Kapitel 10: pinke Ziegen und kalte Mörder

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-Lia-

Vor mir steht eine pinke Ziege.
Sie ist gemein und rücksichtslos. Sie hat meinen Schuh angeknabbert.
Ich glaub, ich will sie Nevan nennen.
>>Komm mit Nevan.<< Ich winke der Ziege zu.
Nevan die pinke Ziege folgt mir auf Schritt und Tritt.
>>Weißt du, wo wir hier sind?<<
Mir war klar, dass Ziegen nicht sprechen können.
Aber ein Buch hat mich gesnackt und nun bin ich hier.
Also wird dieser Ort nicht normal sein.
Und diese Ziege auch nicht.
>>Gibt es hier ein Dorf in der Nähe?<<
Frage ich und kämme mir ein rotes Blatt aus meinen blonden Locken.

>>Hast du dich verlaufen, Kind?<< Fragt eine leise, feine Stimme.
Ich sehe mich um, kann aber niemanden erkennen.
>>Unter dir.<<
Ich neige den Kopf nach unten und sehe etwas glitzernes auf dem Boden.
Ich bücke mich und sehe eine funkelnde, kleine Fee auf und ab hüpfen.
Wahrscheinlich wäre jemand anderes überrascht gewesen. Doch nicht ich.
Ich glaube an Magie und an die Zauberwesen.
>>Hallo?<<
>>Hallo.<< Die Stimme der Fee ist glockenhell.
>>Hast du dich verlaufen?<<
>>Ja. Woher-<<
Die Fee schießt hoch und landet auf meinem Kopf.
>>Du befindest dich im Zauberwald. Eigentlich ist es sehr ungewöhnlich, dass ein Mensch es so weit schafft.
Meistens verbirgt sich der Wald vor Menschen.<<
War das jetzt gut oder schlecht?
>>Kannst du mir sagen, wo das nächste Dorf ist?<<
>>Ja. Ich kann dich auch führen. Die Welt hier ist schön, aber gefährlich.<<
>>Weißt du... hast du eine Vivi getroffen?<<
Frage ich hoffnungsvoll nach.
>>Vivi? Die Hexe?<<
Die Hexe?
>>Was meinst du mit Hexe?<<
>>Ein Mädchen hat den ehemaligen Kronprinzen Valentin umgebracht.
Sie sollte dafür eigentlich brennen. Aber der jetzige Kronprinz hat sie zusammen mit einer Kopfgeldjägerin und einem Stallburschen gerettet. Das war hochdramatisch. Und witzig.<<

-Vivi-

Die Blätter der Bäume verfärben sich.
Von grün zu rot zu blau und rosa.
>>Wir fahren jetzt in den Zauberwald.
Ab hier müssen wir aufpassen.<<
>>Wieso?<< Frage ich und sehe auf die wunderschöne Landschaft.
>>Nicht jedes Wesen meint es gut mit einem.<< Flüstert Eve und zückt ihre Armbrust.
>>Okay.<< Erwidere ich.
>>Wie lange werden wir hier im Zauberwald sein?<<
>>Höchstens 48 Stunden.<< Antwortet Nevan.
>>Okay.<<

Die Sonne nähert sich dem Horizont. Bis jetzt sind wir noch niemanden begegnet.
Meine Gedanken driften immer wieder ab. Ich denke an Zuhause. An Lia, an Angelika, an meine Freunde.
Vermissen sie mich auch so dolle wie ich sie?

>>Du solltest etwas essen.<< Eve schiebt mir getrocknetes Fleisch rüber.
>>Danke.<< Ich nehme es entgegen und beiße vorsichtig hinein.
Eve legt ihre geladene Armbrust neben mich ab und lächelt mich an.
>>Du kannst gut mit Waffen umgehen. Aber eine Soldatin bist du nicht.<<
>>Richtig. Ich bin eine Kopfgeldjägerin.
Aber keine Sorge. Anders als manch andere Jäger bin ich ehrenhaft. Ich liefere dich nicht aus.<<
>Wenn du ein Herz hast, solltest du dich dem König ausliefern.<
>>Die goldene Traumelfe meinte, ich solle es tun. Mich ausliefern meine ich.<<
>>Vielleicht arbeitet sie für den König?<< Eve zuckt mit den Schultern.
>>Aber wieso hat sie mich dann erledigt und zu euch zurückgebracht. Das ergibt doch keinen Sinn?<<

Es wird zunehmend dunkel im Wald.
>>Warte kurz.<< Eve springt auf. >>Machen wir eine Pause oder fahren wir weiter?<<
Fragt sie an Nevan gewandt.
>>Pause. Caleb muss schlafen.<< Er klopft ihm brüderlich auf die Schulter.
>>Außerdem betreten die Soldaten den Zauberwald nie. Sie haben Angst vor den Mächten.<<

-Nevan-

Ich habe das seltsame Gefühl, dass etwas in den Bäumen versteckt ist.
Die anderen sind schon lange am schlafen. Nur ich starre in das Gebüsch.
Bei jedem kleinen Geräusch zucke ich zusammen.
Dabei habe ich keine Angst um mich.

Seufzend wende ich den Blick ab.
Eve ist schlafend an einen Baum gelehnt, Caleb schläft bei den Pferden und Vivi am Feuer.

Ich höre einen Ast knacken und fahre herum.
Nichts.

Blindlings greife ich zu meinem Schwert und stehe auf.

Einmal mehr starre ich in den Wald.

Mit einem letzten Blick versichere ich mir, dass die anderen schlafen und verlasse unseren Rastplatz.

-Vivi-

Mit klopfenden Herzen wache ich auf.
Röchelnd atme ich ein.
Panisch schlage ich die Augen auf.
>>Immer mit der Ruhe.<< Flüstert eine tiefe dunkele Stimme.
Kalte, grobe Hände umschließen meine Kehle.
Panisch trete ich um mich, meine Hände versuchen verzweifelt die Hände des Fremden von meiner Kehle zu lösen.
Heiße Tränen laufen mir über die Wange.
Ich ersticke.
>>Nanana. Wir wollen doch nicht weinen.<< Flüstert der Fremde und fährt mit seinen Lippen über meine Tränen.
Verzweifelt versuche ich mich zu wehren, vergebens.
>>Du bist tot.<< Zischt eine vertraute Stimme und rammt dem Fremden ein Schwert in den Rücken.

>0<

Die Seiten haben vor Schreck gar nicht hinsehen wollen.
Die arme Vivi.
Wie grausam die Welt doch ist.

Just one more chapter: In jeder Geschichte steckt ein Fünkchen WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt