Ihre Sicht
Ich war überwältigt. All die Emotionen prasselten ungefiltert auf mich ein. Es war ein unfassbar gutes Gefühl. Das Gewicht der Medaille um meinen Hals fühlte sich gewohnt ungewohnt an und ich wollte keine Sekunde davon missen. Auf dem Podest fühlte ich mich so unfassbar wohl. Auch wenn ich es während der Hymne nicht eine Zeile singen konnte, weil mir die Tränen liefen, wusste ich, dass ich diesen Moment niemals vergessen. Jetzt war der Moment gekommen. Ich hatte mich zurückgearbeitet. Hoffentlich würde ich jetzt alle meine Ziele verwirklichen können. Es war einfach nur unfassbar. Und ich wusste auch nicht, ob ich es in den nächsten Tagen noch greifen können würde.
Nachdem die Fotos gemacht worden waren, lief ich zu Leif, der am Bahnrand stand und mir während der ganzen Siegerehrung zugejubelt hatte.
"Ich bin so stolz auf dich Thyra. Dieser Wettkampf heute hat mir gezeigt, warum es so gut war dich in unsere Gruppe zu holen. Sei stolz auf dich." er zieht mich in eine feste Umarmung.
"Danke. Danke das du an mich geglaubt hast Leif. Ohne dich wäre ich nicht hier. Das habe ich alles dir zu verdanken." bedanke ich mich.
"Jetzt stell dein Licht mal nicht so unter den Scheffel. Dieses Rennen heute hast du aus eigener Kraft gewonnen. Du wirst ein großer Star werden." versucht er sich in einer Prophezeiung.
"Jetzt übertreib mal nicht Leif. Ich habe noch viel Arbeit vor mir." erkläre ich.
Danach schickte mich Leif zu den Interviews. Anscheinend hatten viele der Sportmagazine ein großes Interesse an mir. Warum auch immer. Ich hatte doch noch gar nichts erreicht.
Es war einfach nur verrückt. Aber ich liebte alles daran. Jede einzelne Sekunde und jedes Gefühl.
Es war schon spät, als ich nach einer ganzen Reihe von Interviews das Stadion endlich wieder verließ. Ich war mittlerweile wirklich müde. Auf dem Weg zum Hotel klingelte auf einmal mein Handy. Überrascht blickte ich auf das aufleuchtende Profilbild von Karsten. Warum rief er mich denn so spät an?
"Hei. Hier ist Thyra." melde ich mich.
"Hei. Ich wollte dir nur meine herzlichsten Glückwünsche ausrichten. Du warst heute echt gut. Ich war begeistert." erklärt er.
"Du hast das Rennen gesehen? Hast du nichts Besseres zu tun gehabt?" frage ich.
" Nein, eigentlich nicht. Und außerdem sind wir Trainingspartner. Da supportet man sich." beschreibt er.
"Dankeschön. Das ist wirklich sehr lieb von dir. Und danke für die Glückwünsche." antworte ich.
"Was machst du eigentlich an Weihnachten und Sylvester?" Karsten stellt seine Frage völlig aus dem Kontext heraus.
"An Weihnachten bin ich vermutlich zu Hause. Ich werde mit meinen Brüdern telefonieren und dann sicher eine Runde langlaufen gehen. Ich habe gehört, dass die Loipen am Holmenkollen einfach perfekt präpariert sein sollen. Ich freue mich schon seit Tagen darauf." erkläre ich.
"Du besuchst nicht deine Eltern?" Karstens Frage tut mir ziemlich weh.
"Tatsächlich nicht. Meine Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall gestorben. Deshalb gibt es für mich keinen Besuch bei meinen Eltern. Außer wenn ich ihnen die Blumen ans Grab bringe." beschreibe ich meine Situation.
"Oh fuck, Thyra. Das tut mir so leid. Ich wusste nicht, dass deine Eltern nicht mehr leben. Mein aufrichtiges Beileid. Ich hätte sensibler sein sollen." entschuldigt er sich.
"Hei. Keine Sorge. Ich komme mittlerweile ziemlich gut damit klar." versuche ich ihn zu beruhigen.
"Dann hätte ich wohl lieber Fragen sollen, warum du deine Brüder nicht besuchst, oder?" schmunzelt er ins Telefon.
"Sie leben mittlerweile in den USA. Deshalb sehe ich sie nur sehr selten. Ich bin nicht so ein großer Fan von Chicago und San Franzisco wie meine Brüder." erkläre ich.
"Oh. Aber andere Frage. Hast du an Sylvester etwas vor?" stellt er die nächste Frage.
"Nein. Sehe ich so aus, als ob ich viel zu tun hätte? Aber warum fragst du eigentlich?" frage ich nach dem Offensichtlichen.
"Oh, ganz einfach. Ich gebe jedes Jahr an Sylvester eine große Party. Ich würde mich freuen, wenn du dabei wärst." lädt er mich ein.
"Und Amalie wäre natürlich auch da." Schiebt er hinterher.
"Klar. Also gerne. Warum eigentlich nicht. Ich freue mich. Du schreibst mir sicher die genauen Termine, oder?" sage ich.
"Klar. Ich freue mich, dass du kommst." gibt er zu.
"Gut. Dankeschön, wir sehen uns beim nächsten Training." verabschiede ich mich.
"Mach es gut." verabschiedet sich auch Karsten.
Völlig überrascht schiebe ich mein Handy wieder in meine Tasche und laufe weiter zum Hotel. Ich glaube, ich wurde noch nie auf eine Party eingeladen.
Im Hotel angekommen, lasse ich mich auf mein Bett fallen und sehe an die Decke. Ich bin müde.
Ich will mich gerade zum Duschen fertig machen, als mein Handy erneut klingelt. Diesmal ist es Karstens Mutter, die mich überrascht.
"Thyra meine Liebe. Alles Gute zu deinem Erfolg. Du warst heute wirklich klasse. Ich hatte nicht erwartet, dass du heute gleich so abreißt. Und ich habe so viele gute Nachrichten für dich." redet sie ununterbrochen.
"Kristine. Mach mal langsam. Lass mich erstmal danke sagen für deine Glückwünsche. Und jetzt erzähl mir alles ganz in Ruhe." unterbreche ich sie.
"Natürlich, natürlich. Ich habe so gute Nachrichten für dich. Craft Sportswear will dich sponsern. Du bekommst einen Vertrag bis zur WM in London. Mit Aussicht auf Verlängerung, wenn du dich in der Saison gut anstellst. Du bekommst 100.000 norwegische Kronen und die komplette Trainingsausstattung für eine Saison. Das ist ein echt guter Deal. Die sehen was in dir. Genau wie ich. Das ist so wunderbar." plappert sie glücklich.
"Helvete." mehr schaffe ich nicht zu sagen
"Das kann nicht dein Ernst sein. 100.000 norwegische Kronen. Das ist so verflucht viel Geld. Wie habe ich das verdient?" ich versuche diese Nachricht irgendwie zu verarbeiten.
"Deine Aufopferung hat sie überzeugt. Und jetzt freu dich endlich. Ach und noch eine Sache. Du kommst an Weihnachten zu uns. Karsten hat erwähnt, dass du alleine sein wirst." lädt sie mich ein.
"Aber Kristine. Das kann ich doch nicht annehmen." stottere ich.
"Ach was. Keine Widerrede. Du kommst. Wir freuen uns schon. Unsere ganze Familie will dich kennenlernen. Immerhin redet Karsten ständig von dir."
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Den gylne Kjaerligheten
FanficKarsten Warholm ist auf dem Weg an die Spitze der 400m Hürden Läufer. Er hat sich geschworen keine Ablenkungen bis zu seinem ersten Weltmeistertitel. Doch als sein Trainer eine weitere Athletin in seine Trainingsgruppe aufnimmt, verschieben sich auc...