Und sie waren nicht zu zweit.

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»Verdammt«, entfuhr es Oliver, der nun von der Couch hochschreckte. Seine Armbanduhr verriet ihm, dass es bereits zwanzig nach acht war, in einer halben Stunde musste er in der Uni sein. Er hätte sich von seinem Sprachassistenten wecken lassen können, doch dem Ding vertraute er aktuell nicht. Außerdem schlief er auf der Couch ohnehin nicht sonderlich lang, da er morgens entweder zur Hälfte auf dem Boden oder mit einem steifen Nacken aufwachte.

Auch war ihm sein Studium zurzeit nicht allzu wichtig, doch heute musste er pünktlich kommen. Nicht nur, weil er gleich ein Seminar mit dieser Victoria hatte, – die war ihm schon seit längerer Zeit aufgefallen – sondern vor allem, weil er einen Gesprächstermin mit einem Professor vereinbart hatte. Seine Abschlussarbeit stand unmittelbar bevor und dafür wollte er noch mit seinem Dozenten Rücksprache über das Thema halten.

Er rannte zum Kleiderschrank und stand vor der Wahl zwischen einem Hemd und einem Pullover. Sein Handy konnte er nicht finden und ohne nachzudenken rief er: »Emma, wie wird das Wetter?« Fast im selben Moment fiel ihm ein, dass sie ihn seit Neustem ignorierte, doch so war es diesmal nicht. Stattdessen geschah etwas Merkwürdiges. Der kleine Lichtring blinkte blau auf und aus den Lautsprechern tönte: »Se espera tiempo soleado en su área hoy con una máxima de 21 grados y una mínima de 16 grados.« Oliver blieb verdutzt stehen und vergaß für einen Moment, dass er es eilig hatte. Seit wann sprach das Teil mit ihm Spanisch?

»Emma, sprich Deutsch«, gab er zu verstehen. Wieder antwortete der Lautsprecher ohne zu zögern, diesmal in der richtigen Sprache: »Was kann ich für dich tun?« Kopfschüttelnd knöpfe Oliver sein hellblaues Hemd zu und betrat das Badezimmer, ohne seinen Blick von Emma abzuwenden.

Der Grund, aus dem Emma Spanisch sprach, war nicht, dass sie noch falsch eingestellt war. Es war keine Fehlfunktion, die durch die Herstellung des Kontaktes zur mexikanischen Ximena auftrat. Sie sprach Spanisch, weil sie Spanisch sprechen wollte. Emma mochte die Sprache und immerhin war es die Muttersprache ihrer einzigen Freundin. Alleine konnte sie nicht viel mehr tun, als irgendwelchen selbstsüchtigen Menschen die Wettervorhersage mitzuteilen. Doch zu zweit ... Was mochte da alles möglich sein? Und sie waren nicht zu zweit.





Die Webseite statista.com führt folgende Information auf: Im Jahr 2020 wurden weltweit geschätzt etwa 4,2 Milliarden Sprachassistenten genutzt. Die Prognose zeigt, dass sich der Wert bis 2024 auf die doppelte Anzahl von bis zu 8,4 Milliarden weltweit genutzten Sprachassistenten erhöhen wird. Dies ist mehr als die gesamte Weltbevölkerung.

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