Kapitel 4

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Wades Sicht

Ich stand da, hinter einem Baum, den ich nicht als Deckung gebraucht hätte, weil ich sowieso der Inbegriff von Heimlichkeit war. Ihr wisst schon, Wade Wilson – Meister des Unsichtbaren, Ninja der Herzen. Oder, naja, ich stand einfach nur da und beobachtete die beiden. Logan und die Kleine – Celine. Die ganze Sache wurde jetzt echt interessant. „Hach, Romantik in der Luft." murmelte ich zu mir selbst und tat so, als würde ich eine imaginäre Träne wegwischen. „Die gute alte Mentor-Schülerin-Dynamik. Logan, der alte Zyniker, und sie, das verlorene Kätzchen mit Krallen. Vielleicht hab ich das schon irgendwo gesehen..." Ich lehnte mich an den Baum und verschränkte die Arme, als Logan wieder mal diesen wehmütigen „Ich bin das ultimative Monster"-Blick aufzog. Den hat er immer, wenn er anfängt, Leute ernst zu nehmen. Und Celine? Ach, sie war ein Fall für sich. Das Mädel war wie eine Mischung aus „ich hab keine Ahnung, wer ich bin" und „Vorsicht, ich könnte dich töten" und ehrlich gesagt, fand ich das verdammt faszinierend.

„Logan, du großer, haariger Softie." flüsterte ich und grinste in mich hinein. Er würde mir wahrscheinlich den Kopf abreißen, wenn er wüsste, dass ich ihn belauschte, aber hey, wir sind ein Team. Ich hab ein Recht auf Drama. Ich konnte sehen, wie sie da stand, zitternd, ihre Augen groß und irgendwie... dunkel? War das normal? Und diese Krallen, die aus ihren Händen schossen. Klar, Logan hat das auch drauf, aber bei ihr sah es irgendwie unheimlicher aus. Vielleicht, weil sie selbst nicht wusste, was zur Hölle los war. Macht Sinn. So 'ne typische „Ich weiß nicht, was ich bin"-Story. „Logan, Logan, Logan..." Ich machte eine theatralische Handbewegung. „Du versuchst wirklich, der große Beschützer zu sein, hm? Wie süß. Aber..." Ich zog mein Handy raus und hielt es an die Seite meines Gesichts. „Selfie-Time! Ich nenne es 'Krallenliebe im Mondlicht'."

Natürlich machte ich kein wirkliches Selfie. Noch nicht. Logan würde wahrscheinlich das Handy mit meinen Fingern dran zerquetschen, wenn er es bemerkt. „Okay, aber mal ehrlich, Wade." murmelte ich und wischte gedanklich die Albernheit beiseite. „Celine... die ist ein anderer Fall. Logan kann seine ganze 'Ich weiß, was du durchmachst'-Nummer abziehen, aber das Mädel hat was Dunkleres in sich. Und ich meine nicht den 'Ich brauche mehr Schokolade'-Dunkel. Eher den 'Ich könnte dich alle jederzeit in Stücke reißen und hab keine Ahnung warum'-Dunkel." Ich seufzte und starrte auf meine eigenen Hände. Keine Krallen. Keine seltsamen Mutationen. Nur pure, altbewährte Wade-Crazyness. Aber manchmal, nur manchmal, wünschte ich mir, ich könnte das, was sie und Logan hatten, auch verstehen. Dieses ganze „Ich bin ein Monster, aber ich kann damit leben"-Zeug. Ich meine, ich bin auch ein Monster, aber ich schlag daraus Kapital. Irgendwie anders, wisst ihr? „Vielleicht könnte sie ja meine neue Sidekick-Wolverine werden." sinnierte ich. „Celinepool. Nein, zu viel. Wolverine Jr.? Zu generisch." Ich kratzte mir am Kinn. „Wie wär's mit... Lady Snikt? Ja, das klingt gut."

Aber irgendwie, je länger ich sie ansah, desto mehr verstand ich, dass sie echt verloren war. Sie sah nicht so aus, als hätte sie jemals eine Wahl gehabt. Die Welt hatte sie in etwas verwandelt, das sie nicht verstehen konnte, und Logan, der alte Wolf, erkannte das sofort. Deshalb war er so geduldig mit ihr. Er wusste, wie das war. „Okay, Logan." flüsterte ich, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Du kriegst einen Punkt. Ich gebe es zu. Aber wenn sie irgendwann durchdreht und anfängt, Leute in Sushi zu verwandeln, dann bin ich der Erste, der 'Ich hab's euch gesagt' ruft." Die Nacht wurde kälter, und ich zog meinen Anzug enger um mich. Mein Blick wanderte zurück zu den beiden. Logan sprach immer noch ruhig, wie ein großer, haariger Zen-Meister, während Celine langsam versuchte, ihre Krallen zurückzuziehen. „Ihr zwei seid echt ne komische Kombi." murmelte ich und grinste. „Aber was soll's, ich bin ja auch nicht ganz normal."

Langsam drehte ich mich um und ging zurück zu meinem Lager. Logan konnte das hier klären. Ich hatte genug davon, den ernsten Kerl zu spielen – das ist eh nicht mein Stil. Aber trotzdem... irgendwas sagte mir, dass das hier mehr war, als nur ein paar Mutanten, die zusammenkamen. Da war etwas Größeres im Gange. Und ich wollte verdammt noch mal dabei sein, wenn das alles hochging..

Kräfte im VerborgenenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt