliebt ansehen und er mich erst recht nicht. Dieser Möchtegern-Profi hatte ohnehin schon ein viel zu großes Ego. Jede Frau an seiner Seite würde mir eher leidtun als das ich neidisch auf diese sein würde.
„Ich steh nicht so auf arrogante Arschlöcher", legte ich noch eine Schippe drauf. Fragend hob sie eine Augenbraue.
„Ich weiß gar nicht was du hast, er ist doch furchtbar nett", verständnislos hob sie die Hände.
„Furchtbar. Nur furchtbar", korrigierte ich sie.
„Also würde es dir nichts ausmachen, wenn ich... Naja du weißt schon", sie presste abwartend die Lippen aufeinander.
„Wenn du dein Glück bei ihm versuchst?", vervollständigte ich ihren Satz, „Da fragst du wirklich die Falsche. Ich bin die letzte, die dir da irgendwas vorschreiben kann. Wenn du ihn magst, go for it. Aber wenn es nicht funktioniert brauchst du dich nicht bei mir ausheulen."
„Eigentlich bin ich gerade nicht auf eine Beziehung aus, aber etwas lockeres...", sie brauchte ihren Satz gar nicht zu beenden, damit ich verstand, dass sie bloß ein bisschen Spaß mit Juri haben wollte. Den konnte sie haben. Trotzdem machte ich mir Sorgen, dass sie sich wohlmöglich in Juri verliebt haben könnte. Mein Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen. Sie war meine beste Freundin, ich wollte nicht, dass er ihr weh tat. Wäre es besser gewesen, wenn ich ihr davon abgeraten hätte?
„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich will ihn nicht", bestärkte ich meine zuvor getätigte Aussage. Sie lächelte mich kurz an.
„Tut mir leid, ich muss jetzt los, die Uni ruft, aber gut, dass wir darüber gesprochen haben", verabschiedete sie sich dann plötzlich, schnappte sich einen Apfel aus der Obstschale und verschwand. Irritiert blickte ich ihr nach. Was war das denn für eine seltsame Reaktion? Und wie war sie überhaupt darauf gekommen, dass ausgerechnet zwischen Juri und mir etwas lief? Meine Gedanken schweiften zum Handballer. Vor knapp drei Stunden war er zum Training aufgebrochen. Ich konnte es nicht verhindern, dass in meinem Kopf Bilder auftauchten. Bilder von Frauen, die sein Typ sein könnten. Frauen, die rein gar nichts mit mir gemeinsam hatten. Bestimmt passte Frederike genau in sein Beuteschema. Nicht ohne Grund bezeichnete ich sie manchmal aus Spaß als Barbie. Sie sah tatsächlich so aus, als wäre sie aus einem dieser Filme ausgebrochen. Und das war kein bisschen negativ gemeint. Meine beste Freundin war wohl möglich die hübscheste Frau die ich kannte. Und trotzdem tat die Vorstellung weh, dass Juri genau auf solche Frauen aus war. Heftig schüttelte ich den Kopf. Es ging mich überhaupt nichts an, was Juri mochte oder eben nicht. Eigentlich interessierte es mich auch kein bisschen. Ich fand keine Erklärung dafür, warum ich ausgerechnet jetzt über sowas nachdachte. Um mich von meinen Gedanken abzulenken schnappte ich mir meine inzwischen leere Müslischale und räumte diese in den Geschirrspüler.
Heute war einer der wenigen Tage, an denen ich die WG - zumindest für ein paar Stunden - für mich allein hatte. Denn auch Luke war bereits heute morgen aufgebrochen zur Uni. Ich fischte mein Handy vom Küchentisch und startete meine Playlist auf Spotify. Der Haushalt machte sich schließlich nicht von allein. Mehr tanzend als putzend bewegte ich mich durch die Wohnung. Seit ich wieder mit dem Ballett angefangen hatte, konnte ich es mir nicht mehr vorstellen, damit aufzuhören. Irgendwie hatte ich es geschafft, meine Liebe fürs Tanzen zurück zu gewinnen. Insgeheim war ich meiner Mutter dankbar, dass sie mir diese Sportart nahegelegt hatte. Und seit ich verstanden hatte, dass man sich nicht runterhungern musste, um Erfolge zu erzielen - um tanzen zu können - hatte ich auch den Spaß wieder gefunden. Jetzt hatte ich keine Konkurrenz mehr. Ich gegen ich. Das einzige Ziel war es, einen Fortschritt erkennen zu können. Mit dem Staubwedel bewaffnet tanzte ich mir die Seele aus dem Leib und säuberte zugleich die Wohnung, die es dringend nötig hatte, dass mal wieder jemand staubwischte. Leider gehörte Juri auch nicht unbedingt zur ordentlichen Sorte, aber immerhin wusch er seine Wäsche von allein, ohne, dass wir ihn dazu auffordern mussten. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich den großen Wohnraum mitsamt Küche abgestaubt hatte. Dadurch, dass wir so viele Schränke hatten, gab es auch unglaublich viele Ablagen, die Freddi mit unzähligen Deko-Stücken vollgestellt hatte. Sogar Fotos hatte sie ausgedruckte, gerahmt und aufgehangen - mit Lukes Hilfe natürlich, einen Nagel in die Wand zu schlagen gehörte nicht gerade zu ihren Talenten, zu meinen allerdings auch nicht. Manchmal wunderte ich mich, wie sie so viel Geld übrighatte, um das alles zu bezahlen. Zwischendurch sang ich Lautstark mit, während ich den Boden nass aufzog. Hoffentlich lag in den nächsten Tagen keine Verwarnung wegen Ruhestörung im Briefkasten. Leider war die Musik so laut, dass ich die Wohnungstür nicht ins Schloss fallen hörte. Ich kreischte auf, als ich plötzlich Juri gegenüberstand. Wie lange war er schon hier? Von meinen peinlichen Gesangseinlagen hatte er doch hoffentlich nichts mitbekommen. In meinem Bewegungsdrang wäre ich beinahe in ihn hineingelaufen. Meine Augen waren weit aufgerissen, während Juri mich bloß frech angrinste. Wie peinlich. Schnell stoppte ich die Musik.
„Was genau soll das werden, wenn es fertig ist?", brachte der Handballer hervor, sobald es möglich war, sich in Zimmerlautstärke zu unterhalten. Noch immer peinlich berührt suchte ich nach einer Antwort.
„Irgendwer muss ja putzen, wenn ihr es nicht tut", entgegnete ich eine Spur patziger als ich es geplant hatte. Er hob die Augenbrauen.
„Das ist deine Art zu putzen?", zog er mich auf. Ich warf ihm einen abschätzigen Blick zu.
„Hast du nicht irgendwas Besseres zu tun als mir auf die Nerven zu gehen?", brachte ich stöhnend hervor. Wenn er mir schon nicht helfen würde, brauchte er mich auch nicht dabei zu beobachten, wie ich die Wohnung putzte. Vor allem nicht, weil daran rein gar nichts attraktiv war. In Gedanken verzog ich das Gesicht.
„Bestimmt, aber es macht doch gerade so Spaß", entgegnete er mit dem dämlichsten Grinsen auf dem Gesicht, dass ich jemals gesehen hatte.
„Meine Faust in deinem Gesicht fängt auch so langsam an, mir Spaß zu machen", ließ ich ihn wissen und sah ihn unbeeindruckt an.
„Schon gut, ich bin ja schon weg", er verdrehte die Augen und wollte gerade in seinem Zimmer verschwinden, als ich seine Schuhe neben dem Regal entdeckte.
„Juri! Kannst du deine Schuhe nicht wenigstens ein einziges Mal aufräumen?", rief ich ihm verzweifelt hinter her. Er atmete hörbar aus, drehte sich dann um und platzierte seine Schuhe neben meinen auf dem Regal.
„So besser?", wollte er wissen.
„Danke", ich verdrehte die Augen. Dieses Mal war ich diejenige, die wortlos an ihm vorbeilief und in ihrem Zimmer verschwand. Ich spürte seinen Blick auf mir, bevor ich die Tür hinter mir schloss. Ich ließ mich gegen die Tür fallen und atmete tief durch. Dann warf ich einen Blick auf die Uhr und suchte panisch meine Trainingskleidung zusammen. Offenbar musste ich heute das Auto nehmen, um noch rechtzeitig zu meinem Kurs zu erscheinen. Ich schlüpfte in einen schwarzen Body, zog einen roten Wickelrock darüber und schloss dann den Reisverschluss meiner schwarzen Trainingsjacke. Eigentlich wollte ich heute etwas anderes tragen, allerdings hatte ich keine Zeit, danach zu suchen. Ich kämmte die Haare zurück und band sie zu einem festen Dutt. Dann schnappte ich mir die Sporttasche und lief mit hektischen Schritten zur Wohnungstür.
Nach dem Kakteen-Bild darf natürlich auch Miriam ihre Meinung zu Juri abgeben ;)
Lasst gerne ein Sternchen & ein Kommentar da, darüber freue ich mich riesig :)
Wir lesen uns
Lene <3
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If hearts could tell | J. Knorr
Fanfiction[„Und warum ausgerechnet sollte ich dann deine Gesellschaft ertragen müssen?", ich rollte mit den Augen. „So schlimm kann ich gar nicht sein. Dafür hast du mir heute Abend zu wenige Beleidigungen gegen den Kopf geworfen!", wendete er ein. Und ich k...