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Ilkin

Ich machte mich auf den Weg zu Selin nach Hause. Heute Abend waren wir zum Abendessen bei ihnen eingeladen. Meine Mutter und mein Bruder Ilkay waren bereits dort, aber ich kam etwas später, da ich noch einen Termin hatte.

Ich klopfte an die Tür, und Selin öffnete sie mit einem breiten Lächeln. „Endlich! Wo bleibst du?" fragte sie, während sie mich in die Wohnung einließ.

„Bin ja da," antwortete ich genervt und versuchte, meine Erschöpfung zu verbergen.

Im Wohnzimmer begrüßte ich höflich jeden, der bereits dort war. Die Atmosphäre war wie immer freundlich, doch ich konnte nicht umhin, eine leichte Anspannung zu spüren. Als ich mich setzte, fiel mein Blick auf Karan Abi, der mir gegenüber saß. Seine Augen waren konstant auf mir, was mich zunehmend störte. Seit Tagen verhielt er sich seltsam, und heute Abend schien die Spannung zwischen uns fast greifbar.

Ich wandte meine Blicke ab und versuchte, mich auf Selin zu konzentrieren, die mir gerade versuchte, etwas zu erzählen. Doch plötzlich hörte ich Hatice Teyze, die das Gespräch ergriff. „Karan, wann wirst du uns endlich die gute Nachricht bringen? Es wird Zeit, dass du heiratest. Wir müssen doch sicherstellen, dass du eine passende Frau findest," sagte sie mit einem schalkhaften Lächeln.

Die Worte hingen in der Luft, und ich konnte sehen, wie sich Karan unbehaglich in seinem Stuhl rutschte. Seine Reaktion ließ mich noch mehr darüber nachdenken, was ihn so beschäftigte. Während Hatice Teyze weiter redete, wurde mir klar, dass das heutige Abendessen eine neue Dimension des Unbehagens und der Spannung zwischen uns beiden mit sich brachte.

Später am Abend konnte ich einfach nicht schlafen. Die Gedanken an die Spannung und das seltsame Verhalten von Karan hielten mich wach. Schließlich beschloss ich, etwas frische Luft zu schnappen. Ich schlüpfte aus dem Bett und trat auf den Balkon, der sich direkt vor meinem Zimmer erstreckte.

Der kühle Abendwind tat gut, aber die Unruhe in mir ließ sich nicht so leicht vertreiben. Während ich in den Sternenhimmel starrte, fiel mein Blick auf den Balkon des Zimmers gegenüber, der zu Karan Abi gehörte. Es war dunkel, aber ich konnte die Silhouette von Karan erkennen, der auf einem Sessel saß und in die Ferne blickte.

Plötzlich brach die Stille zwischen uns. Karan stand auf und trat an den Rand seines Balkons. Sein Blick war fest auf mich gerichtet. „Ilkin," sagte er leise, „warum bist du noch wach?"

Seine Stimme durchbrach die Stille der Nacht und ließ mich zusammenzucken. Der direkte Blick und die Frage ließen mich einen Moment lang stocken. „Ich konnte einfach nicht schlafen," antwortete ich, bemüht, ruhig zu klingen, „es war ein anstrengender Tag."

Karan nickte, sein Blick blieb jedoch auf mir haften. Die Atmosphäre zwischen uns war geladen, und ich konnte das Gefühl der unausgesprochenen Worte und Emotionen beinahe greifen. Der Blick in seinen Augen ließ mich spüren, dass es mehr als nur Müdigkeit war, das ihn beschäftigte.

Karan

Die Nacht war still, und der kühle Abendwind brachte keinen Trost. Ich saß auf meinem Balkon, starrte in die Dunkelheit und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es war schon spät, aber Schlaf wollte sich nicht einstellen. Stattdessen kreisten meine Gedanken unaufhörlich um Ilkin.

Seit Tagen hatte ich mich anders gefühlt, eine unbestimmte Unruhe, die sich nicht abschütteln ließ. Ich wusste, dass es an Ilkin lag. Ihre Anwesenheit, ihre Blicke – alles schien mich zu verfolgen. Ihre Reaktion auf das Gespräch über die Hochzeit war mir besonders aufgefallen. Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, ob sie ahnte, wie tief die Verbindung zwischen uns war.

Der Gedanke, dass sie mich vielleicht nicht so sah, wie ich sie sah, nagte an mir. Wie oft hatte ich versucht, den richtigen Moment zu finden, um mit ihr zu sprechen, nur um dann zurückzuschrecken? Die Aussicht, sie zu verlieren, bevor ich überhaupt eine Chance hatte, sie zu gewinnen, war unerträglich.

In diesem Moment, als ich auf meinem Balkon saß und in die Stille starrte, fiel mein Blick auf den Balkon gegenüber. Dort stand Ilkin, ein leiser Schatten in der Dunkelheit. Ich konnte den Ausdruck auf ihrem Gesicht nicht genau erkennen, aber ich wusste, dass sie ebenfalls unruhig war.

Ohne nachzudenken, stand ich auf und trat näher an den Rand meines Balkons. „Ilkin," sagte ich leise, die Worte kaum mehr als ein Flüstern, „warum bist du noch wach?"

Ihre Reaktion war ein kurzer Zuck, als ob mein Ruf sie aus ihren Gedanken gerissen hätte. „Ich konnte einfach nicht schlafen," antwortete sie schließlich, und ihre Stimme klang sanft, aber betrübt. „Es war ein anstrengender Tag."

Ich nickte, obwohl sie mich nicht sehen konnte. Die Dunkelheit verbarg meine Gedanken und Gefühle, doch in ihrem Blick und ihrer Antwort konnte ich das gleiche Gefühl der Unruhe erkennen, das mich quälte. Vielleicht waren wir uns näher, als ich dachte. Vielleicht war es an der Zeit, die Stille zu durchbrechen und zu sehen, wohin uns unsere unausgesprochenen Gefühle führten.

ʜᴀʏᴀᴛɪᴍ  ɪʟᴋɪɴ & ᴋᴀʀᴀɴ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt