Kapitel 7 | Der Katalysator

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Langsam wurde die schwarze Unendlichkeit seichter. Vage und dumpf klangen Stimmen in mein Ohr. Rüttelten an mir und zerrten mich langsam an die Oberfläche. Es war kalt und ich fror. Ich wollte meine Bettdecke über mich ziehen und mich nochmal umdrehen, aber irgendwie gelang es mir nicht. Nach und nach strömten jetzt immer mehr Sinneseindrücke in mein Bewusstsein. Ich lag gar nicht, sondern stand. Meine Arme ließen sich nicht bewegen und die Muskeln in meinen Beinen brannten wie Feuer. Und da setzten auch die Kopfschmerzen ein. Ich versuchte, die Augen zu öffnen. Es gelang mir. Verschwommene Finsternis mit einzelnen Inseln aus trüben, warmen Licht.

Ich blinzelte.

Das Licht wurde zu Fackeln. Ich roch Erde, Staub und Petroleum. Wieder wollte ich die Arme bewegen, aber sie gehorchten mir nicht. Auch wenn mein Kopf Tonnen zu wiegen schien, hob ich ihn. Mein Nacken ächzte. Beide Arme waren über meinem Kopf gefesselt. Ich keuchte. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn.

Schritte ertönten.

„Sieh an, wer da wach ist." Einen Moment später stand der hagere Mann, der sich in Atoi an meinen Tisch gesetzt hatte, vor mir und sah mir in die Augen. Er trug noch immer seinen Hut, der jetzt schief auf seinem Kopf saß. Grinsend sah er mich an.

„Hab dir doch gesagt, dass ich dich finde, werde." Sein Mundgeruch schlug mir wie eine Faust ins Gesicht. „Hättest mir das Buch auch gleich geben können, Freundchen." Er nickte nach rechts, dort stand unweit von mir entfernt ein kleines Tischchen. Nach und nach wurde mir bewusst, dass ich mich in einer Art Höhle befinden musste. Ich spürte nackten Fels unter meine Fußsohlen. Erst jetzt bemerkte ich, dass mir der Wahnsinnige auch die Schuhe ausgezogen hatte.

„Wir sind keine Freunde", krächzte ich. Mein Hals brannte und fühlte sich wund an, ganz so als hätte ich einen Eimer voll Sand geschluckt. Plötzlich flammte ein dumpfer Schmerz in meiner linken Seite auf. Einen Moment später zog der Kerl die Faust zurück. Ich stöhnte vor Schmerz, während gleichzeitig meine Beine nachgeben. Ich sackte zusammen, was zur Folge hatte, dass mein gesamtes Gewicht nun an den Armen hing. Der nächste Schmerzstoß zuckte durch meine Schultern wie ein Blitzschlag. Mühsam kam ich wieder auf die Beine, während ich nach Atem rang.

„An deiner Stelle würde ich mir die blöden Sprüche verkneifen", sagte hagere Mann und lächelte dünn. Seine Augen wanderten über mich und warteten prüfend, ob ich etwas erwiderte. Ich schwieg und wich seinem Blick aus. Stattdessen zog ich einmal mehr prüfend an meinen Fesseln. Eine vage Vermutung breitete sich in meiner Körpermitte aus und die gefiel mir ganz und gar nicht. Der Kerl hatte mich sicher nicht aus Nächstenliebe entführt, in einer Höhle angekettet und das Buch aufgeschlagen.

„Was willst du von mir?", fragte ich.

„Du bist der Einzige, der uns noch mit dem Buch in Verbindung bringen kann", erklärte er und grinste mir wieder zu. „Deswegen war es besser, Vorkehrungen zu treffen. Nicht dass uns später noch jemand stört. Es gehört jetzt uns!"

„Ich ... Es ..." Ich verstummte. Mir wurde klar, dass es nichts gab, was ich sagen konnte, dass diesen Verrückten dazu bringen würde, mich zu befreien. Aber er hatte von uns gesprochen. Sie waren also mindestens zu zweit. Ich musste also nur abwarten und hoffen, dass sein Partner vernünftiger war. Mein Blick sah wieder zu dem Buch, dann weiter durch den dunklen Hohlraum. Die Luft roch abgestanden und alt. Staubig und es war dunkel. Überall waren Fackeln verteilt und ich sah ihre Schatten auf dem grauen Stein tanzen. Links in meinem Augenwinkel schien sich eine Art Gang zu befinden. Vielleicht konnte ich darüber entkommen, wenn ich mich irgendwie befreien konnte. Langsam reifte ein Plan in meinem Kopf heran. Ich musste auf Zeit spielen. Früher oder später würde dieser Wahnsinnige einen Fehler machen und dann konnte ich vielleicht über den Gang entkommen. Wenn nicht ... Ich zwang mich, nicht daran zu denken. Ich brauchte Zeit.

YOGGHOTH - Das verfluchte BuchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt