Kapitel 2

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Lane schlief tief und traumlos, die Erschöpfung des Tages hatte ihn völlig übermannt. Doch langsam drang ein leises Murmeln in seine Träume und riss ihn aus dem Schlaf. Er spürte, dass er nicht mehr allein war. Noch bevor er die Augen öffnete, spürte er die Anwesenheit von mehreren Menschen um sich herum. Zögernd blinzelte er und sah, wie vier Männer um die Couch standen, auf der er lag, und ihn neugierig anstarrten.

»Ist er nicht einfach entzückend?«, flüsterte einer der Männer, ein schlanker Typ mit glitzerndem Lidschatten und einem neckischen Grinsen. »Wie ein kleiner blonder Engel!«

»Schaut euch nur diese Wimpern an«, fügte ein anderer hinzu, ein muskulöser Mann mit kahl rasiertem Kopf und einer tiefen Stimme. »Wie aus einem verdammten Film.« Lane fühlte, wie seine Wangen heiß wurden. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, als die Männer weiter tuschelten und ihn unverhohlen bewunderten. Er versuchte, sich aufzusetzen, doch die Erschöpfung und die Verwirrung machten es ihm schwer, klare Gedanken zu fassen.

»Okay, Leute, lasst ihn in Ruhe. Meine Güte ihr Klatschweiber«, ertönte plötzlich Taylors Stimme aus dem Hintergrund. Er bahnte sich entschlossen einen Weg durch die kleine Gruppe und scheuchte die Männer mit einer Mischung aus Lächeln und Strenge weg. »Ihr habt ihn genug angestarrt, er ist kein Ausstellungsstück.« Die Männer zogen sich zurück, wenn auch widerwillig, und Taylor setzte sich neben Lane auf die Couch. Sein Gesicht war eine Mischung aus Amüsement und Sorge.

»Tut mir leid, dass du so geweckt wurdest«, sagte er sanft, »sie sind einfach neugierig. Hier sieht man nicht oft ein neues Gesicht, vor allem nicht eines wie deins.« Lane setzte sich auf, diesmal mit mehr Erfolg, und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

»Es ist okay«, murmelte er, obwohl er sich immer noch etwas unbehaglich fühlte unter den bewundernden Blicken der Männer. Taylor lächelte verständnisvoll.

»Es ist jetzt vier Uhr morgens. Der Club leert sich langsam, und wir werden bald schließen. Wie fühlst du dich?« Lane zuckte mit den Schultern.

»Besser, glaube ich. Ich bin immer noch ziemlich müde, aber ich bin froh, dass ich hierbleiben durfte.«

»Freut mich zu hören.« Taylor lehnte sich ein wenig zurück, seine Augen musterten Lane freundlich, aber auch besorgt.

»Lane...«, begann er zögernd, »ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich denke, du könntest jemanden zum Reden gebrauchen. Was ist passiert? Warum bist du heute Nacht hier draußen gewesen, ganz allein im Regen?« Lane senkte den Blick auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen. Es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen, aber irgendetwas an Taylor – seine Geduld, sein Mitgefühl – gab ihm das Vertrauen, sich zu öffnen. Und so begann er, leise und stockend, von dem schrecklichen Abend zu erzählen. Er berichtete von dem Gespräch mit seinen Eltern, von ihrer Wut und ihrer Ablehnung, und wie sie ihn schließlich aus dem Haus geworfen hatten. Während er sprach, spürte er die Tränen wieder aufsteigen, aber er zwang sich, weiterzureden.

»Ich habe niemanden, zu dem ich gehen könnte«, gestand Lane schließlich. »Ich bin immer so schüchtern gewesen, dass ich nie wirklich Freunde gefunden habe, nicht einmal an der Uni. Ich studiere Geschichte, und jetzt... ich weiß nicht, was ich tun soll. Meine Eltern wollten nie, dass ich arbeite, sie wollten, dass ich mich nur aufs Studium konzentriere. Aber jetzt... ohne sie... ich kann mir das Studium nicht leisten. Es sind zwar Semesterferien, aber ich habe nichts«, seine Stimme brach.

»Das tut mir wirklich leid, Lane«, sagte Taylor und legte dem jungen Mann eine Hand auf die Schulter. »Niemand sollte so etwas durchmachen müssen. Aber du bist nicht allein. Ich bin froh, dass du hierhergekommen bist, auch wenn es unter diesen Umständen war.« Lane hob den Kopf und sah Taylor an, seine Augen glänzten vor Dankbarkeit und Verzweiflung.

Ungebrochen - Der Engel, der nicht fielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt