Kapitel 38

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Die Stille war wie ein schwerer Mantel, der mich zu ersticken drohte. Ich lag auf der harten Matratze, den Blick zur Decke gerichtet, obwohl ich sie in der Dunkelheit kaum erkennen konnte. Mein Bein pochte schmerzhaft, die Wunde hatte aufgehört zu bluten, aber der Schmerz – dieser dumpfe, brennende Schmerz – erinnerte mich mit jedem Atemzug daran, dass ich immer noch hier war. Immer noch in seiner Gewalt.

Fliehen. Warum hatte ich es nicht getan? Es gab Augenblicke, in denen ich die Möglichkeit gesehen hatte – als die Wachen abgelenkt waren, als die Tür einen Moment lang unverschlossen blieb. Und doch... hatte ich nichts unternommen. Was hielt mich hier fest? War es wirklich die Angst vor Serafino, oder war da etwas anderes, etwas Dunkleres, das mich zurückhielt?

In der Stille lauschte ich auf jedes kleinste Geräusch. Mein Herzschlag war viel zu laut in der Dunkelheit, und meine Gedanken drehten sich in endlosen Kreisen um ihn. Serafino. Sein Name fühlte sich wie ein Gift an, das sich in meinen Verstand fraß. Ich hasste ihn. Das sagte ich mir immer wieder. Aber das reichte nicht, um mich zu befreien.

Ich schloss die Augen, versuchte, meinen Atem zu beruhigen, doch da war etwas. Ein fremdes Gefühl in der Luft. Ich spürte es, bevor ich es hörte. Ein kaum wahrnehmbares Rascheln, ein sanftes Knarren. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich die Augen öffnete. Serafino saß auf dem Stuhl, auf dem er mich zuvor gequält hatte. Ich erkannte seine Umrisse sofort, auch wenn das Licht nur schwach durch das kleine Fenster fiel. Mein Körper verkrampfte sich unwillkürlich. Das Messer, mit dem er mich verletzt hatte, drehte er langsam zwischen seinen Fingern, als wäre es ein bedeutungsloses Spielzeug. Doch ich wusste es besser. An der Klinge glänzte noch immer das dunkelrot Blut. Mein Blut.

"Du bist wach", sagte er leise, ohne den Blick von der Klinge zu heben. Seine Stimme war ruhig, fast beiläufig, als wäre es das Normalste der Welt, mitten in der Nacht in meiner Zelle zu sitzen. Als wäre es völlig normal, hier zu sein - inmitten meines Schmerzes, meines Gefängnisses. Ich schluckte schwer, mein Mund war trocken. Worte blieben mir im Hals stecken, und ich spürte, wie mein Puls raste, als sein Blick endlich zu mir glitt. Diese Augen. Kalt, berechnend, aber da war noch etwas anderes - etwas Dunkles, das ich nicht benennen konnte. Und vielleicht wollte ich es auch nicht benennen.

Der Schmerz an meinem Oberschenkel nahm immer weiter zu, als sich der Ndbel in meinem Verstand lichtete. Es tat höllisch weh. Als ich an mir herunterblickte, sah ich die handgroße Stelle, an der Haut fehlte. Getrocknetes Blut klebte an meinem Bein. Es brannte wie Feuer auf meiner Haut. Noch immer trug ich nur das weite T-Shirt und den Slip. Da stshirt hatte mir einer der Wachen gegeben. Einen Tag nachdem ich in dieser Hölle ankam. Erschöpft ließ ich meinen Kopf zurück fallen.

"Warum tust du das?" Meine Stimme klang rau und schwach, aber ich musste es wissen. Musste hören, wie er es in Worte fasste, diese Qual, die er mir zufügte.

Er lächelte, trat näher und setzte sich an die Bettkante. "Weil ich kann", sagte er einfach, als wäre es die selbstverständlichste Antwort der Welt.

Ich wollte ihm nicht in die Augen sehen, doch er zwang mich dazu, packte mein Kinn mit eisernem Griff und drehte mein Gesicht zu sich. Seine Finger waren kalt, sein Blick durchdringend. Und als ich ihn ansah, war es, als könnte er tief in mich hineinschauen, jede Angst, jeden Gedanken in mir sehen.

"Du gehörst jetzt mir, Milena", sagte er, seine Stimme ein dunkles Flüstern. "Du kannst nicht fliehen. Selbst wenn du es versuchen würdest - ich würde dich finden. Und dann würde es weitaus schlimmer enden."

Seine Worte krochen wie Gift in meinen Kopf. Ich fühlte mich wie eine Puppe in seinen Händen, gelenkt, kontrolliert. Das Schlimmste war, dass ich keinen Weg sah, diesem Albtraum zu entkommen. Mit jedem Tag zog er die Schlinge enger und ich wusste, dass ich ihm irgendwann ganz gehören würde. Es war ein Kampf, den ich nicht gewinnen konnte.

"Lass mich gehen", flüsterte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Es war ein verzweifelter Versuch, und das wusste er.

Er beugte sich näher zu mir, so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spürte. "Nein, Milena", flüsterte er sanft, und die Art, wie er meinen Namen aussprach, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. "Du wirst bleiben. Du wirst alles tun, was ich von dir verlange. Und irgendwann wirst du nicht mehr fliehen wollen."

Ich wollte ihm widersprechen, ihm sagen, dass er falsch lag. Aber tief in mir wusste ich, dass etwas an seinen Worten wahr war. Mit jedem Tag wurde es schwerer, gegen ihn anzukämpfen. Er war überall, in meinen Gedanken, verfolgte mich im Schlaf. Sein Griff um meinen Verstamd wurde fester. Ich konnte nicht mehr atmen, nicht mehr klar denken, ohne dass er dort war, in jeder Ecke meines Bewusstseins.

Serafino stand langsam auf, trat einen Schritt zurück und musterte mich mit einem Lächeln, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. "Schlaf jetzt", sagte er leise. "Morgen haben wir viel vor."

Doch bevor er verschwinden konnte, stellte ich ihm die Frage, die deit Tagen auf meiner Seele brannte. "Warum bringst du mich nicht einfach um?" Tränen liefen über meine Wangen. Meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Ich hatte keine Kraft mehr.

"Weil...", begann er, zögerte und sah mir tief in die Augen. Sein Blick brannte sich in meine Seele. "Ich werde dich nicht töten. Ich habe geschworen, niemals jemanden meines Blutes das Leben zu nehmen. Aber das heißt nicht, dass ich dich nicht leiden lassen werde, Milena."

Seine Worte ließen mir den Atem stocken. Jemanden meines Blutes? Was meinte er damit?

"Was... was soll das bedeuten?", brachte ich schließlich hervor, doch ich war nicht bereit für die Antwort.

Er drehte sich zur Tür, seine Hand bereits am Griff. Doch bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, warf er mir einen letzten Blick zu.

"Ich werde dich nicht töten, weil du meine Tochter bist."

Die Tür schloss sich mit einem lauten Knall. Zurück blieb nur die Stille, die meinen tobenden Gedanken Raum gab. Er ist mein Vater.

⭐️⭐️⭐️

Pain of the Mafia BossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt