Kapitel 1: Das Mädchen am Fluss

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Der Nebel hing dicht über dem Wasser, als Neuvillette, der oberste Richter von Fontaine, am Ufer des Fontaine-Flusses entlangschritt. Das sanfte Rauschen des Wassers beruhigte ihn, und doch lag eine unbestimmte Unruhe in der Luft, die er nicht ganz einordnen konnte. Sein Blick glitt über die Oberfläche des Flusses, das Wasser funkelte im Licht der untergehenden Sonne. Es war einer jener Momente, in denen die Stille in Fontaine fast erdrückend wirkte.

Während er die friedliche Landschaft auf sich wirken ließ, durchbrach plötzlich ein leises Geräusch die Stille – ein Schluchzen, so schwach, dass es fast im Rauschen des Wassers verloren gegangen wäre. Neuvillette hielt inne und lauschte, seine Augen suchten die Umgebung ab. Das Schluchzen kam näher, aus dem dichten Schilf am Ufer.

Zögerlich trat er ein paar Schritte näher und entdeckte schließlich die Quelle des Geräusches. Zwischen den hohen, nassen Halmen saß ein kleines Mädchen. Ihre zierliche Gestalt war in einen schlichten, blauen Umhang gehüllt, der ihr offensichtlich viel zu groß war. Sie hatte die Knie an die Brust gezogen und schien sich vor der Welt zu verstecken. Ihr hellblaues Haar fiel in sanften Wellen über ihre Schultern, und ihre großen, wasserblauen Augen schimmerten voller Tränen.

Neuvillette blieb stehen, unsicher, wie er sich nähern sollte. Es war nicht üblich, dass er auf solche Art mit Menschen in Berührung kam, und schon gar nicht mit Kindern. Seine Rolle als Richter brachte es mit sich, distanziert zu bleiben, und doch fühlte er in diesem Moment eine tiefe Regung des Mitgefühls.

"Alles in Ordnung?" fragte er mit sanfter Stimme, so ruhig wie das Wasser, das in seinem Inneren widerhallte.

Das Mädchen zuckte zusammen, als hätte sie ihn nicht bemerkt, doch dann hob sie langsam den Kopf. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn sah, doch anstatt zu fliehen, starrte sie ihn nur an – als ob er der erste Mensch war, dem sie seit langer Zeit begegnet war.

"Du musst keine Angst haben," fügte er hinzu, als sie nicht antwortete. "Ich bin Neuvillette, der oberste Richter von Fontaine. Du bist in Sicherheit."

Das Mädchen wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht und schniefte leise. Ihre Lippen zitterten, bevor sie endlich sprach. "Ich… Ich weiß nicht, wo ich bin."

Neuvillette kniete sich neben sie, sodass seine Augen auf gleicher Höhe mit ihren waren. „Wie heißt du?“ fragte er behutsam.

„Neria,“ flüsterte sie kaum hörbar.

„Woher kommst du, Neria?“ fragte er, aber sie schüttelte nur den Kopf, als könne sie die Antwort selbst nicht fassen. Ihre Hände umklammerten den Stoff ihres Umhangs so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

Neuvillette spürte, dass hier mehr vor sich ging, als es den Anschein hatte. Er war schon lange in Fontaine und hatte viel gesehen, aber ein Kind allein am Fluss war ungewöhnlich. Vor allem ein Kind, das keine Ahnung hatte, wie es hierher gekommen war.

„Komm, ich bringe dich an einen sicheren Ort,“ sagte er schließlich und hielt ihr die Hand hin. Sie zögerte, blickte von seiner Hand zu seinem Gesicht und dann wieder zurück, bevor sie langsam zugriff.

Als sie gemeinsam den Weg zurück in die Stadt einschlugen, spürte Neuvillette etwas Seltsames – das Wasser um sie herum reagierte auf ihre Schritte, als ob es die Anwesenheit des Mädchens bemerkte. Es kräuselte sich, kleine Wellen formten sich, ohne dass Wind aufkam. Er war ein Mann, der die Strömungen und die Geheimnisse des Wassers besser kannte als jeder andere in Fontaine. Es war, als würde das Element selbst auf sie beide lauschen.

Je weiter sie gingen, desto klarer wurde ihm, dass Neria nicht nur ein verlorenes Kind war. Ihr Körper zitterte gelegentlich, und ihre blassen Lippen murmelten unverständliche Worte, die wie alte Beschwörungen klangen. Es war, als ob etwas in ihr schlummerte, das sie selbst nicht begreifen konnte.

„Hast du Schmerzen?“ fragte er sanft, als sie kurz innehielt und ihre Hand vor ihre Brust legte.

„Es… es fühlt sich seltsam an,“ antwortete sie stockend. „Manchmal… manchmal fühlt es sich an, als ob ich nicht ich selbst bin.“

Neuvillette blickte sie aufmerksam an, seine Gedanken rasten. Es gab Legenden in Fontaine, alte Geschichten über Wesen, die mit dem Wasser verbunden waren, aber er hatte sie immer für Mythen gehalten. Drachen, die die Strömungen beherrschten, Kreaturen, die aus den Tiefen des Ozeans aufstiegen – es schien unmöglich, dass ein kleines Mädchen mit solchen Dingen zu tun haben könnte.

Doch als sie die Stadtgrenzen erreichten, spürte er plötzlich eine mächtige Präsenz. Ein kaum sichtbarer Schimmer huschte über Nerias Haut, fast so, als würde das Wasser in der Luft auf sie reagieren.

Und in diesem Moment wusste Neuvillette, dass er auf etwas weit Größeres gestoßen war. Neria war kein gewöhnliches Kind.

Sie war etwas Uraltes, etwas mit einer Verbindung zur tiefsten Essenz von Fontaine – und er war der Einzige, der ihr helfen konnte, zu verstehen, wer oder was sie wirklich war.

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Ich wollte eine neue Genshin ff schreiben die in Fontaine spielt. In dieser Geschichte ist Furina noch der Hydro Archon, so please don’t hate me >~<.
Habt noch einen schönen Tag
Kitari~

Tochter des Wassers a Genshin ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt