Eines Morgen...

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POV Zeke

Es war der erste morgen mit gutem Wetter seit Ewigkeiten. Wie zu erwarten war ich der erste der wach war - dachte ich jedenfalls. Ich sprang aus meinem Bett und ließ meinen Blick über meine Brüder schweifen. Ruhn fehlt, realisierte ich recht schnell. Ich war echt überrascht das einer meiner Brüder jemals vor mir aufstehen würde, aber im Grunde war es mir auch egal. Ich gähnte noch ein letztes Mal und öffnete dann die Tür zum Korridor.

Ein kühler Windzug kam mir entgegen, der Steinboden außerhalb unseres Schlafraums war feucht und überall roch es moderig.

Abwesend spielte ich mit der Sanduhr in meinen Händen, und lief die Treppe hinunter geradewegs in den Speisesaal. Ich wusste nicht genau woher ich die Sanduhr hatte, ich wusste nur das sie irgendwie beruhigend auf mich wirkte.

Der Speisesaal war nicht besonders groß, auch hier war der Boden aus kühlem Stein, und wurde lieblos mit ein paar alten Holzstühlen, so wie einen langen Holztisch und einer Uhr an der Wand eingerichtet. Jeden Morgen kam ich hinunter und schlich mich vom Speisesaal aus in die Küche. Ein Blick auf die Uhr verriet mir das es kurz vor sieben war. Die Nonnen würden um Punkt sieben einen Tee trinken, und dann mit ihrer morgendlichen Kontrolle anfangen, die daraus bestand alle zu wecken und zu Hausarbeiten, wie beispielsweise Putzen zu zwingen. Jedenfalls war das noch vor ein paar Monaten so, denn seit neustem habe ich es mir zur Aufgabe gemacht uns alle vor diesen morgendlichen Aufgaben zu bewahren . So ging ich jeden Morgen ein paar Minuten vor den Nonnen in die Küche und mischte ihnen kurzer Hand ein wenig von meinem Sand in den Tee.

Als ich damals herausfand das ich Sand erschaffen konnte, war ich erst enttäuscht, bis ich herausfand was mein Sand genau bewirkte. Er brachte Menschen zum einschlafen , und in einem Fall wie diesem war das sogar sehr praktisch. Denn sobald die Nonnen um sieben ihren Tee tranken, wurden sie müde ehe sie den sandigen Nachgeschmack bemerkten. Somit hatte das gesamte Waisenhaus jeden Tag circa zwei Stunden mehr Schlaf.

Als ich mit meiner "morgendlichen Routine" fertig war, wurde ich nun doch ein bisschen neugierig wo sich Ruhn befand. Weit entfernt sein konnte er nicht, das Waisenhaus war schließlich nicht so groß. Also begann ich ein wenig umher zu laufen, vorbei an ein paar hölzernen Zimmertüren, dem Eingangstor und der Tür die zum Keller führte in dem wir getestet wurden. Etwas schneller lief ich auch an ihr vorbei und kam schließlich zum Eingang der Bibliothek.

Diesen Teil des Waisenhauses betrat ich nicht oft, die Bücher waren allesamt uralt und es war stets Ruhe geboten, weshalb meistens eine Totenstille herrschte. Trotzdem wunderte es mich nicht das ich Ruhn genau hier antraf. Vor allem in letzter Zeit war er genauso wie die Bibliothek -totenstill.

Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben, er saß mit samt eines Buches auf einem Sofa nahe des Kamins der sich in der Mitte des Raumes, gegenüber von Eingang befand. Zusammen mit dem Herd in der Küche war der Kamin die einzige Wärmequelle im Waisenhaus, aber Fips und ich haben schon öfters spekuliert ob es im Zimmer der Nonnen nicht vielleicht auch Kamine gab.

Leise schlich ich mich an Ruhn heran. "Buh!" rief ich und stürzte mich auf ihn. Er verzog keine Miene und schaute nur genervt auf. "Wow mein Bruder ist ein Spielverderber." lachte ich und setzte mich neben ihm auf das Sofa. " Zeig mal was du da liest!" sagte ich und ehe er irgendetwas machen konnte nahm ich ihm das Buch schon aus der Hand. "Psychologie?" Fragte ich ungläubig " wie langweilig!". Trotzig gab ich ihm das Buch zurück. " Du musst es ja auch nicht lesen!" murmelte Rhun betont genervt und laß sein Buch weiter ohne mir weiter Beachtung zu schenken.

Uns allen war aufgefallen das er in letzter Zeit merkwürdig war. Klar- er war schon immer in sich gekehrt, aber so sehr wie momentan auch wieder nicht. " Geht es dir denn gut?" fragte ich ihn schließlich und bemühte mich um einen halbwegs ruhigen Ton.

Ich hatte mit keiner Antwort gerechnet und war kurz davor einfach wieder zu gehen, als Ruhn plötzlich wieder von seinem Buch aufschaute. " Es ist in letzter Zeit irgendwie komisch." nuschelte er. Verständnislos schaute ich ihn an " Was denn genau?" fragte ich ihn. " Es ist als hätte ich zwei Gesichter." sagte er so leise das ich es kaum verstehen konnte. Sein Blick ging ins leere, so als wäre er auf einmal in einer Art Trance. Das Buch was er zuvor gelesen hatte, fiel laut auf den Boden und klappte zusammen. Unsicher hob ich das Buch wieder auf, legte es zur Seite und überlegte was ich erwiedern sollte.

Das erste mal in meinem Leben wünschte ich wie einer meiner Brüder zu sein, jeder von ihnen hätte jetzt wohl bessere Worte gefunden als ich. Aber da ich leider nicht meine Gestalt wechseln konnte, sagte ich das wohl unpassendste was man in so einer Situation sagen konnte " Oh...das ist ja nicht so gut." stotterte ich unbeholfen. Für einen Moment überlegte ich ob Rhun vielleicht einfach zu viele Bücher gelesen hatte, oder noch nicht ganz wach war, denn unter "zwei Gesichtern" konnte ich mir herzlich wenig vorstellen.

" Ach vergiss es!" riss mich Ruhn aus meinen Überlegungen, stand auf und verlies die Bibliothek.

"Das hast du ja echt super gemacht! Endlich versucht er sich dir zu öffnen und du verkackst es!" sagte ich zu mir selbst und wollte mich in diesen Moment am liebsten Ohrfeigen.


Schreibt wie immer gerne eure Ideen für die nächsten Teile und was ihr gerne noch lesen würdet:)

Die Vorgeschichte der 5 WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt