Finale: Letzter Atemzug

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Trist. Grau. Leblos.

Ich hatte nie erahnen können, was es mit einem anrichten kann. Ist man einmal erst die hohe Leiter geklettert, so gibt es kein Zurück mehr.

Außer, du fällst. Tief. Fest. Schmerzhaft.

Wenn man erst realisiert hat, wie endlos dieses schwarze Elendsloch dich in die Dunkelheit reinzieht, ist der stechende Schmerz und die starke Wucht um so größer. Lächerlich, wie bitter die Wahrheit ist, die einen so schwach wirken lässt und deine letzten Energiereserven wie ein gieriges Insekt aufsaugt. 

Jeder Atemzug war ein reiner Kampf ums Überleben. Jeder Gedanke an die Vergangenheit ein Stich im Herzen. Jede Träne ein weiterer Verlust der Willenskraft.

Kai war weg.

Und das schlimme war, dass mir niemand erklären konnte, was der Anlass dazu gewesen war.

Kurz nach dem Ereigniss am Bahnhof war nichts mehr wie früher gewohnt gewesen. Ich habe es versucht zu verdrängen. Die traurige Miene hinter einer Fassade aus falschen Gelächter versteckt. Die quällenden Fragen für mich behalten und sie nur in meinem verwirrten Verstand Preis gegeben. Keiner von den Jungs hat sich jemals ausmalen können, dass ihr bester Freund wortlos verschwindet. Nicht einmal Sehun, die Person, an der Jongin am meisten Halt gesucht hatte und die er am meisten vertraute, wusste bescheid.

Doch was mich am meisten verletzte, war die nackte Tatsache, das ich mir ernsthaft eingebildet hatte, Jongin würde mir genau so vertrauen, wie er es vorher gezeigt hatte. Es war hart, zu akzeptieren, dass ich niemals die Person war, die an seiner Seite stehen konnte. Egal wie ich mir sehnlichst gewünscht hätte, dieser Mensch zu sein, der ihm eine offene Hand reicht, musste ich annehmen, dass Kai sich ohne jemanden fortbewegen wollte. Schritt für Schritt in seine Ungewissenheit.

Ein Monat später

So nahm auch das Schuljahr seinen Lauf und obwohl ich bisher probiert habe, die eingeprägten Bilder aus der Vergangenheit auszulöschen, verfehlte ich die vergeblichen Versuche, zu vergessen. Auch wenn Sehun und seine Freunde ihren Alltag dahinlebten, der Vip-Tisch in der Cafeteria nur noch von 11 Jungen besetzt wurde, im Unterricht ein leerer Platz vor meinem Tisch stand und der Tanzraum in der Zwischenzeit von anderen Tanzbegierten belegt gewesen ist, war ich immer die jenige, die sich von der Gruppe abgegrenzt hatte mit Ausreden wie "Ich muss lernen", "Nächstes Mal vielleicht" oder "Ich habe keine Zeit". Jedoch was keiner von ihnen wusste, war, dass ich jedes Mal an Orten lungerte, die vergange Erinnerungen zurück bringen.

Es tut verdammt weh, sich an diese Momente zu erinnern, die es wahrscheinlich niemals wieder gegen wird.

Drei Monate später

"Linh! Raus aus den Federn! Jemand wartet schon seit über eine Stunde im Wohnzimmer auf dich!"

Die drängende Stimmfarbe meiner Mutter schallte durch die Holztür meines Schlafzimmers hindurch, welches sich eher einer schwarzen Gruft glich. Die heruntergerollten Jalousienen waren bis zum letzten Zentimeter herunter gezogen, der Boden war mit chaotischen Skizzen, Zeichnungen und Bruchstücke von Radiergummies, als auch verwahlosten Blankoblätter komplett bedeckt.

Erschöpft richtete ich mich auf der knarrenden Matraze auf, kratzte mich verschlafen am Kopf und streckte mich ausgiebig aus, bevor meine halb verschlossenen Augen auf das unberührte Handy auf dem Nachttisch neben meinem Bett schweifte. Kraftlos streckte ich die Hand nach dem Smartphone aus, wie es seit den Monaten zuvor getan habe.

Keine neuen Nachrichten.

Ein enttäuschtes Schnaufen enfuhr mir aus dem Mund und sofort knallte ich das verfluchte Gerät auf den Tisch.

In love with you • Jongin✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt