Kapitel 6: Wenn dir jemand im letzten Moment doch den Arsch rettet

7 4 36
                                    

Vermutlich sollte ich nicht hoffen, dass ich Zuhause aufwache.
Ich versuche mich abzulenken. Spiele mit der goldenen Rose, die ich von der Rosenverkäuferin bekommen habe.
Sie ist komplett mit Schmutz bedeckt.
Ich will gar nicht wissen, wie ich aussehe.

-Nevan-

Eve hat sich als Dienstmagd getarnt und in mein Zimmer geschlichen.
Mit einem Messer bewaffnet in mein Bett gelegt.
Irgendwie kommt mir das hier bekannt vor.
>>Eve.<< Begrüße ich sie.
>>Hallo Prinzchen.<< Sie steht auf.
>>Du hast einen Auftrag für mich?<< Zuckersüß lächelt sie mich an.
>>Wir haben beide einen Auftrag, der Meister des Schreibens hat mir geschrieben.<< Entmutigt halte ich den Brief hoch.
>>Der alte Sack lebt noch?<<
>>Ja, leider.<<
>>Okay. Gut. Was sagt der Brief.<<
>>Wir müssen eine Hexe vor dem Feuer retten und sie zum Meister des Schreibens bringen.<<
Ihre Augen werden groß.
>>Es gab einen Hexenprozess?<<
>>Kann man eigentlich nicht so nennen. Sie hat ständig etwas über Nussallergie gefaselt.<<
Vor meinem inneren Auge sehe ich sie. Wie verkrampft sie da stand und beschlossen hat, zu kämpfen. Mit dem was sie hat.
>>Also ist die Frage, holen wir sie jetzt raus? Heute Nacht? Oder morgen?<<
>>Wäre irgendwie schade, wenn ich dir helfe, sie wegzuschaffen, aber niemand weiß, dass ich es war.<<
>>Dich kennt hier eh jeder.<<
>>Sagst du.<< Sie verschränkt die Arme vor der Brust.

-

Die Nacht in der Zelle habe ich einigermaßen gut überstanden.
Geschlafen habe ich zwar nicht, denn immer, wenn ich meine Augen zutat, träumte ich von Zuhause. Von meiner Schwester Lia und meiner Mutter Angelika. Von meinem Zimmer, meiner Freundin Sofia.
Alle diese Täume endeten im selben Feuer und mit der selben Stimme die mich auslachte. Nevans Stimme.

Es wäre eine Qual gewesen, meine Augen schließen zu müssen.

Ich liege auf dem Rücken in der Zelle und zähle immer und immer wieder bis 10.

Etwas nasses tropft in regelmäßigen Abständen auf mein linkes Handgelenk.
Ich will gar nicht wissen, was es ist.

>>Du siehst ja jämmerlich aus.<< Bemerkt eine hohe Stimme.
Ich drehe den Kopf und sehe in das Gesicht eines gleichaltrigen Mädchens. Sie hat feuerrote Haare und stechende grüne Augen.

>>Bereit fürs Feuer, Hexchen?<<
Sie schließt die Tür auf und bedeutet mir, aufzustehen.
>>War ich auch nicht.<< Sie grinst und zwinkert mir zu.
Ich stehe auf, streiche mir die letzten Fetzen meines Kleides glatt und verlasse mit dem Mädchen die Zelle.
Sie muss mich stützen, mein Körper streikt.
Ich will nicht sterben.

Auf dem wunderschönen Platz vor dem Schloss befindet sich ein riesiger Scheiterhaufen aus dem ein langes Holzstück herausragt.

Anders als bei meinem Gerichtsprozess, werde ich dieses mal mit einem Stoff eingewickelt.

Wütend funkel ich erst den König und dann Nevan an.
>>Wir haben uns heute hier zusammengefunden, um dieses Weib ihrer gerechten Strafe zuzuführen.<<
Das Mädchen mit den roten Haaren beginnt meinen Kopf zu untersuchen.
Ihr Blick bleibt irritiert bei der Rose hängen.
>>Tatsächlich eine Hexe.<< Sie grinst und schubst mich weiter auf den König zu.
>>Irgendwelche letzten Worte, Ratte?<<
>>Hexenverfolgung ist so 1600.<<
Nevans Augenbrauen verrutschen bis zum Haaransatz. Die Augen des Königs verdrehen sich gleich zwei mal!
Unverschämt.
Und das alles wegen einer Nussallergie!
>>Zündet sie an.<<
Zwei Männer heben mich hoch und tragen mich bis zum Scheiterhaufen.
Sie befestigen mich am Balken.
Zwischen dem Holz liegen Strohballen.

Mein Blick sucht sie Menge ab. Jemand muss doch begreifen, was das für ein Schwachsinn ist?!
Mein Blick bleibt an einem Mädchen hängen.
Emma.
Sie sieht mit schreckgeweiteten Augen zu.

Meine Augen beginnen zu brennen.
Ich sterbe jetzt.

>>Vater?<< Nevan Hazelwood steht auf der selben Stelle, wo ich bis eben noch gestanden habe.
>>Warum machen wir das eigentlich hier? Warum machst du dir damit die Hände schmutzig?
Der Geruch von verbrannten Fleisch wird noch Tage danach in der Luft hängen.<< Mit jedem Wort nähert er sich mir.
>>Tritt beiseite!<<
Unbeteiligt steckt sich Nevan seine Hände in die Hosentaschen. >>Ich sag doch nur.<<
Zustimmendes Gemurmel geht durch die dichte Menschenmenge.
>>Warum besorgen wir uns nicht etwas besseres zur Unterhaltung, als dieses Ding.<<
Er zeigt auf mich.
Empört reiße ich die Augen auf.
>>Ey!<<
Nevan fährt genervt zu mir herum.
>>Ich versuche dir gerade zu helfen, Vector!<<
>>Ich heiße VIVI!<<
>>Wie?<<
>>VI-VI!<<
>>Nein. Wie kommst du darauf, dass es mich interessiert?<<
Oha!
>>Können wir ihn gleich mitverbrennen?<< Frage ich den König schreiend.
>>Zündet. Sie. An!<<
Schreit dieser stattdessen.
Ein Soldat mit einer Fackel beugt sich runter und zündet das Stroh an.
>>Heute nicht, Opa!<< Neben mir klettert das rothaarige Mädchen und schneidet meine Seile durch.
>>Bereit für ein Tänzchen?<< Sie schießt einen Pfeil mit einer vorher versteckten Armbrust ab
An dem Pfeil ist ein Seil befestigt. Sie umklammert mit einer Hand mich und mit der anderen das Seil.
>>WUHUUUU!<< Jubelt sie und schwingt mit dem Seil über die Menge.
Ich schreie.
>>Und Hoppla.<< Sie lässt mich los.
Kreischend lande in in einem Karren.
Ein junger Mann dreht sich zu mir herum.
>>Grüß dich.<<
Rothaar und HaZeLwOoD springen auf den Karren.
>>Los, los, los!<<
Wir fahren los, doch alles woran ich denke, ist, dass ich nicht gestorben bin.

>0<

Lia wacht schweißgebaded auf.
Ihrer Schwester ist etwas fürchterliches zugestoßen! Sie hat geträumt, dass sie und ihre Schwester gefangen und eingesperrt wurden.
Wo ist Vivi?!
Sie kämpft sich durch den Haufen von Decken und geht zum Fenster.
Draußen ist es stockfinster.
Nur der Mond und die Sterne leuchten.
Ihr kommt es so vor, als wäre heute der Nachthimmel aufgeregter als sonst. So, als hätte der Himmel etwas beobachtet, was niemand sonst weiß.

Just one more chapter: In jeder Geschichte steckt ein Fünkchen WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt