𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟏𝟒

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    𝐓𝐇𝐄𝐀    𝐃𝐀𝐌𝐀𝐑𝐈𝐒
𝑇 𝐻 𝐸       𝑆 𝑈 𝑁


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Ich war wunderschön.

Das meine ich nicht auf eine arrogante, eingebildete Weise, als stände ich vor dem Spiegel und mir würden vor lauter Glück die Augen aus dem Kopf fallen, sondern es war einfach eine immerwährende Tatsache, die ich mit herum trug.

Ich mochte die Art, wie ich aussah, und die anderen Menschen mochten sie auch. Und ich liebte die Blicke, die sie mir zuwarfen, die Bewunderung, die mich wie eine Glücksblase umgeben hatte. Aus dieser Glücksblase wollte ich niemals wieder heraussteigen, wollte niemals wieder Mondlicht erfahren, wenn ich doch gerade das süße Licht der Sonne gekostet hatte.

Zwischen Grautönen und tristen Wiederholungen war Schönheit im Bunker eine weitaus wichtigere Eigenschaft, und ich nutzte dieses Verlangen nach etwas Hübschem, dass Menschen nun mal mit sich trugen, schamlos aus. Wahrscheinlich könnte man behaupten, ich hätte mich darum mehr gekümmert als um vieles andere, doch in dieser Situation war mein Aussehen das einzige, was mich auffielen ließ. 

Ich war hübsch und es gibt einen Grund, weshalb ich "war" sage und in Vergangenheitsform davon spreche. 
Ich war fast sogar zufrieden und so glücklich, wie man es als Leserin in einem Versteck eben sein konnte. 

Jetzt wünsche ich mir, ich hätte einen Teil dieser Schönheit auch im Herzen getragen. 

Ich habe, seit ich in diesem Flugzeug liege, nicht ein einziges Mal in den Spiegel geschaut. Erinnern kann ich mich nur noch schemenhaft, an eine Bombe, die neben mir hochging, blutiges Gewitter in meinem Kopf und der unendliche Schmerz, der jede Zelle meines Daseins mit Grauen erfüllte. Meine rechte Gesichtshälfte ist Chaos, ein hässliches, furchtbares Chaos, ohne Ordnung oder Norm. Meine Haut brennt, während sie langsam heilt, aber mein Inneres liegt zerfurcht von der Bombe ganz nackt und kalt alleine da. Das, was mich ausmachte, wurde mir genommen und jetzt wird mir langsam bewusst, wie wenig ich eigentlich besitze.

Ich habe nicht den Mut, mich selbst zu betrachten. Aber das ist nicht schlimm. Andere haben ihn auch nicht. Sie versuchen, den Abscheu in ihren Mienen zu verbergen, verstecken ihn hinter Mitleid und leisen "Gute Besserung's Worten" doch trotzdem verziehen sie alle ihre schönen, reinen Gesichter. 

˚ ༘✶ ⋆。˚ ⁀➷

Es ist ausnahmsweise ruhig in Kabine 3. Pearl und die anderen wurden vom Offizier zu sich gerufen und sind schon eine ganze Weile nicht mehr aufgetaucht. Ich glaube, Pearl denkt ich schlafe, aber in Wahrheit liege ich seit Stunden wach und denke an nichts. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich an die Wand starre und den abbröckelnden Putz betrachte. 

Die Tür knarzt. Das tut sie immer, wenn jemand hereinkommt, aber ich verspüre nicht den leisesten Anflug von Begeisterung, mich in meinem jetzige Zustand zu unterhalten, deshalb verharre ich bewegungslos.
Ein frischer Windzug weht kühl von außen herein.

Ich spüre einen brennenden Blick. Er gleitet über meine Haut. Schamlos. 
Das ungenierte Blitzen zwei cyanfarbener Augen lässt die Raumtemperatur um einige Grad sinken, dann verschwindet der junge Mann aus meinem Blickfeld. Ich hasse es, angestarrt zu werden, aber noch mehr hasse ich es, wenn ich nicht weiß, wer mein Beobachter ist.

„Du siehst aus als hätte man dich ordentlich durchgekaut und dann wieder ausgekotzt", höre ich  ihn sagen, mit gelangweilter Stimme und dem unverhohlenen Unterton von Arroganz.
"Tu nicht so, als würdest du schlafen."

𝐇𝐞𝐚𝐫𝐭𝐥𝐞𝐬𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt