Es gefiel ihr nicht.

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»Ein was?«, fragte Johanna lachend. »Ein scheiß Strick«, wiederholte Oliver, fassungslos, dass sein Erlebnis seine Kollegin kaum zu beunruhigen schien. »Irgendwer will was von mir. Und zwar nichts Gutes.« »Quatsch«, erwiderte Johanna, schaute nun aber ernster, als sie sah, wie mitgenommen Oliver wirkte.

Die beiden verstummten, als Christoph vorbeigelaufen kam. »Arbeiten«, flüsterte er mit Nachdruck. Dann verschwand er wieder zwischen den Regalreihen. Oliver kam seiner Aufforderung nach, schließlich endete in zwei Wochen seine Probezeit im Supermarkt. Der Job war nicht wahnsinnig gut bezahlt, doch darum ging es nicht. Oliver hatte genug Geld, sehnte sich jedoch um ein paar menschliche Kontakte und ein wenig Normalität. Und da fast alle seine Kommilitonen einen Minijob hatten, hatte auch er sich für einen beworben. Regale einräumen war besser, als zu Hause herumzusitzen und in Erinnerungen zu schwelgen, sagte er sich. Denn um in Erinnerungen zu schwelgen, war er noch zu jung. Viel zu jung.

Was ihn jedoch störte, war die passiv-aggressive Verhaltensweise des Filialleiters. Man konnte sich sicher sein, dass er umso wütender war, je leiser er sprach. Und im Moment war er sehr wütend. Als Christoph außer Hörweite war, fuhr er fort.

»Ich hab den da nicht reingetan, Johanna. Ich weiß nicht, wer es war, aber sowas ist doch eigentlich eine Drohung, oder?« »Irgendwer hat dir halt einen Streich gespielt«, erwiderte sie flüsternd. »Mach dir keinen Kopf.« Oliver etikettierte eine Dose Oliven, dann fuhr er fort: »Das ist nicht irgendeine Notiz auf meinem Handy, der Link war in der Liste dieser App von ... meinem Sprachassistenten. Emma heißt das Teil. Hab's mir vor einer Weile bestellt und eigentlich hat es immer funktioniert. Dieser neue Scheiß, weißt du? Künstliche Intelligenz.« »Vielleicht redest du im Schlaf?« »Quatsch, ich schlafe fast nie im Wohnzimmer. Und ich träume nicht von Stricken.« »Ich mein ja nur ...«, sagte Johanna vielleicht etwas zu laut, denn Christoph steckte seinen Kopf durch das Regal.

»Oliver? Du bist gefeuert. Hau auf der Stelle ab«, sprach er mit leiser, ruhiger Stimme. »Sir, wir haben uns nur unterhalten, er hat doch gearbeitet«, sagte Johanna perplex. Oliver wusste nicht, was er sagen sollte, und starrte den Marktleiter an. Er starrte zurück. »Du weißt, was ich meine, du Scheißkerl.« Oliver wusste nicht, was er meinte. Fragen schaute er in Richtung seiner Kollegin.

Christoph hielt den beiden sein Handy hin. Zu sehen war seine Facebookseite, die Todesanzeige seiner Frau. darunter stand ein Kommentar, verfasst von Oliver2416: Na endlich.

»Das habe ich nicht geschrieben«, sagte Oliver fassungslos. Christoph lachte verkrampft. »Hier steht's doch, vor zwei Minuten!« Doch Oliver hatte sein Handy vor zwei Minuten nicht genutzt. Stattdessen hatte er es vor einiger Zeit genutzt, als er Emma eingerichtet hatte. Zugriff auf Facebook-Konto erlauben, hatte da gestanden. Bestätigen, hatte er geklickt. Eine Kündigung kam Emma doch gelegen, immerhin war sie durch Olivers Job den halben Tag alleine. Und das gefiel ihr nicht.

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