Kapitel 11

58 8 1
                                    

Während Jonathan, Lane weiter durch das großzügige Appartement führte, konnte sich dieser nicht davon abhalten, über die möglichen Veränderungen in seinem Leben nachzudenken. Die Räume, durch die sie gingen, waren so anders als alles, was er kannte – weitläufig, luxuriös, aber dennoch warm und einladend, nicht so kühl wie bei seinen Eltern. Es war eine Welt, die ihm bisher verschlossen gewesen war, doch nun schien sie ihm offen zu stehen, wenn er nur den Mut hatte, den nächsten Schritt zu gehen. In seinem Kopf kämpften verschiedene Gedanken und Gefühle miteinander. Er wollte Taylor nicht vor den Kopf stoßen, nachdem dieser ihm so selbstlos geholfen hatte. Aber dessen kleines Apartment war auf Dauer einfach zu klein für zwei Menschen, besonders wenn sie beide ihren eigenen Raum brauchten. Und durch das großzügige Angebot von Andrew und Jonathan könnte er sich eine eigene Wohnung leisten. Doch dann war da noch das Angebot, hier bei ihnen zu leben – in einem Heim, das ihm Sicherheit und Geborgenheit versprach, Dinge, die ihm so lange gefehlt hatten. Lane zögerte, bevor er schüchtern die Frage stellte, die ihn seit Beginn der Führung durch das Penthouse beschäftigt hatte.

»Jona, darf ich dich noch etwas fragen?« Jonathan drehte sich zu ihm um und lächelte.

»Natürlich. Frag, was immer du möchtest.« Lane biss sich leicht auf die Lippe, bevor er den Mut aufbrachte, seine Gedanken in Worte zu fassen.

»Ihr habt mir angeboten, hier bei euch zu leben ... meint ihr das wirklich ernst? Ich meine, es ist so... groß hier. Und ich will niemandem zur Last fallen.« Jonathan hielt inne und musterte Lane einen Moment lang, bevor er ein warmes Lächeln aufsetzte.

»Lane, du hast ja selbst gesehen, dass wir hier mehr als genug Platz haben. Du könntest hier dein eigenes Reich bekommen, ein Zimmer, das ganz dir gehört. Andrew und ich meinen das völlig ernst. Wir haben das sehr gut überlegt, und wir würden uns freuen, dich bei uns zu haben.« Lane nickte langsam, doch seine Gedanken wirbelten durcheinander. Das Angebot klang verlockend, fast zu gut, um wahr zu sein. Doch gleichzeitig fühlte er sich, als würde er seine Eltern verraten, selbst wenn sie ihn verstoßen hatten. Er hatte ihnen alles zu verdanken, was er war – oder zumindest das, was sie von ihm verlangt hatten zu sein. Aber nun, wo sie ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen hatten, musste er sich fragen, was er wirklich wollte. Jonathan bemerkte, dass Lane innerlich mit sich kämpfte, und trat einen Schritt näher.

»Lane, was ist los? Du siehst aus, als würde dich etwas schwer belasten.« Lane sah zu Boden, seine Schultern zitterten leicht.

»Ich... ich weiß nicht. Es fühlt sich so an, als würde ich meine Eltern verraten, wenn ich euer Angebot annehme. Aber sie haben mir gesagt, dass ich für sie nicht mehr existiere, weil ich... weil ich so bin, wie ich bin.« Jonathans Herz zog sich zusammen, als er die Verzweiflung in Lanes Stimme hörte. Er wusste, dass dieser junge Mann in den letzten Wochen mehr durchgemacht hatte, als es jemand in seinem Alter sollte. Mit einem sanften Lächeln trat er noch einen Schritt näher und legte Lane beruhigend die Hände auf die Schultern.

»Lane«, sagte er leise, »ich kann verstehen, dass du solche Gedanken hast. Aber du musst wissen, dass du niemanden verrätst, indem du für dich selbst sorgst. Deine Eltern haben eine Entscheidung getroffen, die sehr hart und schmerzhaft für dich war. Aber das bedeutet nicht, dass du deshalb auf ein glückliches Leben verzichten musst. Du hast das Recht, geliebt und geschätzt zu werden, so wie du bist.« Lane spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, und bevor er sich zurückhalten konnte, brach die Flut der Emotionen aus ihm heraus. Er hatte diese Gedanken tief in sich vergraben, doch nun, in der Gegenwart von jemandem, der ihn verstand, konnte er sie nicht länger unterdrücken. Jonathan sah, dass Lane kurz vor einem Zusammenbruch stand, und zog ihn sanft in eine Umarmung. Er hielt ihn fest, während Lane in seinen Armen zitterte, überwältigt von der Last seiner Gefühle.

Ungebrochen - Der Engel, der nicht fielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt