Kapitel 3

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Celines Sicht

Ich stand da, starrte Logan an und fühlte, wie meine Beine immer schwerer wurden, als hätte der Boden unter mir plötzlich begonnen, mich festzuhalten. Sein Blick bohrte sich in mich, ruhig, aber fordernd. Er wollte, dass ich es tat. Er wollte, dass ich endlich die Kontrolle übernahm. Doch genau das machte mir am meisten Angst. Meine Hände zitterten leicht, als ich sie zu Fäusten ballte, um das Zittern zu verstecken. Ich schluckte schwer und zwang mich, einen Schritt nach vorn zu machen. Der Wind wehte durch die Bäume, und das Knistern des Feuers hinter uns schien auf einmal lauter als alles andere. Jede Bewegung, jeder Atemzug fühlte sich an, als würde er die Stille in tausend Stücke brechen. Logan wartete. Geduldig. Seine Augen waren fest auf mich gerichtet, und obwohl er nichts sagte, spürte ich, dass er mich beobachtete – nicht nur mich, sondern das, was in mir lauerte. Er wusste es. Er spürte es, genau wie ich. Ich trat noch einen Schritt näher an ihn heran, mein Atem ging flacher, und in mir breitete sich diese unheimliche Dunkelheit aus, die ich so lange zurückgehalten hatte. Mein Herz schlug schneller, während ich meine Hände betrachtete, meine Finger. Ein unangenehmes Kribbeln zog sich durch meinen ganzen Körper. Es war da – knapp unter der Oberfläche. Ich konnte es spüren.

„Logan... ich..." Meine Stimme war schwach, fast ein Flüstern. Ich wollte ihm sagen, dass ich es nicht tun konnte. Dass ich nicht wusste, wie ich es kontrollieren sollte. Aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Er sah mich nur an, wartend, ruhig, als hätte er alle Zeit der Welt. „Du wirst es nicht wissen, wenn du es nicht versuchst." wiederholte er. Ich schloss die Augen, atmete tief durch und zwang mich, loszulassen. All die Angst, all die Zweifel – ich ließ sie los. Und dann passierte es. Langsam, ganz langsam, spürte ich, wie sich etwas in mir veränderte. Es begann tief in mir, ein vertrautes, aber gleichzeitig fremdes Gefühl. Etwas Dunkles. Etwas, das ich nicht verstand, aber das immer da gewesen war. Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich, dass sich alles verändert hatte. Die Welt um mich herum schien dunkler, als wäre das Licht des Feuers gedimmt worden. Logan stand immer noch vor mir, aber seine Augen wirkten jetzt anders – wachsam, als hätte er gespürt, dass etwas passieren würde. Er legte seine Hände auf meine Schultern. „Celine ruhig....alles wird gut. Ich bin hier." flüsterte er, doch seine Stimme klang weit entfernt, wie ein Echo, das sich in der Dunkelheit verlor. Die Welt um mich herum schwankte, und ich fühlte, wie etwas in mir brodelte, heiß und unkontrollierbar.

Und dann kam das Flashback.

Es war, als würde ich in eine andere Zeit gezogen, mein Geist verlor den Halt in der Gegenwart. Plötzlich war ich nicht mehr im Wald mit Logan, sondern irgendwo anders, irgendwo Kälterem. Ein metallisches Geräusch hallte durch meinen Kopf, wie das Klirren von Ketten. Stimmen, unverständliche Befehle, das Dröhnen von Maschinen. Ich konnte es spüren – diese Dunkelheit in mir, sie war schon einmal da gewesen. Ich sah verschwommene Gestalten um mich herum, sah Stahltische, Fesseln, spürte den Schmerz, als etwas in meinen Körper eindrang. Eine Kälte, die mich bis auf die Knochen durchdrang. Eine fremde, verstörende Stimme flüsterte in meinem Kopf, schrie nach Kontrolle. Ich schrie auf, wurde abrupt in die Gegenwart zurückgezogen. Panik durchzuckte mich, und ich riss mich von Logan los, stolperte rückwärts, meine Atmung unregelmäßig. Etwas war anders. Mein Herz raste, und als ich meine Hände betrachtete, sah ich es – meine Finger waren verkrampft, und aus meinen Handknöcheln schossen plötzlich Krallen hervor, scharf und glänzend, genauso wie bei Logan.

„Nein... nein!" flüsterte ich panisch, mein Atem kam stoßweise. Ich konnte spüren, wie sich meine Zähne veränderten, etwas Spitzes drückte gegen mein Zahnfleisch, und als ich meine Lippen zusammenpresste, berührten meine Zähne plötzlich meine Lippen – Fangzähne. Ich hatte Fangzähne. Ich spürte, wie die Panik mich überrollte, als ob sie meinen Verstand verschlingen wollte. Meine Krallen – meine Fangzähne – das war nicht normal. Das war nicht ich. Oder war es das? War das das Monster, das die ganze Zeit in mir geschlummert hatte? „Celine! Beruhig dich!" Logans Stimme durchbrach das Chaos in meinem Kopf, doch ich konnte nicht aufhören zu zittern, nicht aufhören, diese fremden Dinge an mir anzustarren. „Was ist mit mir... passiert?" flüsterte ich, unfähig, die Tränen zurückzuhalten. Ich fühlte mich gefangen in meinem eigenen Körper, als wäre ich nicht mehr ich selbst. Das vertraute Gefühl der Dunkelheit, das ich immer ignoriert hatte, brach nun mit voller Wucht aus mir heraus.

Logan trat näher, doch diesmal hielt er einen Moment inne, als würde er abwägen, wie nah er mir kommen sollte. „Es ist okay..." sagte er, diesmal sanfter. „Was du gerade durchmachst... das ist deine Natur. Du hast Kräfte, Celine, genau wie ich. Das macht dich nicht zu einem Monster." fuhr er leise fort. „Doch!" schrie ich plötzlich, meine Krallen unkontrolliert in den Boden stoßend. „Ich bin wie... ich bin wie ein Tier!"

„Wir alle sind manchmal wie Tiere," murmelte Logan, seine Stimme tief und ruhig. „Aber du bist nicht allein. Du musst lernen, damit umzugehen, und das kannst du – wenn du es zulässt." Ich atmete schwer, mein Herz hämmerte in meiner Brust, und die Krallen an meinen Händen zitterten leicht. Ich wollte ihm glauben, wollte seine Ruhe annehmen, aber die Bilder in meinem Kopf, diese Erinnerungen, ließen mich nicht los. „Es wird nicht einfach." fügte Logan hinzu und trat einen Schritt näher. „Aber du kannst das. Du musst es wollen." Ich sah ihn an, versuchte, mich auf seinen Atem zu konzentrieren, auf seine Standhaftigkeit. Ein Teil von mir wollte glauben, dass er recht hatte. Dass ich das, was ich war, kontrollieren konnte. „Du bist nicht wie ich Logan..." sagte ich zitternd. „Willst du es sehen?" fragte er leise. Ich nickte. Logan trat einen Schritt näher, sein Blick schärfer, aber immer noch ruhig. Er ließ die Zigarre aus seinen Lippen fallen und knirschte sie mit einem langsamen Tritt unter seinem Stiefel. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen, und dann sah ich, wie seine Haltung sich veränderte. Es war ein vertrauter, aber gleichzeitig erschreckender Anblick. Ich hatte es schon einmal gesehen – bei mir. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die Muskeln spannten sich, und dann... das unverwechselbare Geräusch von Metall, das durch Fleisch brach. Drei lange, schimmernde Adamantium-Klingen schossen aus seinen Handknöcheln hervor. Er verzog keine Miene, als hätte er es tausendmal durchgemacht. Doch ich sah die feinen Linien auf seinem Gesicht, die verrieten, dass es schmerzte. Dass es jedes Mal schmerzte.

„Wir sind uns ähnlicher, als du denkst." murmelte er und hob eine seiner Klauen, betrachtete sie mit einer Mischung aus Resignation und Akzeptanz. „Es ist nie leicht, damit zu leben. Aber es ist, was wir sind. Und wir können es entweder kontrollieren, oder es kontrolliert uns." Mein Atem stockte, als ich die Klingen aus nächster Nähe sah. Sie waren so scharf, so tödlich, und doch schien Logan sie mühelos zu beherrschen. Es war, als ob sie ein Teil von ihm wären, etwas, das er nicht mochte, aber akzeptiert hatte. „Es tut weh, jedes Mal." sagte er leise, fast als würde er mir ein Geheimnis anvertrauen. „Aber der Schmerz erinnert mich daran, wer ich bin und was ich bin. Und das... hält mich bei Verstand." Ich starrte auf meine eigenen Hände, meine Krallen, die sich nicht so mühelos zurückzogen wie seine. Sie zitterten noch immer, als könnten sie spüren, dass ich sie nicht wollte. Die Dunkelheit in mir war unruhig, wollte ausbrechen, doch Logans Worte zogen mich zurück in die Realität. Ich konnte es nicht verdrängen, das wusste ich jetzt. Aber ich konnte es kontrollieren... irgendwie.

„Es wird immer einen Teil von dir geben, der kämpfen will." fuhr er fort. „Der Teil, der Wut spürt, der Instinkte hat, die dich überrollen. Aber du musst lernen, den richtigen Moment zu finden, wann du diesen Teil zulassen kannst. Und wann du ihn zurückhältst." Ich hob meinen Blick und sah ihn an, meine Augen suchten nach Antworten in seinen. „Aber wie? Wie machst du das? Wie lebst du mit... dem hier?" Ich hob meine zitternden Krallen leicht an, die immer noch bedrohlich aus meinen Händen ragten. Logan seufzte tief und ließ seine Klingen langsam zurück in seine Hände gleiten. „Es gibt keinen Trick. Es ist kein Schalter, den du einfach umlegen kannst. Es ist Arbeit. Jeder verdammte Tag. Aber du wirst es lernen." Er machte eine kurze Pause und sah mir direkt in die Augen. „Wenn du es willst." Ich wollte es. Ich wollte die Kontrolle. Doch da war immer noch diese Unsicherheit, diese Furcht. Ich hatte Angst, dass ich nie in der Lage sein würde, mich selbst zu beherrschen. Dass diese Dunkelheit mich irgendwann überwältigen würde. Doch in Logans Blick lag etwas, das ich nicht ignorieren konnte – Hoffnung. Eine Hoffnung, die mir sagte, dass, egal wie groß meine Angst war, ich es schaffen könnte.

„Ich will es versuchen," flüsterte ich schließlich, meine Stimme zitternd, aber entschlossen.

Logan nickte, ein Hauch von Zufriedenheit auf seinem Gesicht. „Gut. Denn das ist der erste Schritt."

Kräfte im VerborgenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt