Ein eigenes Zimmer

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Das Klingeln der Tür ließ mich innehalten und gleichzeitig verschnellerte sich mein Herzschlag um das Doppelte. Ich blickte zu Harry, der ebenso seine Bewegungen stoppte und zu mir sah. "Es ist soweit", sagte ich lächelnd und er nickte, wirkte mit einem Mal ganz nervös und strich sich die Handflächen an seiner Hose ab. 
Mit einem breiten Lächeln betätigte ich den Türöffner und griff nach Harry's Hand. Gemeinsam öffneten wir die Tür und warteten, bis wir Schritte im Treppenhaus hörten, die näher kamen. Und dann kamen sie um die Ecke.

Eine junge Frau, sie musste um die dreißig sein, mit langen blonden Haaren kam lächelnd auf uns zu, an der Hand hielt sie Sarah. Als ich sie ansah, war es sofort um mich geschehen. Ihre großen, grünen Augen wirkten ängstlich, sie hielt sich an dem Kuschelhasen fest, den sie auch schon auf dem Foto in den Armen gehalten hatte, und musterte uns skeptisch. 
"Hallo, kommt rein!" sagte Harry freundlich und wir machten die Tür frei. Sarah blieb eng an der Betreuerin, ging vorsichtig durch die Tür. 
"Hallo, ich bin Miss Ashton!" sagte die Frau und reichte uns die Hand. "Ich möchte Ihnen zuerst sagen, wie sehr wir uns freuen, dass Sarah eine Chance auf ein Zuhause bekommen hat. Sie ist wirklich ein ganz besonderes Kind!" 
Lächelnd nickte ich und sah Sarah an. "Wir freuen uns auch . Wir haben schon lange auf dich gewartet, Kleines!" sagte ich sanft und die Kleine musterte mich, ehe sie ein schüchternes Lächeln zeigte und dann Harry musterte. 
Er hockte sich vor sie und lächelte sie an. "Na, Süße? Bereit, dein Zimmer zu sehen?" 

Sarah machte große Augen, nickte aber leicht und umklammerte den Hasen fester. Ich sah zu Miss Ashton. "Können wir?" 
Sie lächelte amüsiert und nickte. "Sie brauchen mich nicht fragen. Sie sind jetzt schließlich die Eltern", antwortete sie mit einem Zwinkern und ich nickte und sah lächelnd zu Harry, der die Hand nach Sarah ausstreckte. 
"Soll ich es dir zeigen?" 
Sie löste die Hand von der Betreuerin und legte sie vorsichtig in Harry's. Mein Herz machte einen kleinen Sprung und auch er schien einen Moment zu stocken, stand dann auf und ging mit Sarah in Richtung Kinderzimmer. Sie stoppte und sah zu mir. "Du auch?" 
Überrascht nickte ich, folgte den Beiden sofort und so betraten wir gemeinsam ihr neues Zimmer, in dem wir gerade noch ein paar letzte Bilder aufgehangen hatten. 

Die Kleine sah sich um, während Harry den Arm um mich legte und mich mit nervösem, aber glücklichem Blick ansah. Lächelnd küsste ich seine Wange. 
"Ein eigenes Zimmer", flüsterte Sarah, ehe sie auf das Bett kletterte und über die weiche Decke strich, dann sah sie uns an. "Warum?" 
Ich lächelte sie an. "Warum was, Sarah?" 
"Warum bin ich hier?" fragte sie leise und musterte uns misstrauisch. Harry atmete tief durch und ich löste mich von ihm, ging zu Sarah und setzte mich neben sie. Sie sah mich fragend an und ich sortierte einen Moment meine Gedanken, um eine akzeptable Antwort zu formen. 
"Schau mal, das da ist Harry", sagte ich und zeigte auf meinen Ehemann. "Und ich bin Louis. Wir beide haben uns eine Familie gewünscht und danach gesucht. Und dann haben wir von dir erfahren, dass du auch eine Familie suchst und dass du ein Zuhause brauchst. Und das wollen wir dir geben", erklärte ich ihr. 

Sarah nickte leicht und musterte mich, dann sah sie zu ihrem Hasen. "Bleibe ich bei euch?" fragte sie, woraufhin ich sofort nickte. "Das tust du, ja. Du bleibst bei uns und wir passen auf dich auf." 
Der letzte Teil schien etwas in ihr zu triggern, denn sie sah mich mit großen Augen an, hielt mir dann ihren Hasen hin. "Auf ihn auch?" fragte sie leise. 
Mit einem Lächeln nahm ich den Hasen und drückte einen Kuss zwischen seine Ohren, zwinkerte ihr zu und nickte. "Aber natürlich!" versicherte ich ihr mit ganz ernster Miene, woraufhin sie kicherte und leicht nickte. 

Die anfängliche Angst schien sich zu legen. Auch wenn sie schüchtern war, sie lächelte mehr und schien interessiert zu sein, besonders an Harry, den sie immer wieder musterte und dann anfing zu kichern. Ich lachte leise, als es sich wiederholte und sah amüsiert zu Harry. Der musste grinsen und legte den Kopf schief, sah Sarah an. 
"Du hast auch grüne Augen", sagte sie und griff nach seiner Hand, die er ihr sofort reichte. "Ja, das stimmt. Wir sind uns ähnlich", antwortete er und die Augen der Kleinen leuchteten auf, ehe sie lächelnd zum Bücherregal blickte und dabei weiter Harry's Hand hielt. 
"Lest ihr mir vor?" 
Ich stand sofort auf. "Klar! Willst du etwas über tapfere Prinzessinnen lesen? Oder lieber über..." Ich stöberte durch die Bücher. "Oh! Hier!" rief ich und zog ein Buch hervor, sah sie an und grinste. "Oder vielleicht über einen Regenbogenfisch?" fragte ich sie und zeigte ihr das glitzernde Buch. Sie fing an zu strahlen und nickte. "Regenbogenfisch!" rief sie und klatschte in die Hände. Mit einem Lachen ging ich zurück zum Bett und schlug das Buch auf, lehnte mich an Harry und fing an, vorzulesen. 
Und irgendwann kam Sarah näher und musterte uns einen Moment, ehe sie es mir nachmachte und sich ebenfalls an Harry lehnte. Dieser sah mit leuchtenden Augen zu mir und ich küsste schnell seine Wange, ehe ich mit einem breiten Grinsen weiter vorlas. 

***

"Sie schläft", sagte Harry, als er am Abend zurück in unser Wohnzimmer kam und sich neben mich auf die Couch setzte. Lächelnd drehte ich mich zu ihm und sah ihn an. "Das hat aber nicht lange gedauert." 
Er nickte und streckte sich. "Sie war hundemüde, der Tag muss für sie auch hart gewesen sein. Aber sie hat mir etwas gesagt..." Er grinste mich an. 
"Und was?" fragte ich neugierig.
"Sie hat gesagt, dass sie ihr Zimmer liebt und dass du und ich lieb sind." Er konnte seinen Stolz kaum verbergen und auch ich musste grinsen, ehe ich mich an ihn kuschelte. "Wir kriegen das hin, Hazza", murmelte ich.
"Das werden wir." Er strich mir durch die Haare und ich seufzte leise auf, genoss seine Berührungen und griff nach seiner Hand. Sie war kalt und ich sah ihn an. "Wieso hast du nur schon wieder so kalte Hände?" 

Er zuckte mit den Schultern und atmete tief durch, ehe er kräftig gähnte. "Ich bin einfach erschöpft." 
Stirnrunzelnd setzte ich mich ein wenig auf und musterte sein Gesicht. Er sah müde aus, was nicht ungewöhnlich war. Doch ich erkannte in seinen Augen den selben trüben Schleier, den er bei unserer Hochzeit auch hatte. 
"Haz, geht's dir nicht gut?" fragte ich ihn leise. 
Er sah mich an. "Doch, alles gut. Ich bin müde und habe Kopfschmerzen. Ich sollte wohl schlafen, morgen ist wieder alles gut!" sagte er mit einem Lächeln und gab mir einen sanften Kuss. "Ist das okay für dich? Wenn ich schlafen gehe?"
"Natürlich", antwortete ich leise. "Ich komme auch gleich, ich will vorher noch die Bestellungen durchgehen." 

Er verabschiedete sich mit einem erneuten Kuss, ehe er im Schlafzimmer verschwand und ich meinen Laptop hervorholte und ihn startete. Ich öffnete den Browser, anstatt die Bestellungen durchzugehen, denn genau wie Zayn hatte ich nach wie vor Zweifel daran, dass die Ärzte in Harry's Fall richtig gehandelt hatten. Es war mir komisch vorgekommen, dass sie nicht einmal Blut abgenommen hatten und es machte mich nervös, dass er erneut so erschöpft war. Das war nicht mein Harry, so war er nie gewesen. 
Ich verlor mich an diesem Abend in unzähligen Webseiten, diversen Arztblogs und dem ein oder anderen Youtube Video, so lange, bis ich seufzend aufblickte, weil ich nichts fand, dass in irgendeiner Form hilfreich war. Irgendwann googelte ich seine Symptome. Es war alles dabei. Von Stress, über Störung des Gehörganges, bis hin zu schlimmeren Dingen, die ich mir nicht wagte, auch nur auszusprechen oder daran zu denken. Ich sagte mir selbst, dass nichts davon sein konnte und dass die letzten Wochen einfach wirklich zu anstrengend gewesen waren. 

Gerade als ich den Laptop in den Schrank verbannen wollte, öffnete sich eine Tür im Flur und ich blickte in die Richtung. Sarah tapste durch die Wohnung, kam zu mir und blieb in der Tür stehen, musterte mich unsicher. 
"Hey, Kleines", sagte ich sanft. "Wieso schläfst du gar nicht?" 
Sie presste den Hasen an sich und sah mich an. "Es ist gruselig und dunkel", murmelte sie unsicher. 
Sofort bereute ich, dass ich das Nachtlicht, welches ich ausgesucht hatte, nicht gekauft hatte. Das würde ich morgen früh als Erstes erledigen. Lächelnd breitete ich die Arme aus. 
"Magst du zu mir kommen? Hier ist es gar nicht gruselig und ich passe auf euch auf." 

Sarah nickte leicht und kam zu mir gelaufen, kletterte auf die Couch und kuschelte sich an mich heran, platzierte ihren Kopf auf meiner Brust. Lächelnd legte ich die Wolldecke über uns gab ihr einen Kuss auf den Kopf und wiederholte das auch bei dem Kuschelhasen. 
"Jetzt kannst du schlafen, okay?" flüsterte ich und sie nickte leicht und schloss die Augen. Sanft streichelte ich sie, während ich sie musterte und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Sie schien sich wohlzufühlen und dass sie zu mir gekommen war, hielt ich für ein gutes Zeichen. In mir wuchs die Gewissheit, dass alles wirklich gut werden würde, so wie Harry und ich uns das vorgestellt hatten. Und wie ich so über alles nachdachte, wurde Sarah immer schwerer und fiel in meinen Armen in einen tiefen Schlaf, dem auch ich kurz darauf folgte. 

The Love It Takes | L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt