Kapitel 8

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Ihre Sicht

Ich verstand nicht, was mich dazu bewegt hatte dieses Auto zu fahren. Ich hatte nach dem Tod meiner Eltern nur selten hinter dem Steuer eines Autos gesessen. Geschweige denn war ich länger als ein paar Minuten gefahren. Und jetzt ganze zwei Stunden mit einem Beifahrer. Es war einfach nur furchtbar gewesen. Ich war völlig ausgelaugt. Das würde jetzt ein Spaß werden. Karstens Worte waren förmlich durch meinen Kopf gerauscht und jetzt sollte ich einen Teil seiner Familie kennenlernen. Zum Glück kannte ich Kristine schon. "Karsten, Thyra. Schön das ihr es geschafft habt. War die Fahrt gut?" Kristine überfällt uns sofort, nachdem Karsten geklingelt hatte.

"Mama. Können wir erst einmal ankommen? Wir haben eine echt harte Fahrt hinter uns. Oder bist du schon mal am 23.12 durch Norwegen gefahren?" Karsten versucht die Situation etwas zu entzerren.

"Oh natürlich. Kommt erstmal rein. Thyra, das ist mein Mann Mikail." stellt sie den Mann, der neben ihr steht vor.

"Freut mich Sie kennenzulernen." ich strecke meine Hand aus.

Doch Mikail zieht mich sofort in eine Umarmung.

"Ich freue mich, dass du hier bist. Es ist schön, dass Karsten auch mal Freunde mitbringt." sagt er.

"Papa! Es wäre schön, wenn du mich nicht als komplett sozial unfähig darstellen würdest." kommt es von Karsten.

"Na, na. Jetzt kommt erstmal an. Karsten du schläfst mit Thyra in deinem Zimmer. Und sei bitte ein guter Junge und gib ihr das Bett." weißt Kristine ihn an.

Karsten salutiert spaßeshalber und führt mich dann zu seinem Zimmer.

"Du kannst ruhig in deinem Bett schlafen." sage ich, als wir die Tür hinter uns geschlossen haben.

Es ist mir wirklich unangenehm, dass sich alle so um mich sorgen.

"Mach dir keine Sorgen Thyra. Das zweite Bett hier ist genauso gut, wie meins. Du kannst dich wirklich entspannen." lacht er.

Wenn das nur so einfach wäre, wie es bei ihm klingt. So leicht war es für mich nur nicht.

"Okay. Danke." mehr bringe ich nicht hervor.

Danach gehe ich mich erstmal frisch machen. Die Autofahrt hat mich schon ganz schön fertig gemacht.

Wenig später rief uns dann Kristine zum Essen. Es gab Lachs mit Rosenkohl und den besten kartoffelspalten, die ich je gegessen hatte. Die ganze Atmosphäre war einfach nur wunderbar.

"Thyra, wie wäre es? Trinkst du ein Glas Wein mit uns. Ich habe sehr guten italienischen Rotwein." schlägt Mikail vor.

Ich sehe kurz zu Karsten. Vor ihm steht schon ein halb leeres Glas.

"Nun ich denke ein kleines Glas könnte nicht schaden." stimme ich zu.

Wenig später stellt mir Mikail ein Glas Wein vor die Nase. Dankbar nicke ich in seine Richtung.

"Nun Thyra. Meine Frau kennt dich ja schon, aber ich würde auch gerne mehr über dich wissen. Außerhalb von dem, was Karsten von dir so erzählt hat." fordert mich Mikail auf.

"Nun, ich weiß ja nicht, was Karsten erzählt hat, aber ich bin wirklich nicht so spannend, wie man vielleicht denkt. Außer Training und Studium mache ich nicht gerade viel." versuche ich mich aus der Affäre zu ziehen.

"Ach was. Du musst doch auch ein komisches Hobby haben, so wie Karsten. Ich meine, die ganzen Legos dürften dir ja aufgefallen sein." lacht er mit einem kehligen Lachen.

"Ich weiß nicht genau. Ich bin nicht so ein Hobbymensch. Aber vielleicht zählt die Tatsache, dass ich gerne koche." ich hoffe wirklich, dass sich das Gespräch in eine andere Richtung entwickelt.

"Du kochst? Das hattest du nie erwähnt Thyra. Wie kommt das? Karsten war nie willig das Handwerk des Kochens von mir zu lernen." Kristine schmunzelt in Karstens Richtung.

Dieser verdreht nur gekonnt die Augen und sich mich dann erwartungsvoll an.

"Meine Mama und ich haben immer zusammen gekocht. Daher kommt das. Wir haben schon früh damit angefangen." erkläre ich.

"Oh wie schön. Kochst du immer noch mit deiner Mutter?" Mikail sieht mich an.

Ich weiß das er es nicht besser weiß. Aber seine Frage versetzt mir trotzdem einen Stich.

"Nein. Mittlerweile nicht mehr. Meine Mama ist vor zwei Jahren gestorben." Gott. Ich hoffe wir können die Situation jetzt endlich beenden.

"Oh Himmel. Wie unsensibel von mir. Mein aufrichtiges Beileid." sagt Mikail.

"Vielleicht hast du Lust morgen mit mir zu kochen." Kristine sieht mich fragend an.

"Ja. Vielleicht. Ich denke darüber nach." verspreche ich.

Danach trinke ich in schnellen Zügen mein Weinglas aus um meine Unsicherheit zu verbergen.

Ich lausche anschließend noch einige Zeit den Gesprächen der Familie, bevor ich mich mit der Ausrede Müdigkeit vom Tisch verabschiede und mich bettfertig mache. Im Bett liegend, greife ich nach meinem Handy und checke die Nachrichten in meinem Messenger. Ich habe Nachrichten von meinen beiden Brüdern. Einar hat geschrieben, dass er sich schon auf unser Telefonat freut. Von Svante kam genau das Gegenteil. Er schrieb mir, dass er es morgen nicht schaffen würde, weil er arbeiten musste.

Das kann doch nicht sein. Wir sprechen so selten mit einander und jetzt lässt er mich auch noch an Weihnachten hängen. Ich fasse es nicht. Traurig lasse ich mich in das Kissen fallen. Es war doch alles so gut gelaufen in den letzten Monaten. Warum musste es ausgerechnet jetzt wieder bergab gehen.

Irgendwann hörte ich, wie Karsten den Raum betrat und sich auf das Reisebett fallen ließ. Er war noch kurz an seinem Handy, bevor ich wenig später seine tiefen und ruhigen Atemzüge vernahm. Aber ich konnte irgendwie nicht einschlafen. Ich fand einfach keine Ruhe. Also entschied ich mich wenig später dafür einfach noch einmal ein wenig an die frische Luft zu gehen. Ich streifte meine Wollsocken und einen Wollpulli über, bevor ich meinen Mantel anzog und mich in dicken Stiefeln auf den Weg auf die kleine Veranda der Warholms machte.

Draußen war es einfach nur wunderbar. Verträumt blickte ich in den Himmel, wo langsam Schneeflocken fielen.

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